Muslimische Mädchen müssen zum Schwimmunterricht
Straßburg/Basel - Glaube und Religion sind kein Grund für die Befreiung vom Schwimmunterricht. Mit diesem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs scheiterte die Klage einer muslimischen Familie aus Basel.
Zwei muslimische Eltern sind vor dem Menschenrechtsgerichtshof mit Klagen gegen die Pflicht zur Teilnahme ihrer Töchter am gemischten Schwimmunterricht gescheitert. Die Schweizer Behörden durften der Schulpflicht und der Integration der Kinder Vorrang gegenüber dem religiös begründeten Wunsch der Eltern nach einer Befreiung vom Schulschwimmen einräumen, das entschieden die Straßburger Richter.
Geklagt hatten ein Vater und eine Mutter aus Basel: Den Eltern waren Bußgelder auferlegt worden, weil sie sich geweigert hatten, ihre Töchter zum gemeinsamen Schwimmunterricht mit Jungen zu schicken. Die Kläger kommen ursprünglich aus der Türkei, sie haben mittlerweile aber auch die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Die Straßburger Richter sahen in dem Bußgeldbescheid keinen Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Sie argumentierten, die Schule spiele eine besondere Rolle bei der sozialen Integration, insbesondere von Kindern ausländischer Herkunft.
Immer wieder Klagen: Schwimmverbot durch Religion?
Im verhandelten Fall (Beschwerde-Nr. 29086/12) argumentierten die beiden muslimischen Eltern aufgrund ihres Glaubens für eine Befreiung der Töchter vom Schwimmunterricht. Auch in Deutschland ziehen immer wieder Eltern vor Gericht, die ihre Töchter und Söhne aus religiösen Gründen von den Stunden im Hallenbad befreien lassen möchten.
Einige Beispiele:
- Im Dezember 2016 lehnte das Bundesverfassungsgericht die Klage einer Frankfurter Schülerin entgültig ab und bejahte den gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht. Das muslimische Mädchen hatte sich zuvor durch insgesamt elf Instanzen geklagt. Sie hatte geltend gemacht, dass ihr islamischer Glaube verbiete, sich vor Jungen oder Männern in Badekleidung zu zeigen. Außerdem dürfe und wolle sie ihre männlichen Klassenkameraden nicht halbnackt sehen. Auch mit einem ein Ganzkörperbadeanzug („Burkini“) wollte das Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Bereits in vorherigen Instanzen lautete das Urteil, dass leicht bekleidete junge Männer in Deutschland im Sommer überall zu sehen seien. Der Anblick männlicher Schüler im Schwimmbad beinträchtige die 13-Jährige somit nur „geringfügig“ in ihrer Glaubensfreiheit, der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag überwiege. Im Übrigen sei ein Ganzkörperbadeanzug („Burkini“) ein akzeptabler Kompromiss. Den Verfassungshütern zufolge konnte das Mädchen nicht nachvollziehbar begründen, warum ein Burkini nicht zur Wahrung der islamischen Bekleidungsvorschriften genügen soll.
- Das Oberverwaltungsgericht Bremen hielt 2012 für einen Anspruch auf Befreiung vom Schwimmunterricht das Einsetzen der Pubertät für ausschlaggebend - auf jeden Fall aber die Vollendung des zwölften Lebensjahrs. Die Klage einer muslimischen Drittklässlerin lehnte es damit allerdings ab.
- 2009 gab das Oberverwaltungsgericht Münster einer Schulleiterin Recht, die einen Befreiungsantrag für eine elfjährige Muslimin abgelehnt hatte. Die Mutter hatte bei den Aufnahmegesprächen für das Düsseldorfer Gymnasium unterschrieben, dass sie mit der Teilnahme ihrer Tochter am Schwimmunterricht mit Jungen und auch an mehrtägigen Klassenfahrten einverstanden sei.
- Nicht die Tochter, sondern der Sohn sollte in diesem Fall vom Schwimmunterricht befreit werden. Mit diesem Anliegen scheitern die muslimischen Eltern 2005 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf jedoch. Sie hatten argumentiert, ihr Sohn solle Schülerinnen in Badeanzügen und Bikinis weder sehen noch womöglich sogar berühren.
dpa/afp