Kinder und Senioren schlucken zu viele Medikamente

Berlin - Kinder und Ältere erhalten in Deutschland oft unnötig oder riskant viele Medikamente. Das stellt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Gutachten 2009 fest.
Das Ergebnis der umfangreichen Untersuchung veröffentlichte der Rat jetzt auf seiner Internetseite. So erhielten Kinder unbegründet oft Psycho-Stimulanzien sowie Antibiotika bei Infektionen mit Viren. Bei den über 65-Jährigen bekämen 35 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen neun oder mehr Wirkstoffe in Dauertherapie. Nebenwirkungen seien ein Kernproblem.
Der Sachverständigenrat übergibt heute (Dienstag/11.30 Uhr) sein neues Gutachten an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ( SPD ). Darin plädiert er für die Einführung von Listen mit problematischen Mitteln. Zwei von drei über 65-Jährige hätten mindestens zwei chronische Krankheiten. “Trotz der steigenden Bedeutung der Mehrfacherkrankungen (...) gibt es nur sehr wenige Leitlinien, die sich auf ältere Patienten mit mehreren chronischen Erkrankungen beziehen“, bemängeln die Forscher.
Nach Einschätzung der Experten bestehen in der Gesundheitsversorgung Koordinationsmängel. Programme zur Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen hätten “gravierende Defizite“. Probleme sehen die Forscher unter anderem bei der Orientierung an bestimmten Zielgruppen. Die Zahl kranker Jugendlicher nehme mit der Lebenserwartung von Kindern mit schweren Krankheiten zu. Spezielle Sprechstunden für Heranwachsende sollten erprobt werden.
Die Gutachter warnen vor Lücken bei der Grundversorgung der Patienten: “Die Nachhaltigkeit der hausärztlichen Versorgung erscheint infolge drohenden Nachwuchsmangels nicht gesichert.“ Bei den niedergelassenen Fachärzten sehen die Gutachter großen Reformbedarf. Zwischen Fachärzten und Kliniken sollten die Bezahlung sowie die Genehmigung neuer Behandlungsmethoden vereinheitlicht werden. Die Vorschläge kämen einer völligen Neuordnung gleich.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat die Aufgabe, im Abstand von zwei Jahren in Gutachten Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens aufzuzeigen. Er hat sieben Mitglieder. Kernpunkte der jüngsten Gesundheitsreformen fanden sich teils bereits vorher in den Expertenvorschlägen. Dazu zählen die Wahlfreiheit bei den Krankenkassen, die Einführung des Finanzausgleichs zwischen den Kassen und eine Prüfung von Kosten und Nutzen von Arzneimitteln.
dpa