Lawine trifft Hotel in Erdbebengebiet - Viele Tote

Amatrice - Erdbeben-Tragödie in Italien: Eine Lawine verschüttet ein Hotel mit vermutlich 30 Menschen. Retter befürchten viele Tote. „Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte“, soll in einer SMS aus dem Gebäude stehen.
Eine Lawine hat in Italiens Erdbebenregion ein vierstöckiges Hotel bis zum Dach verschüttet und nach offiziellen Angaben zahlreiche Menschen in den Tod gerissen. „Es sind viele Tote“, sagte ein leitendes Mitglied der Rettungskräfte laut Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag. In dem Gebäude in der Abruzzen-Gemeinde Farindola werden 30 Menschen vermutet.
Am Donnerstagabend hieß es, dass die Rettungskräfte nicht mehr mit Überlebenden.
Die Rettungskräfte stellten sich darauf ein, "die ganze Nacht" weiterzusuchen, sagte ihr Leiter Fabrizio Curcio bei einer kurzen Pressekonferenz am Abend. Schon am Nachmittag allerdings hatten die Einsatzkräfte mit dem Schlimmsten gerechnet. "Die Situation ist dramatisch. Es gibt keinerlei Lebenszeichen", sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari.
Bislang wurden drei Leichen geborgen, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag unter Berufung auf die Polizei meldete. Eine vierte Leiche sei lokalisiert, aber noch nicht gerausgeholt worden. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
Keine Erkenntnisse über deutsche Opfer
Auch Ausländer waren unter den Opfern. Unter den Touristen, die sich wohl noch im zugeschütteten Hotel befanden, sollten auch drei Rumänen sein, eine Mutter mit ihren zwei Kindern, teilte das Außenministerium in Bukarest am Donnerstag mit. Ob sie überlebt haben, sei unbekannt.
Das Auswärtige Amt in Berlin hat bisher keine Erkenntnisse über mögliche deutsche Opfer. „Die Botschaft ist in engem Kontakt mit den italienischen Behörden und bemüht sich um rasche Aufklärung“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Totenstille am Unglücksort
Die Bergrettung erreichte das Hotel bereits in der Nacht - auf Skiern. Feuerwehrleute wurden im Helikopter eingeflogen. Der Weg durch die verschneiten Abruzzen war schwierig, dazu kam die Dunkelheit. Am Morgen machte der viele Schnee das Vorankommen für Krankenwagen unmöglich - die Rettung wurde zur Zerreißprobe, wenige Kilometer vor der Herberge stecken die Helfer selbst fest.
Bei ihrer Ankunft am Unglücksort bot sich den Rettern ein dramatischer Anblick: Es waren nicht nur Trümmer, zwischen denen sie nach Opfern suchen mussten. Eine dicke, feste Decke aus Schnee hat das Hotel auf 1200 Metern einfach verschluckt. Dem Präsidenten der Region Pescara, Antonio Di Marco, zufolge haben die Schneemassen das Gebäude außerdem um zehn Meter verschoben. Auf die Rufe der Retter: Keine Antwort.
Am Donnerstag verschaften sie sich Zutritt zu dem Hotel und suchen mit Spezialhunden, Geophonen - mit denen Bodenschwingungen erfasst werden können - und Kameras nach den Vermissten. Der Feuerwehr zufolge hatten sich viele Menschen in der Bar aufgehalten, als die Lawine am Mittwoch über das Hotel hineingebrochen war. Ein Standbild einer Videokamera zeigt, dass die Lawine eingedrungen ist.
SMS: „Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte“
Zuvor hatte es einen Hilferuf per SMS gegeben, wie Medien berichteten. "Hilfe, Hilfe, wir sterben vor Kälte", zitierten Ansa und die Zeitung "La Repubblica" die Textnachricht.
Weil sie sich im Freien aufgehalten haben, haben mindestens zwei Menschen aus dem Hotel überlebt. Ein 38-Jähriger sei unversehrt, weil er zum Auto gegangen sei, um etwas zu holen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Ärzte. Der Mann habe die Einsatzkräfte alarmiert. Er selbst sei auch verschüttet worden, habe sich aber aus eigenen Kräften befreien können. Einige seiner Angehörigen, darunter seine Frau, seien noch in dem Hotel.
Verwüstung und Stromausfall in der ganzen Region
Die Augen sind nun auf das Hotel Rigopiano gerichtet - doch auch in den anderen Orten im Erdbebengebiet laufen die Rettungsarbeiten auf Hochtouren. Bereits am Mittwoch hatte der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, gesagt, der Schnee sei ein größeres Problem als das Erdbeben. Seit Tagen sind einige Haushalte von der Außenwelt abgeschlossen, Tausende Menschen sind ohne Strom.
Seit fünf Monaten suchen das bergige Gebiet immer wieder schwere Beben heim, im August starben rund um die Stadt Amatrice fast 300 Menschen. Viele Orte sind deshalb schon verwaist, weil nur noch Trümmer stehen
afp/dpa