Ein großes Stück Sportgeschichte
Vor 30 Jahren: Als Biathlet Fritz Fischer mit Deutschland-Flagge zu Olympia-Gold lief
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Heute vor 30 Jahren ist ein großes Stück deutscher Sportgeschichte geschrieben worden. Bei den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville liefen Ricco Groß, Jens Steinigen, Mark Kirchner und Fritz Fischer zur ersten Olympia-Goldmedaille einer gesamtdeutschen Biathlon-Staffel.
Ruhpolding – Mit sportlichen Superlativen sollte man stets vorsichtig umgehen. Definitiv in die Kategorie „Superlativ“ gehört allerdings der Staffelsieg der deutschen Biathleten bei den Olympischen Spielen 1992 in Albertville. Zum ersten Mal war eine gesamtdeutsche Mannschaft nach der Wiedervereinigung bei Olympia angetreten. Der Tag des Triumphes jährt sich heute zum 30. Mal.
Uschi Disl reichte die Flagge
„Für mich ist diese Goldmedaille immer noch präsent, es ist so, als wäre es gestern gewesen“, erinnert sich der damalige Schlussläufer Fritz Fischer. Der Ruhpoldinger hatte vor 30 Jahren beim letzten Schießen die Konkurrenz der sechs ehemaligen Staaten der Sowjetunion (GUS) mit Sergei Tschepikow und den Norweger Mikael Löfgren abgekocht. Mit der deutschen Fahne hatte der damals 35-jährige an jenem 16. Februar 1992 die Ziellinie in Les Saisies überquert. „Die Fahne hat mir die Uschi Disl in die Hand gedrückt“, erzählt Fischer, eine Biathlon-Legende. „Wir waren alle so begeistert und es ist spontan passiert. Ich dachte mir, dass der Fritz nicht ohne deutsche Flagge über die Ziellinie laufen kann. Gedanken an die Sportgeschichte haben wir uns nicht gemacht“, erklärt Disl, die 1992 mit der Damenstaffel Silber gewann.
Drei Gold-Läufer leben in Ruhpolding
Dabei hatte es zunächst nicht nach einem Erfolg des deutschen Quartetts ausgesehen. Startläufer Ricco Groß kam zu Sturz und übergab mit zwei Nachladern als 13. an Jens Steinigen. „Ich denke immer noch gerne daran, als der Fritz mit der deutschen Fahne ins Ziel gekommen ist, war das schon emotional“, erinnert sich Groß, aktuell Trainer der österreichischen Männermannschaft und damals mit 22 Jahren neben Mark Kirchner der Jüngste im Team. Er war nach der Wende von Sachsen nach Ruhpolding übergesiedelt und hatte sich dem dortigen Skiclub angeschlossen. Auch Steinigen hatte es nach Ruhpolding verschlagen, Wolfgang Pichler nahm sich seiner an. „Auf die Staffel werde ich oft angesprochen“, so der mittlerweile 55-jährige Steinigen, der beruflich als Anwalt tätig ist. „Auf meiner Runde habe ich immer gedacht: Mein Gott, es läuft nicht!“ Trotzdem kämpfte er sich auf den fünften Platz nach vorne. Steinigen galt in dieser Zeit als Rebell, da er sich davor geweigert hatte, bei den Dopingpraktiken in der ehemaligen DDR mitzumachen und auch nach der Wende noch Trainer aus dieser Zeit mitgewirkt hatten. Allerdings konnte er sich wieder in die Mannschaft zurückkämpfen. „Wir wollten damals einfach gewinnen und jeder hat sein Bestes gegeben“, beschreibt er die Situation.
Drei Medaillen bei der Olympia-Premiere
Für Mark Kirchner waren es die ersten Olympischen Spiele. „Ich konnte drei Medaillen gewinnen, zweimal Gold und einmal Silber. Das werde ich nie vergessen“, sagt der heutige Bundestrainer, der für den WSV Oberhof startete und später zu Scheibe-Alsbach wechselte. „Das Drumherum mit der Wiedervereinigung hat bei mir keine so große Rolle gespielt. Grundsätzlich ging es mir um den Sport und darum, bei Olympia dabei zu sein. Die geschichtliche Dimension wurde erst später proklamiert“, so der 51-Jährige. Im damaligen Rennen zeigte Kirchner eine starke Leistung und übergab mit 15 Sekunden Vorsprung an Fritz Fischer. „Wenn ich darauf angesprochen werde, dann ist das schön. Es war ja ein besonderer toller Moment“, so Kirchner.
Angst vor einem Rennabbruch
Was danach folgte, ist mittlerweile große Sportgeschichte. „Ich hatte ganz am Anfang in der Wachskabine nicht mehr gedacht, dass ich um die Goldmedaille laufen werde. Plötzlich war die Chance da und ich weiß noch, dass ich am Anfang in der Loipe Selbstgespräche geführt habe. Mir ist alles Mögliche durch den Kopf gegangen“, erinnert sich der heute 65-Jährige, der dem Biathlonsport weiter verbunden ist. „Ich hatte plötzlich Angst, dass das Rennen abgebrochen wird, weil es ziemlich neblig geworden ist. In Erinnerung habe ich noch, dass der Schnee sehr sulzig war. Aber wir hatte sehr schnelle Bretter.“
Mit 35 Jahren Olympiasieger geworden
Bei den Olympischen Spielen 1988 war Fischer auf dem Flug nach Calgary krank geworden. Mit der Staffel gewann er damals noch Silber, im Sprint und Einzel blieb er hingegen unter seinen Möglichkeiten. Vier Jahre später schließlich brachte Fischer den Sieg für Deutschland dank seiner schnellen Schießeinlagen ins Ziel. „Für mich war damals schon klar, dass wir Sportgeschichte geschrieben haben. Ich, der Hobbyangler aus Kelheim, bin mit 35 Jahren plötzlich Olympiasieger“, so Fischer.
Online-Treffen statt gemeinsamer Feier
Eine gemeinsame Feier wird es nicht geben: Kirchner und Groß sind mit ihren Teams bei den Olympischen Spielen in Peking, Steinigen und Fischer daheim in Ruhpolding. „Wir planen ein Online-Treffen“, verrät Steinigen. „Der Fritz und ich frühstücken und der Mark und der Ricco sind dann beim Abendessen“.