„Nafri“: Was der heikle Polizei-„Arbeitsbegriff“ wirklich heißt
München - Der Polizei-“Arbeitsbegriff“ „Nafri“ bedeutet nicht einfach nur „Nordafrikaner“. Hinter ihm steckt eine heikle Abkürzung. Über die Verwendung ist ein Streit entbrannt.
Kaum 48 Stunden ist das Jahr 2017 alt. Und schon hat es einen ersten Anwärter auf das „Unwort des Jahres“. Ausgerechnet 52 Minuten vor dem Jahreswechsel war er in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: Am Kölner Hauptbahnhof würden „derzeit mehrere hundert Nafris überprüft“, twitterte die Polizei der Rheinmetropole am Silvesterabend kurz vor Mitternacht.
Lange dauerte es nicht, bis die Kurznachricht mit der heiklen Abkürzung „Nafri“ Wellen schlug. Grünen-Chefin Simone Peter nannte die Bezeichnung „völlig inakzeptabel“. Ex-Vorzeige-Piraten-Politiker Christopher Lauer (jetzt SPD) ging noch einen Schritt weiter. "Ich halte diesen Begriff für in hohem Maße entmenschlichend", sagte er am Sonntag.
Problematisch scheint vor allem, dass offenbar gar nicht immer klar ist, was der Begriff „Nafri“ überhaupt bedeuten soll. Naheliegend wäre eine allgemeine Abkürzung für „Nordafrikaner“. Polizeidokumente und -statements zeigen aber etwas anderes - auch wenn selbst Polizeivertreter das Wort bisweilen augenscheinlich sehr allgemein verwenden. Genau betrachtet: Die Begriffsverwirrung scheint groß.
„Arbeitsbegriff“ kursiert schon seit Anfang 2016
Was also heißt „Nafri“ eigentlich? „Das ist lediglich eine Abkürzung für nordafrikanische Intensivtäter und ist keinesfalls rassistisch oder als Schimpfwort gemeint“, erklärte Ernst Walter, der Vorsitzende der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Von einem „Arbeitsbegriff“ innerhalb der Polizei sprach Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies.
Bereits Anfang 2016 war publik geworden, dass die Kölner Ordnungshüter ein „AP Nafri“ durchgeführt hatten - ein „Analyseprojekt Nordafrikanische Straftäter“. Unter anderem die Zeit und die Neue Westfälische berichteten nach der traumatischen Silvesternacht 2015 über das Projekt und zitierten auch die Abkürzung, die nun zum Zankapfel wurde.
Nur ein mutmaßlicher Straftäter ist ein „Nafri“
Besagte Analyse scheint auch eine Art Definition erbracht zu haben, wenn man dem Kölner Express Glauben schenkt, der am Montag aus einem „internen LKA-Dokument“ zitierte. „Nafris“ sind demnach „Tatverdächtige“ aus Ägypten, Algerien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien - sprich: Nordafrika - im Alter von 15 bis 25 Jahren, die vor allem in belebten Innenstadtbereichen Straftaten begehen.
Als „Besonderheit“ nennt das Dokument, die „Klientel“ verhalte sich „äußerst aggressiv gegenüber einschreitenden Polizeibeamten und Mitarbeitern der Stadt“. Bewaffnung, etwa mit Klappmessern, werde häufig festgestellt. Auch die Kölner Polizei habe in einem Bericht vor „unkontrolliertem Schlagen, Treten und Beißen“ bei „Nafris“ gewarnt, heißt es in dem Artikel.
Gleichwohl: All diese Zuschreibungen beziehen sich explizit auf „nordafrikanische Intensivtäter“ oder „Tatverdächtige“. Nicht auf Nordafrikaner im Allgemeinen. „Wenn eine nordafrikanische Person in Verdacht steht, eine Straftat zu begehen, ist sie ein ‚Nafri‘“, betonte Walther am Montag.
Offenbar eine schwierige Unterscheidung
Genau diese Unterscheidung bereitet aber offenbar Probleme. Peter und Lauer kritisierten, dass die Polizei das Wort pauschal für Menschen nordafrikanischer Herkunft verwendet habe, nicht etwa konkret für Straftäter. Tatsächlich deutet der ominöse Tweet der Kölner Polizei in diese Richtung - darin hieß es, es seien „mehrere hundert Nafris überprüft“ worden. Gemeint waren allem Anschein nach „Nordafrikaner“, nicht „nordafrikanische Intensivtäter“.
Eine solche Verallgemeinerung wäre auch abseits der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung in vielerlei Hinsicht problematisch. Denn natürlich ist nicht jeder Nordafrikaner ein Intensivtäter, wie auch Mathies am Montag betonte. „Wir stellen fest, dass nur sehr wenige Zuwanderer als Straftäter auffallen, diese dann aber häufig eine Vielzahl von Delikten begehen", berichtete Ende 2015 der Braunschweiger Kripo-Chef Ulf Küch in einem Interview mit Spiegel Online.
Innenministerium würde den Begriff „nicht verwenden“
In diese Richtung deuten sogar Erkenntnisse just der Kölner Polizei. So hatte laut Spiegel vor einiger Zeit eine weitere Analyse der Kölner Polizei ergeben, dass nur 0,5 Prozent der illegal eingereisten Syrer - die wie die in der Kölner Silvesternacht hauptsächlich verdächtigte Gruppe der Marokkaner und Algerier zu den Nordafrikanern gehören - in Deutschland nach dem ungesetzlichen Grenzübertritt eine weitere Straftat begehen.
In Köln hat die Polizei nach eigenen Angaben am Silvesterabend gleichwohl eine eindeutige Lage vorgefunden: Nach den Erfahrungen des Vorjahres sei „ein klarer Eindruck entstanden, welche Personen zu überprüfen sind“, sagte Polizeipräsident Mathies: „Es waren keine grauhaarigen älteren Männer oder blondhaarigen jungen Frauen.“
Der Kölner Silvesterabend wird nichtsdestotrotz wohl auch auf offizieller Ebene noch für Diskussionen sorgen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Montag zu dem Vorwurf, die Polizei habe in Köln an Silvester Nordafrikaner diskriminiert, man werde „sehr genau schauen müssen, ob an dieser Behauptung etwas dran ist“.
Der Begriff „Nafris“ sei überdies „keine offizielle Sprachregelung oder ein offizieller Begriff, den wir verwenden würden“, sagte er weiter. Vielleicht verschwindet das Wort „Nafri“ also auch ganz schnell wieder in der Giftkiste der Unwörter.
fn/dpa