Kanzlerkandidat Schulz: Kampfansage gegen Populisten

Berlin - Alles neu bei der SPD: Der Europapolitiker Martin Schulz übernimmt von Parteichef Gabriel den Vorsitz und wird Kanzlerkandidat. Ob die Personalrochade die Chancen der SPD am 24. September erhöht?
Nach dem überraschenden Rückzug von Sigmar Gabriel hat der designierte Kanzlerkandidat Martin Schulz der SPD Hoffnung auf einen Sieg bei der Bundestagswahl gemacht. „Dieses Land braucht in diesen schwierigen Zeiten eine neue Führung“, sagte der frühere EU-Parlamentspräsident am Dienstagabend in Berlin. „Die SPD hat den Führungsanspruch in diesem Land.“ Allerdings liegen die Sozialdemokraten in Umfragen weit abgeschlagen hinter der Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Schulz sagte, dass ein "tiefer Riss" durch die Gesellschaft nicht nur in Deutschland, sondern in Ländern überall auf der Welt gehe. Es gebe eine "große Verunsicherung" unter den Menschen, der die Politik mit "Mut und Zuversicht" begegnen müsse.
"Die SPD ist eine mutige Partei, und wir wollen, dass die Zuversicht, die uns heute in unseren Diskussionen hier geleitet hat, übertragbar wird auf die gesamte Bevölkerung", sagte Schulz nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums, das einen Beschluss zu seiner Kanzlerkandidatur fasste. "Wir wollen einen Wahlkampf führen, der uns (...) mit dem Auftrag ausstattet, dieses Land zu führen."
Im Video: Gabriel und Schulz erklären den Neuanfang
Schulz setzte für den anstehenden Bundestagswahlkampf auf die Themen Gerechtigkeit und Sicherheit. "Wir wollen, dass die hart arbeitenden Menschen in diesem Lande, die sich an die Regeln halten, sicher und gut in Deutschland leben können", sagte er. "Wir wollen, dass es gerecht und fair zugeht." Menschen müssten "nach ihren Taten und Motiven beurteilt werden und nicht nach ihrer Herkunft".
Der frühere EU-Parlamentspräsident hob auch die Bedeutung der europäischen Einigung hervor. Ein funktionierendes Europa sei die "grundlegende Bedingung für Frieden und Wohlstand", sagte er.
Schulz kündigte eine harte Auseinandersetzung mit Populisten und Extremisten an: „Ich sage in dieser auseinander driftenden Gesellschaft allen Populisten und den extremistischen Feinden unserer Demokratie und unserer pluralen Werteordnung hier entschieden den Kampf an.“ Er fügte hinzu: „Mit mir wird es kein Bashing gegen Europa geben. Mit mir wird es keine Hatz gegen Minderheiten geben.“ Schulz war seit 1994 im Europaparlament und zuletzt dessen Präsident.
Schulz einstimmig nominiert
Nachdem Gabriel Schulz in der SPD-Fraktionssitzung vorgeschlagen hatte, nominierte das SPD-Präsidium den 61-Jährigen einstimmig als Herausforderer von Merkel und künftigen Vorsitzenden. „Es kann sein, dass ich die besten Chancen habe, für die SPD die Bundestagswahl zu gewinnen. Und das ist genau der Grund, warum ich diese Aufgabe übernehme“, sagte Schulz.
Auch Gabriel erklärte, er habe Schulz den Vortritt gelassen, „weil er die besseren Chancen hat. Das liegt auf der Hand“. Schulz erhält seit Wochen in den Umfragen wesentlich bessere Werte als Gabriel. „Er ist jemand, der Brücken bauen kann, der Menschen zusammenführt.“ Dass er und Schulz befreundet seien, sei wichtig, aber nicht ausschlaggebend gewesen, sagte Gabriel und bezeichnete Schulz als „großen Sozialdemokraten“.
Gabriel: „Ich habe es der SPD nicht immer leicht gemacht.“
Gabriel sagte, die SPD werde Anfang März einen außerordentlichen Bundesparteitag abhalten, auf dem Schulz zum Parteichef gewählt werden solle. Er dankte der SPD für die Zeit als Parteichef. Er ergänzte: „Zur Wahrheit gehört: Ich habe es der SPD nicht immer leicht gemacht, umgekehrt auch nicht immer.“ Es sei für ihn keine einfache Entscheidung gewesen. „Aber ich bin sicher, es ist die richtige“, betonte der noch amtierende Parteichef.
Die kommende Bundestagswahl werde keine wie jede andere werden, so Gabriel.
Gabriel will Außenminister werden
Der 57-jährige Gabriel will nun Außenminister werden und Vizekanzler bleiben. Die frühere Justizministerin Brigitte Zypries (63) soll seine Nachfolgerin an der Spitze des Wirtschaftsressorts werden. Schulz soll wahrscheinlich im März auf einem vorgezogenen Parteitag zum SPD-Chef gewählt werden und dann Kanzlerin Merkel bei der Bundestagswahl am 24. September herausfordern. Gabriel war dann siebeneinhalb Jahre SPD-Vorsitzender.
Das Kabinett wird voraussichtlich noch in dieser Woche umgebildet. Schon am Freitag könnten Gabriel und Zypries vereidigt werden. Der bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) tritt am 12. Februar bei der Bundespräsidentenwahl als Kandidat der großen Koalition an - an seiner Wahl gibt es keinen Zweifel.
So reagierte die Politik auf Gabriels Rücktritt
dpa/snacktv