So kam es zum Erbfolgekrieg bei der CSU - und das kann noch passieren

Wer wird Nachfolger von CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer? Die Rangeleien zwischen Söder, Herrmann, Aigner, Weber und Dobrindt im Überblick.
Bei den Rangeleien um die Macht in der CSU kann man schnell den Überblick verlieren. Eine Chronologie des Machtkampfes.
Die Ausgangslage
Bei der Bundestagswahl 2017 holte die CSU in Bayern 38,8 Prozent - ein Minus von 8,5 Prozentpunkten zu 2013. Damit war klar: Die CSU steckt in der Krise.
Die zwei Lager
Am 5. November kam es bei der Landesversammlung der Jungen Union zum Eklat: Nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer fern blieb - offizielle Begründung: Sondierungsgespräche - warf ihm die Parteijugend vor, heiklen Diskussionen aus dem Weg zu gehen und forderte einen „personellen Neuanfang“. Der Superstar der drei Tage in Erlangen war dagegen anwesend: Markus Söder, seine Rede wurde erwartungsgemäß umjubelt. Zu allem Überfluss hielten Teile der CSU-Jugend Schilder öffentlichkeitswirksam in die Kameras: „MP Söder“ - Ministerpräsident Söder. Eine offene Revolte.
Seitdem ist offensichtlich: In der CSU gibt es tiefe Gräben. Jung gegen alt, Franken gegen Oberbayern, Söder gegen das Partei-Establishment. Zu jenem Partei-Establishment gehören der EVP-Vorsitzende im Europäischen Parlament, Manfred Weber, der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt, die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner oder Joachim Herrmann, Innenminister und möglicher Söder-Herausforderer. Sie alle sind aus Ober- oder Niederbayern und gelten als Seehofer Getreue. Und: Manche von ihnen haben auf Söder einen persönlichen Groll.

Was seit der JU-Landesversammlung geschah
Die Umfragewerte zur Landtagswahl 2018 purzelten von einem Negativrekord der CSU zum nächsten, aktueller Stand: 37 Prozent. Zur Erinnerung: 2013 hatte Seehofer mit seiner Partei noch 47,7 Prozent geholt, was zur absoluten Mehrheit reichte. Entsprechend bröckelt aktuell der Rückhalt für Seehofer.
Nachdem sich Teile der Parteibasis offen gegen den CSU-Chef aussprachen, wenden sich auch die Wähler vom Ministerpräsidenten ab: 72 Prozent der Bayern fordern inzwischen Seehofers Rücktritt. Seehofer selbst, der sich nach dem Putsch der Jungen Union noch kämpferisch zeigte, wird nun auch eingesehen haben, dass seine Amtszeit bei der kommenden Wahl enden wird. Einen offiziellen Rücktritt gab es seitdem aber noch nicht, ebenso hat Söder seine Kandidatur für 2018 bisher noch nicht bestätigt - Zweifel an ihr gibt es allerdings nur wenige. Um Söder doch noch zu verhindern, sollen sich Seehofer und seine Getreuen (Aigner, Dobrindt, Herrmann und Weber) am Montag zu einer konspirativen Sitzung getroffen haben, um Innenminister Joachim Herrmann nun gegen den Franken ins Rennen zu schicken. Das will zumindest die Süddeutsche Zeitung herausgefunden haben. Herrmann bestreitet zwar, bereits seine Spitzenkandidatur für die Landtagswahl intern verkündet zu haben, nicht jedoch, dies vorzuhaben. Allerdings kritisiert Partei-Vize Manfred Weber, die Berichterstattung sei fehlerhaft: „Der gezielte Versuch der letzten Tage, durch anonyme Indiskretionen weitere Gräben in der CSU aufzumachen, ist ziemlich durchschaubar“, sagt er am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Alles also noch offen, die Kampfkandidatur Herrmanns noch keine beschlossene Sache?

Söder gegen Herrmann - Kommt es zum Showdown?
So könnte es am Montagvormittag zum Showdown zwischen Söder und Herrmann im Maximilianeum kommen - vorausgesetzt, Herrmann tritt nun wirklich an. In einer Sondersitzung am Montagmorgen soll zunächst die Fraktion in einer geheimen Wahl darüber abstimmen, wer für die Christsozialen bei der Landtagswahl im Herbst 2018 antreten wird. Ein Richtungsweiser, wenn auch nicht bindend. Die schlussendliche Entscheidung fällt der Parteitag am 15. und 16. Dezember in Nürnberg.
Spätestens am Montag sollte aber klar sein, ob Seehofer nicht mehr antritt - und wer sich für sein Amt bewirbt. Man rechnet Söder zwar gute Chancen aus, beide Abstimmungen zu gewinnen, doch genießt auch Herrmann einen guten Ruf. Er gilt als loyal, verlässlich und umgänglich. Der Rebell gegen den treuen Parteikader - es wird spannend.
Was wird aus Ilse Aigner, Manfred Weber und Horst Seehofer?
Ilse Aigner wurde lange als potenzielle Seehofer-Nachfolgerin gehandelt. Sie ist eine Gegnerin Söders, sagte jüngst aber auch, dass sie es satt habe, an „Seehofers Rockzipfel“ zu hängen. Eine Kandidatur für das Ministerpräsidenten-Amt ist zwar offiziell noch nicht vom Tisch, wäre nach dem aktuellen Stand der Dinge aber eher überraschend.
Und Horst Seehofer? Zieht sich der 68-Jährige aus der Politik zurück und hat endlich Zeit für seine berühmte Modelleisenbahn? So wirklich Lust darauf scheint Seehofer nicht zu haben. Diskutiert wurde vor kurzem noch eine Ämtertrennung, Söder als Ministerpräsident, Seehofer bliebe Parteichef. Doch eben jenen Parteivorsitz soll Manfred Weber Seehofer nun streitig machen wollen. Der Niederbayer bestreitet auch das: Es handele sich um einen „offensichtlichen Plan, ihn und mich auseinanderzudividieren“.
bah