Diese Tipps gibt Karin Stoiber Bayerns neuer First Lady

Was kommt auf Karin Baumüller-Söder als Gattin des nächsten bayerischen Ministerpräsidenten zu? Wir sprachen mit Ex-First-Lady und Namensvetterin Karin Stoiber über ein Amt, das es eigentlicht gar nicht gibt.
Bayern bekommt bald einen neuen Ministerpräsidenten – und damit auch eine neue „First Lady“. Ein Amt, das es eigentlich nicht gibt. Und erst recht gibt es keine Stellenbeschreibung. Trotzdem messen die Bayern den Ehefrauen ihrer Ministerpräsidenten große Bedeutung zu. Karin Stoiber, 74, hatte das Nicht-Amt von Mai 1993 bis September 2007 inne, ist bis heute sehr beliebt. Ein Gespräch über eine Aufgabe, die Last mit sich bringt, aber Chancen bietet.
Frau Stoiber, wie oft muss sich eine First Lady beim Bäcker für Politik ihres Mannes rechtfertigen?
Das kam schon mal vor. „Muaß das denn sei“, haben die Leute gesagt. Oder: „Kann er des ned anders macha?“. Aber in der Regel war das kein Problem. Ich wohnte ja schon lange in Wolfratshausen und die Leute haben mich da Gott sei Dank nicht nur als Frau des Ministerpräsidenten wahrgenommen.
Das Amt der First Lady gibt es gar nicht. . .
Stimmt. Ich war nicht da, aber omnipräsent (lacht).
Hat Sie am Anfang jemand zur Seite genommen und auf all das vorbereitet, was auf einen einprasselt?
Nein. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Anfangs hatte ich noch kleine Kinder, da reduzierte sich das auf zwei, drei Termine die Woche. Die zeitliche Beanspruchung hat sich später aber deutlich gesteigert. Wenn man zu den Landfrauen und Sozialstationen nach Hof, Sonthofen oder Berchtesgaden fährt, lernt man Bayern in seiner Größe kennen.
Es gibt viel zu beachten – im Umgang mit der Presse, bei Staatsbesuchen das Protokoll, die Kleiderordnung. Gab es in der Staatskanzlei einen Beamten, der für Sie zuständig war?
Marianne Strauß hatte eine Referentin, die sich sehr gut auskannte und mir anbot, mich zu beraten. Sie hat mich bis zum letzten Tag begleitet.
„1993 gab es noch nicht diesen Selfie-Wahn, da hatte man höchstens Autogrammkarten dabei“
Hat Frau Seehofer mal um Rat gefragt?
Nein. Aber ich habe ihr gesagt, was mir besonders am Herzen liegt. Zum Beispiel die Patenschaft des Freistaats für die Fregatte „Bayern“ oder mein Engagement für das Haus AtemReich in München, in dem Kinder betreut werden, die nicht eigenständig atmen können.

Politiker haben einen vollen Terminkalender. Da geht oft der Bezug zu den Alltagsproblemen normaler Menschen verloren. Dienen die Ehepartner als Antenne fürs echte Leben?
Die Briefträgerin bin ich nicht gewesen. Aber ich habe ihm schon gesagt, was die Leute mir mitgegeben haben. Wir haben immer versucht, uns möglichst normal in Wolfratshausen zu bewegen. Die Leute sind einfach auf uns zugekommen. 1993 gab es noch nicht diesen Selfie-Wahn, da hatte man höchstens Autogrammkarten dabei.
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Aber der Ministerpräsident hat selten Zeit, spazieren zu gehen.
Das stimmt. Morgens haben wir zwar gemeinsam gefrühstückt, aber das gemeinsame Abendessen gab es nie. Mein Mann kam mitten in der Nacht ausgehungert heim, dann habe ich ihm schnell etwas gemacht. Tagsüber blieb kaum einmal Zeit für ein Telefonat, wo er mal fragte, ob es bei mir etwas Neues gibt.
Das ging bis in den Urlaub. Mit Personenschutz, Referenten und Akten am Strand klingt nicht sehr erholsam.
Wir haben uns damit arrangiert. Aber ich kenne meinen Mann nur als Arbeitstier. Der wurde einmal als Student vom Hausmeister aus der Bibliothek geworfen, weil der zu später Stunde zusperren wollte.
Ihre Kinder sind sehr öffentlich aufgewachsen.
Das hat sie gefordert, aber auch stark gemacht. In der Schule gab es manchmal Probleme, auch mit Lehrern. Unsere jüngere Tochter sollte im Englischunterricht einmal den Satz „Die CSU in Bayern macht eine fadenscheinige Politik“ übersetzen. Das hat sie abgelehnt. Der Fall machte sogar Schlagzeilen. Aber nach dem Abitur haben sich meine Tochter und diese Lehrerin die Hand gegeben.
Hat es Sie nicht manchmal auch genervt, dass Sie immer in Mithaftung für die Politik Ihres Mannes genommen werden?
Man lebt sich in diese Rolle ein. Mir ist das nicht schwer gefallen, weil ich mich sehr mit seiner Arbeit für Bayern identifiziert habe. Aber natürlich hat man manchmal gedacht: Warum habe ich kein normales Leben wie das Paar, das da gerade am Gartenzaun vorbeigeht. Aber heute möchte ich die Zeit nicht missen. Ich habe dieses Nicht-Amt gerne ausgefüllt.
Stört es Sie, dass Leute trotzdem immer sagen: Politiker verdienen zu viel, leben auf unsere Kosten?
Da kam man sich manchmal schon komisch vor, wenn man zu Hause staubsaugt und auf die Uhr schaut, ob man noch schnell die Wäsche machen kann – und dann zieht man sich um für den Staatsempfang. Die Leute unterschätzen manchmal, wie normal das Leben auch bei Spitzenpolitikern ist. Aber es sind gerade Besuche wie in Behindertenwerkstätten, die einen auf dem Teppich halten.
Sie haben Ihre Rolle stark über soziales Engagement definiert.
Als Ehefrau des Ministerpräsidenten hatte ich plötzlich die Chance, auf einem ganz anderen Niveau sozial zu arbeiten
Das begann nicht erst in dieser Zeit. Ich bin in Wolfratshausen auf die Klosterschule der Armen Schulschwestern gegangen und habe schon als Mädchen im Krankenhaus mitgearbeitet. Das hat mich geprägt. Das Leid, das man sieht, macht einen demütig. Als Ehefrau des Ministerpräsidenten hatte ich plötzlich die Chance, auf einem ganz anderen Niveau sozial zu arbeiten. Auf den Auslandsreisen war immer eine Wirtschaftsdelegation dabei, die ich dann im Flugzeug bearbeitet habe, mehr zu spenden (lacht).
Ihr Mann hat einmal gesagt, zehn Prozentpunkte des CSU-Ergebnisses gingen auf seine Frau.
Wir hatten eine Rollenteilung. Er hat sich um die große Politik gekümmert, ich habe mich sozial engagiert. Auf Empfängen kamen viele Leute mit ihren Anliegen zu mir. Vielleicht haben sie sich eher getraut, weil ich ein mütterlicher Typ bin.
Andere halten sich öffentlich sehr zurück. Joachim Sauer, der Ehemann von Angela Merkel, tritt kaum öffentlich in Erscheinung.
Der ist ja ein angesehener, viel beschäftigter Professor.

Ein interessanter Punkt: Lässt sich dieses Nicht-Amt überhaupt ausfüllen, wenn man selbst voll berufstätig ist?
Schwierig. Wenn man weniger Zeit hat, muss man die Aktivitäten eben einschränken. Aber die Bürger erwarten schon, dass man sich Zeit für ihre Anliegen nimmt und sich darum kümmert.
Ihre Nachfolgerin Marga Beckstein bestand auf Eigenständigkeit. Da ging es nicht nur um die oft zitierte Weigerung, zur Wiesn ein Dirndl anzuziehen.
Wegen des Dirndls hat ihr Mann sein Amt sicher nicht abgeben müssen. Wie gesagt: Jeder muss seinen eigenen Umgang mit der Aufgabe finden.
Ist es wichtig, dass hinter einem Ministerpräsidenten eine Familie steht?
Ohne Familie stelle ich mir das schwierig vor, auch wenn viele Politiker keine haben. Aber vielleicht hat Frau Merkel ohne Kinder den Kopf freier. Wir dagegen haben inzwischen sieben Enkelkinder, das älteste ist 18 und war gerade in Chile, das Jüngste ist erst fünf Wochen alt. Wir waren und sind damit mittendrin in vielen verschiedenen Lebenssituationen.
Ihr Mann hat einen guten Draht zu Jens Spahn, in dem viele einen kommenden Bundeskanzler sehen. Spahn ist homosexuell. Glauben Sie, unser Land wäre bereit, einen „First Husband“ zu akzeptieren?
Ich denke nicht, dass das noch ein Problem wäre. Homosexualität wird in der Gesellschaft inzwischen akzeptiert. Bei der „Ehe für alle“ gab es keinen Aufschrei, auch bei Guido Westerwelle war das bald kein Thema mehr.
Die CSU hat einen harten Machtkampf hinter sich. Wenn Sie selbst an Kreuth 2007 zurückdenken: Wie erlebt man das als Ehepartner? Man ist nicht dabei, aber dennoch unmittelbar betroffen.
In den eigenen vier Wänden kann die Ehefrau natürlich ganz anders reagieren als der Politiker im Rampenlicht. Ich habe damals mehr gelitten als mein Mann. Politik ist sein Herzblut. Er hat mich damals angerufen und gesagt: „Bevor ich mit einer Zustimmung von 60 Prozent der Abgeordneten weiterregiere, mach ich lieber einen Schnitt und höre ganz auf. Bist du damit einverstanden?“ Ich habe Ja gesagt. Und dann ist er vor die Presse getreten.
Sie haben danach berichtet, sie hätten durchgesetzt, dass der Wecker nun eine Stunde später klingelt. Nämlich um 6.59 Uhr.
Keine Chance. 5.59 Uhr. Der Tag ist noch immer wahnsinnig ausgefüllt. Aber ich muss meinem Mann ein Kompliment machen: Er bemüht sich jetzt, zum Abendessen zu Hause zu sein. Das war früher undenkbar.
Interview: Mike Schier und Christian Deutschländer