CSU-Spitzen wollen, dass Seehofer weitermacht

Parteivorsitz behalten, als Minister und vielleicht Vizekanzler in Bundesregierung eintreten? So könnte plötzlich die Zukunft von Horst Seehofer aussehen. Unterdessen rügt „Vize“ Weber die CSU-Kollegen.
München – Seine jüngste Pressekonferenz, es war nach etlichen Krisensitzungen gegen Mitternacht in München, beendete Horst Seehofer mit einem tadelnden Blick auf die seit Stunden ausharrenden Journalisten. „Jetzt machen Sie mir einen müden Eindruck“, spöttelte er. Unterton: Unterschätzt mich nicht, ich bin hellwach. Parteifreunde, die in den vergangenen Tagen mit ihm sprachen, berichten, daran habe sich nicht viel geändert. Der eskalierende Nachfolgestreit habe bisher keine zermürbende Auswirkung auf den CSU-Chef.
Im Gegenteil: Angesichts des drohenden Wettstreits ums Ministerpräsidentenamt (Markus Söder gegen Joachim Herrmann) und um den Parteivorsitz (Manfred Weber) wachsen die Bitten an Seehofer, selbst doch weiterzumachen. Nach Informationen des Münchner Merkurs riefen diese Woche mehrere hohe und höchste Parteifreunde bei dem 68-Jährigen an, um ihn zum Weitermachen zu überreden. Er solle sich vom Parteitag am 15./16. Dezember wiederwählen lassen, um dann als CSU-Vorsitzender in die nächste Bundesregierung einzutreten. Das Ministerpräsidentenamt könne er dann bis Frühjahr 2018 räumen.
CSU-Chef Seehofer erbat sich Bedenkzeit. Entscheidung soll in Kürze fallen
Seehofer war zwischenzeitlich wohl so weit, beide Ämter zur Disposition zu stellen. Den Bitten, doch weiterzumachen, verwehrt er sich allerdings nicht. Er denke ernsthaft nach, erzählt einer der Anrufer. Die Vorteile des Modells sind offenkundig: keine Kämpfe um einen neuen Parteichef – Weber würde eine weitere Amtszeit Seehofers an der Parteispitze genauso akzeptieren wie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, letzterer wünscht sich das sogar ausdrücklich. Seehofer könnte die CSU dann in die Bundesregierung führen und ein mächtiges Amt beanspruchen. Vom Finanzministerium reden sie neuerdings in Berlin. Falls die Union eine Minderheitsregierung eingehen würde, wäre Seehofer sogar plötzlich Vizekanzler – Karrierehöhepunkt statt Sturz, mal wieder eine jähe Wendung in der Partei. Markus Söder als seinen Nachfolger in München könnte Seehofer damit nicht verhindern. Allerdings hätte er bei der Regierungsbildung 2018 in Bayern (eine Koalition?) als Parteivorsitzender viel mitzureden.
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Seehofer kann den Argumenten einiges abgewinnen, heißt es. Entscheiden will er sich am Wochenende. Da steht ein Sitzungsmarathon in der Parteizentrale im Münchner Norden an. Am Samstagmorgen trifft der Ingolstädter den Vorstand der CSU Oberbayern, seine politische Heimat. Am Sonntag kommen nacheinander die Bezirksvorsitzenden, die Chefs der Arbeitsgemeinschaften und dann die stellvertretenden Parteichefs zu ihm. Montagfrüh tagen Landtagsfraktion (mit Abstimmung über den Spitzenkandidaten) und dann Parteivorstand. „Wochenende der Wahrheit“, wird in der CSU geraunt.

Wobei es für manche in der letzten Zeit ein bisschen viel Wahrheit und vermeintliche Wahrheit aus der Partei gab. CSU-Vize Weber beklagte sich gestern öffentlich über die fortgesetzten Berichte aus dem Geheimtreffen der Söder-Skeptiker in der Staatskanzlei. Entgegen aller Bemühungen um Vertraulichkeit war aus der Runde um Seehofer durchgesickert, dass Herrmann als Spitzenkandidat antreten solle und dass Weber Interesse am Parteivorsitz bekundet hatte.
Das Vertrauen in der fünfköpfigen Runde scheint schwer belastet zu sein. Weber klagt, „der gezielte Versuch der letzten Tage, durch anonyme Indiskretionen weitere Gräben in der CSU aufzumachen, ist ziemlich durchschaubar“. Er glaubt einen „offensichtlichen Plan“ zu erkennen, Seehofer und ihn auseinanderzudividieren. Spätestens nach dem Parteitag Mitte Dezember müsse die CSU endlich wieder zusammenstehen.
cd/mik/geo