Auf AfD-Parteitag: Bayerische Delegation wird demontiert

In einem Wahlmarathon legt die AfD ihren neuen Bundesvorstand fest. Die Vertreter des gemäßigten Lagers rutschen in die zweite Reihe. Die bayerische Delegation streitet in der Öffentlichkeit und geht beinahe leer aus.
München/Hannover - Mit Alexander Gauland kehrt Ruhe ein nach einem turbulenten Hin und Her beim AfD-Parteitag. Gauland, wie immer mit Tweedsakko und Dackelkrawatte, steht im Konferenzsaal in Hannover am Mikrofon und blickt über seine Brille in den Saal. Er habe sich diese Bewerbung „anders vorgestellt“, sagt er. „Ja, ich bin 76. Aber ich habe meine ganze Zeit in der AfD damit verbracht, dafür einzutreten, dass die Partei zusammenbleibt.“ Da die Gefahr der Spaltung drohe, kandidiere er als Bundesvorsitzender. Gegner gibt es keine, er erhält 67,8 Prozent der Stimmen. Es ist das Ende eines stundenlangen Krimis.
Die Botschaft des Wochenendes ist klar, sagt ein Delegierter: Die AfD öffne sich damit weiter nach rechtsaußen. Sowohl Gauland als auch der wiedergewählte Co-Vorsitzende Jörg Meuthen hätten sich in ihren Reden „vor den Nationalkonservativen um Björn Höcke verbeugt“. Wie schon der Parteitag der bayerischen AfD in Greding vorige Woche macht die AfD ihrem Ruf als Überraschungspartei alle Ehre, nachdem das Delegiertentreffen in Hannover lange emotionslos vor sich hingeplätschert war. Es gibt zahlreiche Kampfkandidaturen und Stichwahlen bis zu den Beisitzerposten.
72 Prozent: Jörg Meuthen als AfD-Vorsitzender wiedergewählt
Aufregung wegen Pazderski
Die Aufregung beginnt schon weit vor Gaulands Kandidatur. Eigentlich hat der Berliner Landeschef Georg Pazderski den Posten des Co-Sprechers im Visier, aber plötzlich kandidiert auch die schleswig-holsteinische Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein - und erhält trotz ihrer fehlenden Bekanntheit überraschend viele Stimmen. Es kommt gut an, dass sie die neue „patriotische Richtung“ der AfD lobt. Sayn-Wittgenstein erzwingt in zwei Abstimmungsrunden ein Patt gegen Pazderski, in Runde drei ziehen dann beide zugunsten Gaulands zurück. „Eine andere Lösung gab es nicht“, sagt Bayerns AfD-Vize Gerold Otten. „Das hat viel Schärfe aus dem Konflikt genommen.“
Das bürgerlich-gemäßigtere Lager wertet die Personalentscheidung gegen Pazderski aber als Niederlage, da die liberaleren Vertreter damit nur Ämter in der zweiten Reihe bekommen. Gauland wirbt um Einheit, es habe keinen Zweck, „irgendeine Wurzel abzuschneiden“. Er toleriere damit aber den Ruck nach rechts, was dem Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke nützt, kommentiert Ex-Chefin Frauke Petry aus der Ferne. „Jetzt vollzieht sich, was er schon immer angestrebt hat - mit Gauland eine zweite Marionette als Vorsitzenden zu haben“, sagt sie der Bild. „Die AfD ist seit diesem Parteitag für alle sichtbar vom ,Flügel‘ geführt. Denn Meuthen und Gauland sind beide Höckes Leute.“
Sitzungsleiter lässt Fotografen „wegschaffen“
Zweites großes Thema des Wochenendes ist das Verhältnis zwischen AfD und Medienvertretern. Schon im Vorfeld hatte es Kritik gegeben, weil einige Journalisten keine Akkreditierung erhalten hatten. Im Saal rumpelt es dann, wie im Internet-Livestream der AfD zu sehen ist. Als Gauland seine Kandidatur ankündigt, wird er von Fotografen umringt. „Ich darf die Sicherheit darum bitten, diese Presseleute wegzuschaffen“, ruft Sitzungsleiter Krzysztof Walczak. Man brauche sich nicht wundern, „warum hin und wieder die Öffentlichkeit und die Presse ausgeschlossen werden“.
Der bayerische Landesverband demonstriert derweil seine Zerstrittenheit. Aus dem Plan, mit Peter Boehringer aus Schwäbisch Gmünd und Petr Bystron aus München zwei Beisitzer in den Bundesvorstand zu bringen, wird nichts. Bystron kandidiert entgegen aller Erwartungen schon früher: als Vize-Bundeschef. Prompt bekommt er Konkurrenz aus dem eigenen Lager. Corinna Miazga aus Straubing, wie Bystron im Bundestag, attackiert ihren Kollegen mit Sexismus-Vorwürfen. Bystron habe sie im Wahlkampf darauf aufmerksam gemacht, „dass Frauen wie ich eigentlich besser an einer Stange tanzen sollten“, sagt Miazga. Sie habe sich darüber erst geärgert und dann entschieden, sich auf offener Bühne mit ihm zu messen - allerdings ohne zu tanzen. Beide unterliegen gegen den Hamburger Kay Gottschalk.
Am Ende kann die AfD Bayern, mit rund 4000 Mitgliedern größter Landesverband im Westen Deutschlands, ihren bundespolitischen Einfluss gerade so halten. Stephan Protschka aus Niederbayern schafft es als einziger, einen Beisitzer-Posten zu ergattern. „Das Ergebnis ist bitter“, sagt Vize-Landeschef Otten. „Wir bekriegen uns auf offener Bühne. In anderen Landesverbänden schütteln sie nur mit dem Kopf.“

Sebastian Dorn