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Weltspartag 2019: Bringt das Sparen im Zinstief noch was?

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Geld landet in Deutschland unter Kopfkissen, auf Girokonten oder auf dem klassischen Sparbuch.
Geld landet in Deutschland unter Kopfkissen, auf Girokonten oder auf dem klassischen Sparbuch. © Swen Pförtner / dpa

Steigende Gebühren, Negativzinsen, gekündigte Prämienverträge - Banken und Sparkassen locken ihre Kunden derzeit nicht. Fürs Sparen wird aber tapfer geworben.

Frankfurt/Main - Sparen? Wozu noch? Die Zinsen auf Sparbuch und Tagesgeldkonten sind quasi abgeschafft, wer viel Geld bei der Bank bunkert, dem drohen sogar Negativzinsen. Dennoch werben Sparkassen und Volksbanken unverdrossen für eine Institution: den Weltspartag.

Deutsche halten dem Sparbuch die Treue – und zahlen dabei drauf

Rund 2,5 Billionen Euro schlummern laut Bundesbank in Deutschland unter Kopfkissen, auf Girokonten oder auf dem klassischen Sparbuch. Eine beachtliche Summe, die viel Rendite abwerfen könnte – könnte. In Sachen Geldanlage bevorzugen die Deutschen stattdessen risikoarme Strategien, die leider oft am wenigsten Zinsen abwerfen. Unter Berücksichtigung der Inflation und der Tatsache, dass manche Banken inzwischen sogar Minuszinsen auf Guthaben von Privatkunden erheben, wird sogar Geld vernichtet.

Es gibt also eigentlich keine guten Argumente für die "Kopfkissen" - oder Sparbuch-Anlage. Dabei machen spätestens Vorsorgelücke und drohende Altersarmut deutlich, wie wichtig die ernsthafte Auseinandersetzung mit den eigenen Finanzen ist, wenn im Alter der Lebensstandard erhalten werden soll. Was hindert die Deutschen also daran, sich endlich um ihr Geld zu kümmern? Das Zinsportal WeltSparen hat anlässlich des Weltspartags in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov über 2.000 Deutsche befragt, was sie bei Finanzprodukten abschreckt und was ihnen wichtig ist.

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Unsicherheit bei Finanzprodukten: hohe Kosten und ungewisse Rendite

Auf die Frage danach, woran sie sich bei Finanzprodukten schon einmal gestört haben, gaben fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) an, sich bereits über hohe Gebühren geärgert zu haben. Dicht gefolgt von niedrigen Zinsen und schlechter Rendite (36 Prozent). Weitere Kritikpunkte sind mangelnde Transparenz, hohes Risiko, Unübersichtlichkeit und mangelndes Vertrauen in Banken bzw. Anbieter.

Das konservative Vorgehen bei der Geldanlage ist vor diesem Hintergrund nicht weiter überraschend. Wer sich mühsam mit Finanzprodukten auseinandersetzt und sich am Ende dennoch über hohe Kosten und schlechte Rendite ärgert, der wird zur lange gelernten "sicheren Geldanlage" zurückkehren. Sogar dann, wenn diese nur wenig Zuwachs, dafür aber auch kein Risiko und keinen Aufwand bedeuten. Doch in zinslosen Zeiten wie diesen und angesichts der zu erwartenden Rentenlücke ist das nicht ausreichend und es braucht bessere Strategien für die Altersvorsorge.

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Geldanlage: Intransparenz schreckt ab

Einem Drittel der Deutschen fehlt es an Transparenz beim Abschluss von Geldanlage- und Vorsorge-Produkten. Mindestlaufzeiten, Kündigungsfristen, Depotführungsgebühren und Abschlusskosten sind für die potentiellen Geldanleger besonders wichtig und sollen möglichst klar kommuniziert werden. 85 Prozent der Deutschen wollen ein Finanzprodukt vor dem Vertragsabschluss genau verstehen. Entsprechend gründlich informieren sie sich über Abschluss- und Folgekosten (79 Prozent) sowie Laufzeiten, Kündigungsfristen (74 Prozent) und selbstredend über das Risiko der Geldanlage (60 Prozent).

Ihre Informationen zu Finanzprodukten suchen die Deutschen mehrheitlich im Internet. 41 Prozent geben es als Hauptinformationsquelle an. Nur jeder Zehnte sucht Hilfe bei einem Vermögensberater. Was im Internet schnell wie ein Wust an undurchschaubaren Optionen und versteckten Gebühren wirkt, lässt sich im direkten Kontakt mit einem kompetenten Berater womöglich leichter durchdringen. Es tut sich jedoch etwas im Markt. Viele junge Finanzunternehmen, sogenannten Fintechs, haben es sich auf die Fahne geschrieben, den Markt der Finanzprodukte übersichtlicher zu gestalten und für alle zugänglich zu machen – selbst wenn das Budget überschaubar ist.

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Weltspartag: frisches Geld zum Nulltarif

Die Zeiten lukrativer Guthabenzinsen sind lange vorbei. Banken bekommen frisches Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Nulltarif und sind nicht mehr darauf angewiesen, Spargelder von Kunden einzuwerben. Dazu kommt: Institute mit einem Einlagenüberhang müssen selbst Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken.

«Jahrzehntelang haben wir Deutschlands Kindern beigebracht, dass Sparen sinnvoll ist, weil man für schlechte Zeiten in Krisen vorsorgen muss. Sie schleifen diese Kultur», kritisierte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis im Sommer 2019 in einem offenen Brief an den scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi.

Für die Sparkassen selbst wird mancher Altvertrag zur Last: Immer mehr Institute kündigen sogenannte Prämiensparverträge, bei denen Sparer je nach Laufzeit jährliche Prämien erhalten. Jüngst sorgte die Sparkasse München für Aufsehen, weil sie auf einen Schlag 28.000 solcher Verträge kündigte. Die nach Bilanzsumme fünfgrößte deutsche Sparkasse reihte sich damit ein in eine immer länger werdende Liste von Instituten, die mit drastischen Maßnahmen versuchen, die Auswirkungen der Nullzinspolitik abzumildern.

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Streit um Prämiensparverträge - nicht nur am Weltspartag

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Praxis im Mai grundsätzlich gebilligt. Nach dem Urteil der obersten Zivilrichter müssen langjährige Prämiensparer die Kündigung attraktiver Altverträge hinnehmen, wenn sie die einmal vereinbarte Bonusstaffel ausgeschöpft haben. Danach sei das Vorgehen der Geldhäuser in der anhaltenden Niedrigzinsphase gerechtfertigt, urteilte der BGH (Az. XI ZR 345/18).

Verbraucherschützer Frank Christian Pauli kritisiert: «Die Institute müssen sich fragen lassen, wie sie geschäftspolitisch dastehen, wenn sie Verträge kündigen, die Verbraucher im Vertrauen auf langfristiges Sparen abgeschlossen haben.» Zudem prüfen Verbraucherzentralen, ob alle vertraglich zugesicherten Zinsen korrekt bezahlt wurden. «Es gibt hier teilweise Probleme», sagt Pauli.

Die Deutschen, die als Sparweltmeister gelten, mühen sich tapfer weiter, ihre Scherflein zu mehren. Weil viele Anleger aus Angst vor Verlusten um Aktien einen weiten Bogen machen, kompensieren sie das Renditetief dadurch, dass sie immer mehr Geld zur Seite legen. Seit 2014 ist die Sparquote in Deutschland stetig gestiegen, 2018 lag sie nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei 11 Prozent. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen werden 11 Euro auf die hohe Kante gelegt.

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Umfrage zum Anlageverhalten

«Der Wunsch, jederzeit auf das Ersparte zugreifen zu können, ist auch in diesem Jahr offenbar höher als der Wunsch nach Rendite», berichtet der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis. Der Verband hatte etwa 8500 Menschen unter anderem nach ihrem Anlageverhalten befragt.

Nahezu die Hälfte gab demnach an, aufgrund der niedrigen Zinsen in andere Anlageprodukte investieren zu wollen, oder dies bereits getan zu haben. Doch die Spareinlagen bei den Sparkassen in Deutschland seien in den ersten acht Monaten dieses Jahres lediglich um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen, sagte Schleweis. Die Summe der sogenannten täglich fälligen Gelder, also das Geld, das auf privaten Girokonten zur täglichen Verfügung steht, sei im selben Zeitraum sogar um 6,1 Prozent gestiegen. 480 Milliarden Euro würden bei den Sparkassen auf diese Weise verwaltet.

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Weltspartag: Entscheidend ist, wie man spart

«Sparen und Zinsen haben entgegen der landläufigen Meinung relativ wenig miteinander zu tun. Fragen Sie sich selbst, ob Sie Ihr Sparen wegen niedriger Zinsen eingeschränkt haben: sehr wahrscheinlich nicht», stellte der Chemnitzer Hochschullehrer Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, in einem Interview im Juni 2018 fest. «Nützlich kann es jedoch sein, bei niedrigen Zinsen besser darüber nachzudenken, wie man spart.»

Gespart wird in Deutschland trotz mickriger Zinsen vor allem klassisch. Auch jüngere Menschen bevorzugen Spar- und Festgeldkonten (43 Prozent), wie eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Commerzbank-Tochter Comdirect unter 16- bis 25-Jährigen ergab. Gerade einmal 9 Prozent der Befragten haben demnach ein Wertpapierdepot.

Gleichwohl erwarten viele Sparer einer aktuellen Postbank-Umfrage zufolge üppige Renditen von durchschnittlich 4,6 Prozent - und überschätzen damit die Ertragskraft ihrer konservativen Anlage maßlos. Dazu kommt: Für Einlagen von 100.000 Euro an verlangen immer mehr Banken und Sparkassen Negativzinsen. Wer viel spart, wird also bestraft: Das Guthaben bei der Bank wird weniger.

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dpa/sca

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