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Nach einem eindrucksvollen Aufenthalt im Sommer 2021 im Ahrtal machte sich unser Mitarbeiter Simon Schmalzgruber Anfang des neuen Jahres erneut ins Flutgebiet auf, um zu sehen, wie sich die Situation vor Ort verändert hat. Tag fünf der bewegenden Reise...
Ahrtal - Ich fahre gerade durch Ahrweiler, als der Busfahrer hinter mir wild die Lichthupe betätigt. Er weist mich darauf hin, dass an meiner Hinterachse eine Stange gebrochen ist. „Das musst du nur in der nächsten Werkstatt schweißen lassen, dann geht es schon wieder!”, meint der hilfsbereite Mann mit osteuropäischem Akzent. „Toll”, denke ich mir, „erst die Mittelwelle, die kurz vorm Abgang ist, jetzt die Stange. Irgendwas passiert mir immer, wenn ich hier oben bin!” Diesem Umstand geschuldet beschließe ich, dass ich meinen Aufenthalt verkürze. Aber ein Rundgang durch Ahrweiler ist noch drin.
Ich wandle ahrab- und ahraufwärts, in die Schützenstraße, zu Karl-Heinz‘ Haus und zurück. Zerstörte Häuser, Häuser im Renovierungsprozess, Rattenfallen, eine Ahr, die mal wieder Hochwasser hat. Es ist merklich abgekühlt, von zehn bis zwölf Grad in den Tagen davor auf Temperaturen knapp über Null. Dazu ein frischer Wind.
Ich komme wieder mit jemanden Gespräch. Schwierig sei es am Anfang gewesen, schwierig sei es auch jetzt noch. Einige haben mittlerweile psychologische Hilfe in Anspruch genommen, um das Erlebte zu verarbeiten, wird mir erzählt. Dazu komme die stete Angst, dass es wieder einmal so schlimm wird. Aus der Luft gegriffen ist der Gedanke nicht: Folge des Klimawandels sei, dass es in der Eifel und seinen Nachbarregionen tendenziell mehr und größere Niederschläge gibt – dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen höher. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen mit Weitblick beim Wiederaufbau handeln, das heißt, Ausgleichsflächen zu schaffen, nicht zu viel Boden zu versiegeln und besser mit Katastrophenschutzbehörden aus anderen Regionen zusammenzuarbeiten.
Ein letztes Mal ahraufwärts
Ein letztes Mal geht es für mich ahraufwärts, erst zum Baustoffzelt Kaiser, dem wohl wichtigsten Stützpunkt in Sachen Baumaterial im Ahrtal, dann zum Tante-Emma-Laden im ehemaligen Bahnhofsgebäude von Dernau. Doch bis auf einen Toaster kann ich nichts mehr loswerden. Ich fahre weiter, dorthin, wo alles begann: In den Innovationspark Rheinland in der Gemeinde Grafschaft. Das große Zelt, in dem wir zu Hunderten nach der Arbeit zusammensaßen, steht bald nicht mehr. Anstatt dessen wurden zwei große Zelte, eines für die Baustoffe, eines für die Verpflegung, dazu etliche Container auf der anderen Seite der großen Fläche aufgestellt.
Im Baustoffzelt frage ich, ob ich Panzertape haben könne, damit ich die Stange an der Heckachse festmachen kann. Gesagt, getan. Weiter geht es ins Verpflegungszelt.Auch heute ist ein gutes Dutzend freiwilliger Helfer da, die zum Helfen unten im Ahrtal waren. Und das, obwohl der Schuttlebetrieb momentan eingestellt ist. Dazu kommt nochmal ein gutes Dutzend von der Organisation. Bei einer Organisation kann ich meine zweite Geldspende abgeben, nochmal 700 Euro.
Eigentlich wollte ich nur kurz die Spende abgeben, doch dann ereignet sich etwas, was ich nicht mehr für möglich gehalten hätte: Nach all den Gesprächen komme ich doch noch zu körperlicher Arbeit! Ich helfe zuerst, eine Kühltruhe auszuräumen und sie woanders hinzuverbringen. Dann melde ich mich freiwillig, teils abgelaufene und teils noch „gute“ Getränke zu entsorgen. Innerlich blutet mir das Herz, schubkarrenweise Getränke in den Ausguss zu kippen, doch „heute kommt noch ein Sattelzug voller Getränke an, da muss das Lager freiwerden”, erklärt mir eine Verantwortliche. An der Ahr hinterfragt man nicht groß, sondern macht das, was einem aufgetragen wird. Es ist egal, welche religiöse Ansichten oder welche politische Einstellung man hat, ob man geimpft ist, oder nicht. Es gibt ein Ziel, das über allem steht: Dass es wieder aufwärts geht. Mit den Bewohnern, mit der Region. Jede Hand, die dort hilft, hilft.
Im Frühling soll es weitergehen, mit Aufbau- und Begrünungsarbeiten. „Ob dann noch ein Shuttlebetrieb eingerichtet wird, entscheiden wir je nach Situation und Bedarf.” Es tut sich also weiterhin was. Meine Ängste, dass die Leute vergessen wurden und frieren müssen, sind weitgehend verflogen. Anstatt dessen werden sie durch die Gefühle ersetzt, die durch die unglaubliche Herzlichkeit und Solidarität der Leute hier entstanden sind. Erinnerungen an viele Gespräche und Eindrücke, positiv wie negativ. Erinnerungen, die mich sagen lassen: „Ich komme wieder!”
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