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Gemeinsam für Wald und Wild unterwegs

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Staatsministerin Michaela Kaniber, Hans Berger, Werner Schmölzl
(v.l.n.r) Werner Schmölzl (stellvertretender Vorsitzender), Staatsministerin Michaela Kaniber, Hans Berger (1. Vorsitzender des Kreisverbandes BGL) nach der Festrede © Monika Konnert

Nach zwei Jahren Unterbrechung konnte in diesem Jahr die Hegeschau der Kreisgruppe Berchtesgadener Land des Landesjagdverbandes Bayern (BJV) wieder stattfinden.

Saaldorf-Surheim – Über 2.000 Trophäen des erlegten Wildes, darunter einige Einser-Hirsche, hatten die Jägerinnen und Jäger der vier Hegegemeinschaften mit 51 Jagdrevieren aus dem Berchtesgadener Land, der Staatsjagdreviere und des Nationalparks Berchtesgaden in die Mehrzweckhalle nach Saaldorf gebracht. Dort konnte sie die Öffentlichkeit am Vormittag bei einem Frühschoppen bewundern und sich so einen Überblick über die Jagdtätigkeiten im Landkreis verschaffen.

Wie Hans Berger, 1. Vorstand der Kreisgruppe Berchtesgadener Land des BJV betonte, sind Hegeschauen nicht nur zur Tradition gewordene Treffen der Jägerschaft, sondern gesetzlich vorgeschriebene Veranstaltungen, die Einblicke in die Situation der Waldentwicklung sowie die körperliche Verfassung und die Entwicklung der Wildbestände in einer Region bieten. Hans Berger konnte viele Ehrengäste bei der Hegeschau begrüßen, darunter Staatsministerin Michaela Kaniber, die die Festrede hielt, den Präsidenten des Bayerischen Jagdverbandes Ernst Weidenbusch, Landrat Bernhard Kern, den 1. Bürgermeister von Saaldorf-Surheim, Andreas Buchwinkler, sowie zahlreiche Behördenvertreter und Vertreter der Jägerschaft aus ganz Bayern. Die Jägerschaft im Landkreis hat im abgelaufenen Jagdjahr die Abschusspläne weitestgehend erfüllt, so zu 93 Prozent beim Rotwild, zu 91 Prozent beim Gamswild und zu knapp 98 Prozent beim Rehwild. 

Bürgermeister Buchwinkler, selbst Jäger, begrüßte als Hausherr die zahlreichen Gäste und betonte die wichtige Rolle der Jagd für das ökologische Gleichgewicht im Wald. „Die Ausgewogenheit von Wald und Wild ist wichtig, miteinander reden der richtige Weg“, so Buchwinkler. Dem schloss sich Landrat Bernhard Kern in seinem Grußwort an. „Gestern wie heute ist es die unverzichtbare Aufgabe der Jägerschaft, den Wildbestand so zu regulieren, dass ein naturnaher und klimastabiler Mischwald entstehen kann“, so Kern. Dies gehe nur in enger Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern, Waldbesitzern und Forstleuten.

Dabei sei entscheidend, dass alle Akteure offen und auf Augenhöhe aufeinander zugehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Dass dies im Landkreis Berchtesgadener Land überwiegend der Fall ist, hat Hans Berger in seinen kurzen Ausführungen bekräftigt „Lösungen werden in der Arbeitsgemeinschaft ‚Mensch-Wild-Natur‘ gemeinsam erarbeitet, auf destruktive Ratschläge von außen verzichten wir“, stellte Berger klar. 

Hans Berger ausgezeichnet

Angesichts seiner großen Verdienste um die Jagd im Berchtesgadener Land und in Bayern hat der Bayerische Jagdverband beschlossen, Hans Berger, 1. Vorstand der Kreisgruppe Berchtesgadener Land des BJV mit dem Eichenkranz in Silber auszuzeichnen. Die Ehrung mit Auszeichnung wurde von Ernst Weidenbusch, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, im Rahmen der Hegeschau vorgenommen. Für die tatkräftige Unterstützung bei der Arbeit für den Jagdverband dankte Weidenbusch auch Bergers Ehefrau mit einem Blumenstrauß.  

Gerade diese Art der Zusammenarbeit nannte Staatsministerin Michaela Kaniber ein „echtes Musterbeispiel für eine offene Gesprächskultur“ und bedankte sich bei allen Akteuren dafür. Sie plädierte für eine zukunftsfähige Gestaltung der Jagd in Bayern, als Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise und zur Erhaltung der Akzeptanz für die Jagd in der Gesellschaft. Der Klimawandel stelle Waldbesitzer und Jäger gleichermaßen vor enorme Herausforderungen, so Kaniber. Der Umbau zu stabilen Mischwäldern mit klimafesten Baumarten werde nur eine Chance haben, wenn die Jagd stimme. Es freue sie, dass die Jägerschaft im Berchtesgadener Land ihr Verantwortung für Wald und Wild ernst nehme. In 68 Prozent der Reviere zeige das aktuelle Forstliche Gutachten eine tragbare oder sogar günstige Verbisssituation. Sorgen bereite ihr, dass gerade in den südlichen Gebirgsrevieren, wo der Schutzwald von fundamentaler Bedeutung ist, der Verbiss zu hoch sei. „Deshalb bitte ich Euch, bleibt’s dran“, so die Ministerin. 

Der Wolf, ein emotionales Thema

In der Jagd gebe es aber auch emotionale Themen wie die Gams, hohe Rotwildbestände oder auch den Wolf, auch wenn er nicht jagdbar ist. Auf alle drei Themen ging Kaniber detailliert ein, und betonte die Notwendigkeit fundierter wildbiologischer Forschung und des Monitorings, eine sachliche Diskussionskultur und die Berücksichtigung der Interessen aller betroffenen Gruppen. Sie sei Landwirtschafts-, Forst- und Jagdministerin gleichermaßen und müsse die Interessen aller zusammenbringen. „Lasst uns gemeinsam über die Probleme reden. Brandbriefe zum Rotwild an das Ministerium sind dabei wenig hilfreich“, so Kaniber.

Der Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht erteilte sie eine Absage, „weil dies nichts am hohen Schutzstatus des Wolfes ändern würde.“ Bayern werde sich aber mit Nachdruck bei Bund und EU dafür einsetzen, dass der Schutzstatus des Wolfs abgesenkt wird. Aufgrund der hohen Populationsdichte in der EU gehöre er nicht mehr auf die „Rote Liste“. Mit einem klaren Bekenntnis der Bayerischen Staatsregierung zur Jagd und zur Jägerschaft in Bayern schloss die Staatsministerin ihre Ausführungen.  

Kompromissbereitschaft und lösungsorientierte Kommunikation

Auch Ernst Weidenbusch, Präsident des Landesjagdverbandes, sowie Dr. Daniel Müller, Leiter des Forstbetriebs Berchtesgaden, betonten in ihren Grußworten die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit aller Akteure um Wald und Wild, einschließlich der Behörden und politischen Entscheidungsträger. „Dem BJV ist bewusst, dass das System nur geht, wenn alle miteinander reden. Auch wenn’s emotional wird, am Schluss muss es passen“, so Weidenbusch. „Wir suchen immer nach Lösungen und Kompromissen, weil es dem Wald und Wild hilft“, war auch Müller überzeugt. 

Nach 56 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit trug Hans Niederberger zum letzten Mal seinen Bericht als Leiter der Hochwildhegegemeinschaft vor. Er berichtete über einen erfreulichen Gamsbestand, kritisierte aber, dass in vielen Privatrevieren zu wenig Gams sei.  Für viele Reviere sah er die Notwendigkeit der Schonzeitaufhebung. Als erfreuliches Ereignis berichtete Niederberger über eine erfolgreiche Gamskitz-Rettung durch den jungen Jäger Max Neudecker. Niederberger will sein Amt jetzt in jüngere Hände legen. Hochwildjagdberater Andreas Soyter zeigte sich besorgt über die Verbisssituation im südlichen Landkreis und forderte eine starke Rehwildbejagung im Bergwald. Eine Rehwildfütterung im Winter sei nicht notwendig, beim Rotwild müsse die Fütterung aber vernünftig sein, sodass die Tiere dort stehen bis die Buche ausgetrieben ist. Soyter befürchtet einen unkontrollierten Anstieg der Rotwildbestände im Reichenhaller und Berchtesgadener Talkessel.

Den Gamsbestand bezeichnete er als stabil. Die Jagd stehe angesichts des Klimawandels vor großen Herausforderungen, so sein Fazit. Der Jagdberater für Niederwild Mirko Lietz berichtete von steigenden Jagdstrecken bei Niederwild wie Feldhasen, Füchse, Stein- und Baummarder, Iltisse oder Dachse. Bei steigenden Abschusszahlen sei es wichtig auch gut ausgebildete Hunde zu haben. Deshalb müsse man auf die Ausbildung der Hunde vermehrten Stellenwert legen. Musikalisch umrahmt wurde die Versammlung in bewährter Weise von den Rupertiwinkler Jagdhornbläsern. 

Fachvorträge zu Tanne und Gams

Ein Anliegen der Hegeschau ist auch die Vermittlung neuester Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu Wald und Wild. Deshalb standen auf dem umfangreichen Programm auch zwei Fachvorträge: Tassilo Heller, Abteilungsleiter im Bereich Forsten des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein, referierte zum Thema „Der Förster und die Tanne“, Dr. Rudolf Reiner, Wildbiologe am Nationalpark Berchtesgaden, stellt neueste Ergebnisse aus der Gamswildforschung vor.  Heller, der auch das Vegetationsgutachten im Bereich des AELF Traunstein betreut, wies nochmal auf die Zweiteilung Nord-Süd bei der Vebissituation im Landkreis hin.

Vor allem die Tanne sei im Gebirgswald stark verbissen. Dies sei deshalb besonders schlimm, weil die Tanne eine stabile, schattentolerante, klimaresiliente und ökologisch wertvolle Baumart sei, die entgegen manch gegensätzlicher Meinung auch wertvolles Holz liefere. Für den Mischwald im Klimawandel, vor allem auch für den Schutzwald im Gebirge, sei sie ein unverzichtbarer Bestandteil. Verbiss führe bei der Tanne zu reduziertem und schlechtem Wuchs oder Totalausfall und in der Folge zur Entmischung der Bestände bis hin zu Reinbeständen. Dem gelte es entgegenzuwirken, denn „die Tanne bietet gewichtige Antworten für drängende waldbauliche (und gesellschaftliche) Fragen“, so Heller als Fazit. 

In seinen Forschungen hat Dr. Rudolf Reiner festgestellt, dass der Lebensraum einen starken Einfluss auf die Vermehrung des Gamswildes hat. Die Reproduktion ist in den tiefer gelegenen Waldgebieten höher als im alpinen Bereich. Der Klimawandel verschärft diese Unterschiede noch, denn die zunehmende Erwärmung wirkt sich in den hochalpinen und alpinen Lagen stärker auf den Vegetationszyklus und die Qualität des Nahrungsangebotes aus, als im Wald. Während das Körpergewicht der Tiere im Lebensraum Wald die letzten Jahre stabil blieb, wurde im alpinen Bereich eine Abnahme festgestellt. Diese Feststellungen, die bei Erhebungen in Österreich, der Schweiz und Italien gemacht wurden, konnten jetzt auch im Bereich des Nationalparks Berchtesgaden bestätigt werden. 

kon

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