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Von Bayern nach Spanien: 12 Störche beim Zwischenstopp in Sillersdorf

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Von: Christina Eisenberger

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Toni Wegscheider Biologe landesverband für Vogelschutz Berchtesgadener Land LVB Weißstorch Störche
Ein seltener Anblick: Gleich zwölf Störche tummelten sich in Saaldorf-Surheim auf einem Feld. Biologe Toni Wegscheider spricht über die Reise, die den Vögeln noch bevorsteht - und warum sie von der Klimaerwärmung profitieren. © bit/ce (Collage)

Ein Dutzend Störche auf einem Fleck in Saaldorf-Surheim: Sind die Zugvögel denn schon auf dem Weg nach Afrika? Nicht nur, erklärt Toni Wegscheider vom Landesbund für Vogelschutz im Interview mit BGLand24. Die einst in Bayern fast ausgerotteten Tiere profitieren nämlich von einem Phänomen: der Klimaerwärmung.

Sillersdorf/Saaldorf-Surheim - Am Montagnachmittag (8. August) staunten die Autofahrer auf der St2104 bei Neusillersdorf nicht schlecht. Zwölf Störche staksten mit einer Seelenruhe direkt neben der Staatsstraße herum und suchten sich in der gemähten Wiese ihre Mäuse. Mit der Zeit zog die Truppe entspannt etwas weiter Richtung Sillersdorf und Waldrand. Einer der majestätischen Vögel schwang sich auch gleich noch in die Lüfte.

12 Störche bei Sillersdorf: „Unser Storchenbestand ist im massiven Aufwind“

Die zwölf Vögel sind die Vorboten der großen Storchenschwärme, die sich ab Ende August auf den weiten Weg nach Süden begeben. Der Trupp ist nicht unbedingt aus der Region, erklärt Biologe Toni Wegscheider, 1. Vorsitzender vom Landesbund für Vogelschutz Berchtesgadener Land (LBV), im Interview mit BGLand24.de. „Das sind Familienverbände, Eltern mit Jungvögeln von diesem Jahr und auch benachbarte Paare, die sich lose kennen. Die bilden jetzt schon erste Gemeinschaften, um in ein paar Wochen Richtung Südwesten zu ziehen.“

2022 war ein sehr gutes Storchenjahr, erklärt der Biologe. „Insgesamt ist unser Storchenbestand im massiven Aufwind. In den 80er Jahren hatten wir ein Tief von gerade einmal 58 Storchenpaaren in ganz Bayern. Momentan sind wir bei über 1000. Auch im Berchtesgadener Land haben wir Brutpaare.“

Klimaerwärmung hilft der Storchenpopulation

Neben den Schutzmaßnahmen, die in den letzten Jahrzehnten für die Vögel umgesetzt wurden, ist auch die Klimaerwärmung ein Vorteil für die Störche. „Das sorgt für mildere Winter. Immer mehr Störche überwintern auch schon in Europa. Früher war der Storch ja ein kompletter Zugvogel, der weit nach Afrika geflogen ist. Auf so einem weiten Weg über Gibraltar und die Sahara gibt es dann natürlich massive Verluste“, so Wegscheider.

„Das spart sich ein Großteil der deutschen Storchenpopulation mittlerweile. Die fliegen nur noch nach Spanien und überwintern dort auf offenen Müllkippen. Hier fressen sie primär Nahrungsreste von uns. Müllkippen ziehen auch Ratten und Mäuse an, die sie auch fressen können. Die Störche profitieren von der ergiebigen Nahrungsquelle und können in Spanien bleiben. Da ist der Rückflug nach Deutschland einfacher und der Hinflug nicht so gefährlich wie wenn sie weit übers Meer müssen.“

Thermikflieger Störche „suchen gezielt nach warmen Luftsäulen“

Der Trupp bei Sillersdorf hat wohl das schlechte Wetter abgewartet und einen Stopp zum Reserven anfressen eingelegt. „Und wenn es passt, dann fliegen sie die nächsten paar hundert Kilometer. Vielleicht irgendwo Richtung Baden-Württemberg. Dann fressen sie da noch einmal ein paar Tage und fliegen nach Frankreich“, so Wegscheider. Stress haben die Vögel noch keinen. „Die haben noch Monate, bis sie wirklich in Spanien sein müssen.“ Doch bereits im September kann es auch bei uns in den Bergen schneien. „Dann wird es schwierig mit dem drüber Fliegen.“

Denn Störche sind Thermikflieger. „Sie suchen gezielt nach Thermikschläuchen, so richtig schöne warme Luftsäulen, wo auch die Paragleiter drin kreisen. Sie haben nicht die Kraft, dass sie im Ruderflug diese riesige Strecke nach Spanien oder Afrika bewältigen, sondern brauchen wirklich gute Flugbedingungen“, erklärt Wegscheider.

Bei schlechtem Wetter gibt es dann einen sogenannten Zugstau. „Dann hocken die alle umeinander und sind startklar und würden gern, aber wenn es regnet, können sie nicht starten. Wenn eine Schönwetterfront kommt mit guten Aufwinden, fliegen dann alle geballt los in riesigen Zügen, diese v-förmigen Formationen, die man auch von den Gänsen kennt.“

Über den Winter in Bayern bleiben? „Eine riskante Strategie“

Rund zwei Prozent der Störche sparen sich den weiten Flug und probieren, dass sie auch über den Winter in Bayern bleiben. „In milden Wintern kann das durchaus klappen“, so Wegscheider. Kritisch wird es bei viel Schnee, denn bei einer geschlossenen Schneedecke wird die Futtersuche schwierig. Die Vögel verhungern. Schneit es wenig und bleibt der Winter mild, haben die Störche jedoch einen großen Vorteil. Sie können sich ihr Brutgebiet aussuchen. „Es ist eine riskante Strategie, aber kann durchaus viel Erfolg bringen.“ Wenn es gut läuft, hat das Storchenpärchen im darauffolgenden Jahr einen guten Bruterfolg. „So wie sich unsere Winter entwickeln, ist das für den Storch durchaus eine gute Aussicht.“

Lebenslange Partner: „Bruterfolg bei eingespielten Paaren ist deutlich höher“

Hat ein Storch einmal einen Partner gefunden, bleibt es normalerweise auch bei dem. Die Vögel leben in der Regel monogam. „Wenn der Bruterfolg gestimmt hat, dann probiert man es sehr gern mit demselben Partner wieder. Dabei geht es um Anerkennung. Wie gut ist das Männchen bei der Nahrungssuche? Wie verlässlich sitzt das Weibchen auf den Eiern? Wenn man sich gegenseitig gut einschätzen kann, ist der Bruterfolg deutlich höher bei eingespielten Paaren, als bei jungen unerfahrenen Paaren“, so Wegscheider.

Störche können mehrere Jahrzehnte alt werden. Grundsätzlich versuchen die Eltern, ihren ehemaligen Neststandort auch im nächsten Jahr wieder zu besetzen. Verliert sich ein Pärchen im Winter aus den Augen, etwa durch einen Sturm beim Flug nach Afrika, treffen sie sich im nächsten Jahr wieder am alten Brutplatz.

ce

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