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„Patentanwalt“ vor Gericht - Richter: „Sie haben keine Ahnung, aber davon reichlich“

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Von: Hannes Höfer

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Amtsgericht Laufen (Symbolbild)
Amtsgericht Laufen (Symbolbild) © hhö

Eine 22-jährige Laufnerin sollte wegen Besitzes und Handels mit Drogen vor dem hiesigen Amtsgericht erscheinen. Was sie nicht tat. Ein „Patentanwalt“ aus der Nachbarschaft „riet“ ihr davon ab. Nun stand der 64-Jährige selbst wegen Strafvereitelung vor Gericht.

Laufen - Ein Nachbar hatte die junge Frau Marihuana rauchend am Balkon gesehen. Und die Polizei verständigt. Ein Vorgang mit Folgen, denn die heute 22-jährige Laufnerin sollte wegen Besitz und Handel mit Drogen vor dem hiesigen Amtsgericht erscheinen. Was sie nicht tat. Ausschlaggebend für ihre Abwesenheit soll ein 64-jähriger „Patentanwalt“ aus ihrer Nachbarschaft gewesen sein, der sie entsprechend „beraten“ hat. Der stand nun selbst wegen Strafvereitelung vor dem Strafrichter.

Am Vortag ihrer Verhandlung soll die Frau dem Gericht telefonisch mitgeteilt haben, dass sie „wegen so einem Scheiß“ nicht kommen würde. Was sie diesmal bestritt. Sie räumte ein, sich verzweifelt und hilfesuchend an den „Europäischen Patentanwalt“ in der Nachbarschaft gewandt zu haben, weil der ihr schon öfter geholfen habe. Da sie am Tag der Verhandlung zudem ein schmerzhafter Bienenstich im Fuß plagte, soll ihr der Angeklagte zu einem Attest geraten haben. Er würde sie dann mit diesem Attest und einer Vollmacht vor Gericht vertreten.

Tatsächlich hatte Richter Josef Haiker den Mann damals nicht als Rechtsvertreter der jungen Frau zugelassen, weil er nicht „vertrauenswürdig und sachkundig“ erscheine. Im vorgelegten Arzt-Attest vermisste Haiker eine Diagnose. Dieser Arzt, der damals in einer Laufener Praxis als Urlaubsvertretung aushalf, konnte sich weder an die Frau noch an den Vorgang erinnern. 

Der Angeklagte sah die Frau nicht allein wegen des Bienenstichs verhandlungsunfähig, sondern auch aus „psychologischen Gründen“. Er will sie dennoch korrekt aufgeklärt haben: „Du musst da hin, sonst droht Ungemach.“ Noch nach der damaligen abgebrochenen Verhandlung habe er ihr deutlich gemacht, sie müsse sich melden. Doch gab es schon während einer gut halbstündigen Verhandlungsunterbrechung einen SMS-Verkehr zwischen ihm und der jungen Frau, die dem Richter nun ihr Smartphone vorlegte. So hatte ihr der Angeklagte um 14.43 Uhr geschrieben, sie solle „bitte sofort außer Haus und an die Salzach gehen. Sofort bitte!!!“, da der Richter mit der Polizei telefoniere. Schließlich hatte er der 22-Jährigen geraten: „Gehe am besten nach Oberndorf.“

Fragwürdiger „Rat“ zur Flucht

Bei einem Gespräch wenig später im Oberndorfer Stadtpark soll er ihr empfohlen haben, bei einer Freundin unterzuschlüpfen und nicht nach Hause zurückzukehren. „Ich hatte solche Angst. Er hat ganz stark betont, dass ich flüchten muss, weil ich verhaftet werde“, beteuerte die Frau. Sie sollte ihr Handy ausschalten und er würde sich um ihre Katzen kümmern. Auch das bestritt der Angeklagte: „Wo hätte sie denn hinsollen? Sie hat Wohnung und Arbeit in Laufen.“ Der 64-Jährige hat fünf Einträge im Bundeszentralregister, die aber allesamt viele Jahre zurückliegen. „Mangels Aufträgen“ als „Physiker und Europäischer Patentanwalt“, lebt er von Bürgergeld. 

Bereits zu Beginn der Verhandlung hatte der Laufener eine „Rüge“ ausgesprochen wegen Verstoßes gegen Grundrechte und die Bayerische Verfassung, weshalb er Popularklage einreichen werde. Wogegen er denn Klage erheben möchte, fragte der Richter nach dem „Gegenstand“. „Das müssen sie schon mir überlassen“, erwiderte der Angeklagte, um dann doch zu antworten: „Gegen Sie als Richter und die Frau Staatsanwältin.“ In einer langen Suada beklagte er unter anderem das Handeln der Laufener Polizei, die mehrfach die „winzige Wohnung“ der jungen Frau gestürmt habe und schließlich auch gegen ihn ermittelt habe. „Hinterfotzig“ nannte er das Verhalten der Staatanwaltschaft, nachdem er sich bemüht habe, die drei beschlagnahmten Handys seiner Nachbarin wieder zu bekommen. Er werde „garantiert“ bis zum Bayerischen Verfassungsgericht gehen. 

Angeklagter: Er habe keine Anweisungen gegeben

Nicht weniger umfangreich fiel sein Schlussvortrag aus. „Die Frau wusste, dass ich kein Strafverteidiger bin“, sagte er, dennoch habe ein jeder das Recht, einen Rechtsbeistand seiner Wahl zu benennen. Anweisungen habe er ihr nicht gegeben; und schließlich sei eine „Strafvereitelung“ etwas ganz anderes, da es sich lediglich um eine Verzögerung von weniger als drei Wochen gehandelt habe. Staatsanwältin Tomaschko sah in der Tat ein Delikt gegen die Strafrechtspflege, was sie mit einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe ahnden wollte. 

„Sie haben keine Ahnung, aber davon reichlich“, kommentierte Josef Haiker das Auftreten des Angeklagten, der seiner jungen Nachbarin einen „Bärendienst“ erwiesen habe, denn gegen die 22-Jährige war kurzzeitig ein Haftbefehl wirksam. „Aufgehetzt“ habe er eine Frau, „die sich ohne Weiteres selbst verteidigen kann.“ Der SMS-Verkehr zeige „Schwarz auf Weiß“ die Aufforderungen, das Land zu verlassen und nicht nach Deutschland zurückzukehren. Haiker beließ es wegen des „Versuchs“ bei den 140 Tagessätzen aus dem Strafbefehl; mit einer Tagessatzhöhe von 13 Euro anstatt 40 fiel die Geldstrafe deutlich niedriger aus. 

Die junge Frau hatte sich noch in Oberndorf hilfesuchend an vier Feuerwehrleute gewandt, die ihr geraten hatten, sie möge sich schnellstmöglich bei Gericht und Polizei melden. Was sie auch tat. Josef Haiker verhängte wenig später eine Jugendstrafe wegen Handeltreibens mit einer Geldauflage von 300 Euro und verpflichtenden Beratungsgesprächen bei der Caritas. 

hhö

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