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„Hier arbeitet Staat gegen Staat“: Acht Grundbesitzer ziehen vor Bayerischem Verwaltungsgerichtshof

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Von: Hannes Höfer

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Protestschilder
Protestschilder gegen weitere Versiegelung der Landschaft © Archiv Höfer

Die Diskussion rund um die Laufener Umgehungsstraße geht weiter. Im Herbst 2020 fiel der Planfeststellungsbeschluss für die vierte Variante. Gegen diese klagen nun acht Grundbesitzer vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Laufen - Am 8. März 1962 stellte die Laufener Kreiszeitung die Frage: „Wohin mit der Laufener Umgehungsstraße?“ Eine Antwort darauf schien knapp 60 Jahre später endlich da. Im Herbst 2020 fiel der Planfeststellungsbeschluss für die sogenannte Naturland- oder Außentrasse. Diese Variante 4 würde die Stadt von Letten bis Niederheining auf einer Länge von 4,8 Kilometer weiträumig umfahren – mit entsprechendem Flächenverbrauch. Dagegen klagen acht möglicherweise existenzgefährdete Betriebe und Grundbesitzer vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Für die Verhandlung in München sind zwei Termine angesetzt: die Freitage 21. und 28. April. Zuversichtlich gibt sich Fachanwalt Dr. Wolfgang Patzelt, der die Kläger vertritt. „Die Planung ist schlecht und hat zahlreiche durchgreifende Fehler“, sagt er im Gespräch mit BGLand24.de.

Stadt Laufen nicht beigeladen

Stadtrat Dr. Klaus Hellenschmidt hatte kürzlich behauptet, die Stadt sei in dem Verfahren „beigeladen“, weshalb sie eine aktivere Rolle einnehmen sollte. Das verneint Andreas Spiegel vom Verwaltungsgerichtshof: „Die Stadt Laufen ist kein Verfahrensbeteiligter und sie ist nicht beigeladen“, stellt der Pressesprecher am Telefon klar. Ziel der mündlichen Verhandlung sei eine Entscheidung; weil dieses Verfahren jedoch „sehr umfangreich“ sei, es „viele Kläger und viele Einwände“ gebe, habe man „vorausschauend“ einen zweiten Termin anberaumt. Und wenn man auch dann nicht fertig ist? „Falls es sich als besonders schwierig erweist, geht es in ein schriftliches Verfahren“, erklärt Spiegel. 

Für den Beklagten, den Freistaat Bayern, wird die Regierung von Oberbayern als Planfeststellungbehörde an der Verhandlung teilnehmen. Daneben das Staatliche Bauamt Traunstein als Vorhabensträger sowie „eventuell“ Fachbehörden. Schließlich wird die Landesanwaltschaft als „Kanzlei des Freistaates“ mit einem Oberlandesanwalt dabei sein. 

Was spricht für eine Klage?

Klägeranwalt Dr. Wolfgang Patzelt greift im Gespräch stichpunkartig Inhalte aus seiner 288-seitigen Klagebegründung heraus. „Ist die Trasse richtig abgewogen?“, beschreibt er die wesentliche Frage und dabei die Belange Immissionsschutz, private Rechte – vor allem Eigentum – und Kosten. Ein wichtiger Aspekt ist auch der Artenschutz. „Hier hat die Landesanwaltschaft zur Aktualisierung der veralteten Gutachten jüngst gerade mal einen Tag lang die 4,8 Kilometer lange Trasse abgegangen“, wundert sich Patzelt, denn üblicherweise beanspruche ein fachliches naturschutzrechtliches Gutachten mindestens eine Vegetationsperiode. 

Jeder der acht Kläger ist enteignungsbetroffen und hat damit einen Anspruch darauf, dass die Maßnahme rechtmäßig ist“, erklärt Patzelt, egal, ob jemand 20 oder 20 000 Quadratmeter verlieren würde. „Es sitzen alle im gleichen Boot.“ Dennoch habe man „Hilfsanträge“ gestellt, um gegebenenfalls Verbesserungen im Detail zu erwirken – Stichwort Lärmschutz. Wäre es also denkbar, dass das dreiköpfige Gericht etwa den Bau einer sogenannten Kraftfahrstraße ablehnt und stattdessen die maßvollere ursprüngliche Planung gutheißt? „Nein“, sagt der Anwalt, „entweder hopp oder topp. Das Gericht ist keine Planungsbehörde.“  

Zur Erinnerung: Im Sommer 2017 wurde aus der zweispurigen Bundesstraßenplanung plötzlich eine in Teilen dreispurige Kraftfahrstraße mit einer Mindestgeschwindigkeit von 60 Kilometer die Stunde, was bedeutet, dass ein begleitendes Wegenetz geschaffen werden muss, was den Flächenverbrauch zusätzlich erhöht. Laut offiziellen Zahlen sind es insgesamt 28 Hektar, in etwa die Größe eines durchschnittlichen hiesigen landwirtschaftlichen Betriebes. Der Kreistrag hatte sich 2019 einstimmig gegen diese sogenannte Kraftfahrstraße ausgesprochen und das Landratsamt als untere Verkehrsbehörde erklärt, man würde eine dafür notwendige verkehrsrechtliche Anordnung nicht erlassen. Auch der Stadtrat hatte sich gegen diese Version ausgesprochen. 

Auf Flächenverbrauch und Zerschneidung geht auch Wolfgang Patzelt ein: „Mit einer hoheitlichen Zwangsmaßnahme, nämlich der Flurbereinigung, hat man perfekt arrondierte Anwesen geschaffen, die man mit diesem Straßenbau wieder zerstören würde. Hier arbeitet Staat gegen Staat.“ Ein weiterer Gesichtspunkt: „Die damaligen Prognosen einer sechzehnprozentigen Zunahme des Verkehrs haben sich nicht bestätigt. Der Verkehr hat gegenüber der Prognose nachweislich abgenommen, was sich bereits bei Erlass des Planungsfeststellungsbeschlusses abgezeichnet hatte“, sagt Patzelt. 

Traktoren die gegen eine Zerschneidung ihrer Felder und gegen die weitere Versiegelung der Landschaft protestieren
In den Jahren 2014 und 2018 hatten Bauern aus der ganzen Region mit ihren Traktoren gegen eine Zerschneidung ihrer Felder und gegen die weitere Versiegelung der Landschaft protestiert. © Archiv Höfer

Bahnpararelle Alternativplanung „bewusst schlecht“ geplant?

Besonders kritisch spricht er über die bahnparallele Alternativplanung der Trasse 2a, wo man „bewusst schlecht“ und mit „falschen Zahlen“ geplant habe, mehrfach „Äpfel mit Birnen“ verglichen und „mit Tricks“ gearbeitet habe. So habe das Staatliche Bauamt beispielsweise den ungünstigen Trassenverlauf der Variante 2a mit technischen Vorgaben zu Fahrbahnradien verlangt, die von der gewählten Trasse 4 aber selbst nicht eingehalten würden. Und schließlich die Frage nach einer gemeinsamen Planung mit der Bahn. „Das Staatliche Bauamt hat immer von einer intensiven Abstimmung mit der Bahn gesprochen. Die gab es aber nie, wie die Unterlagen nun belegen“, beklagt Patzelt. „Im Gegenteil: Die Bahn hat gegen die fehlerhafte Alternativplanung des Staatlichen Bauamtes sogar massive Einwendungen erhoben. Eine abgestimmte Planung sieht anders aus.“ 

Beispiel Eins: „Unnötig große Abstände zwischen Gleisen und Fahrbahn.“ Beispiel Zwei: „Unnötig teure Kreuzungen, wo üblicherweise die Straße wegen tonnenschwerer Züge oben verläuft.“ Nicht so bei der angeblichen Vergleichsplanung. „Wo die Bahn schon in einer Senke verläuft, soll die Straße trotzdem noch darunter gebaut werden.“ All dies führe dazu, dass die kürzere Variante 2a letztlich teurer kalkuliert worden sei als die weit längere Naturlandtrasse 4. 

Zwei Sachen sind Patzelt wichtig: „Noch im Linienfindungsverfahren hatte das Staatliche Bauamt die kürzeren, bahnnahen Trassen mit deutlich weniger Flächenverbrauch favorisiert.“ Und: „Die Betroffenen haben von einem Sachverständigen auf eigene Kosten eine bahnparallele Trasse planen lassen.“ Das Ergebnis: „Die schweren Beeinträchtigungen, die das Staatliche Bauamt bei einer bahnnahen Planung unterstellt hat, wären bei korrekter Planung und Abstimmung mit der Bahn allesamt vermeidbar gewesen, wenn die staatlichen Straßenplaner an einer echten Alternative interessiert gewesen wären“, so Patzelt.

Schwein statt Pferd 

Eine skurrile Sache will der Fachanwalt nicht unerwähnt lassen: „Die geplante Trasse würde einen Ausbildungsbetrieb für Turnierpferde nach Bewertung der amtlichen Sachverständigen unmöglich machen. Dieses Ergebnis wollte die Regierung von Oberbayern nicht so stehen lassen. Zum Beleg des Gegenteils stützt sie sich nun auf das Gutachten eines Veterinärs mit dem Ergebnis, der Pferdebetrieb könne weiterhin existieren, weil die Vorgaben für Schweinemastbetriebe eingehalten seien.“ Patzelt schüttelt den Kopf: „Was hat eine Mast zur Nahrungsproduktion mit Turnierpferden zu tun?“

Was die Kostengegenüberstellung betrifft, so blickt der Fachanwalt erneut auf früh ausgeschiedene Alternativen, wo vermeintlich notwendige „Gleisverlegungen“ mit exorbitanten Kosten von angeblich 45 Millionen Euro angegeben worden seien, die sich bei genauerer Betrachtung als „heiße Luft“ erwiesen hätten. Zu Bedenken gibt der Anwalt auch die spätere Mehrheitsentscheidung im Stadtrat für die Außentrasse 4, denn Auslöser für das Umschwenken weg von bahnnahen Varianten auf die damals noch als ungünstiger bewertete Trasse 4 sei die damalige Kommunalpolitik gewesen. In Laufen schon fast legendär ist der Satz des damaligen Behördenleiters, Baudirektor Sebald König: „Ihr werdet doch keine zweite Durchschneidung haben wollen.“ Doch dieses Postulat galt mit der Amtsübernahme von Bürgermeister Hans Feil (CSU) im Jahr 2008 nicht mehr.

Der Stadtrat habe sich noch vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses gegen die nun genehmigte Variante 4 entschieden, blickt Patzelt auf den zeitlichen Ablauf. In der späteren Mehrheitsentscheidung des Stadtrates für die Außentrasse 4 sieht der Anwalt jedoch eine nicht unwesentliche Stütze des Planfeststellungsbeschlusses. Zur Ergänzung: Tatsächlich hatte sich der Stadtrat noch im Juli 2020 mit knapper Mehrheit für eine gemeinsame Planung von Bahn und Straße ausgesprochen. Die gewünschte Vorstellung eines möglichen Konzepts fand jedoch wenig später keine Mehrheit mehr. 

Patzelt betont, dass bei solchen Planungen nicht zuletzt das sogenannte Bündelungsgebot gelte, welches die Bündelung von Eisenbahn- und Straßentrassen gebiete. Davon könne nur mit schwerwiegenden Argumenten abgewichen werden. 

Ergebnisse vor Gericht: Nur vier Möglichkeiten?

Welche Ergebnisse vor Gericht sind nun denkbar? Patzelt beschreibt vier Möglichkeiten: Erstens die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil es sich um eine „unheilbar rechtswidrige Planung“ handle. Zweitens: Die Planung ist zwar rechtswidrig und nicht vollziehbar, aber nicht zwingend unheilbar. Drittens wäre denkbar, dass die Planung nur auf einzelne Kläger bezogen rechtswidrig ist und über die Hilfsklage-Anträge diverse Belange neu gelöst werden. Als „schlimmsten Fall“ beschreibt Patzelt eine Komplettabweisung der Klagen. Doch damit rechnet er nicht.

Als Rechtsweg gegen eine Entscheidung bliebe allein die Überprüfung vor dem Bundesverwaltungsgericht als reine Rechtsinstanz und der Frage, ob Bundesrecht hier korrekt angewendet worden ist. Mit einer möglichen Enteignung und Entschädigung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nichts mehr zu tun. „Das obliegt dem Staatlichen Bauamt“, betont Pressesprecher Andreas Spiegel. 

hhö

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