1. bgland24-de
  2. BGLand
  3. Rupertiwinkel
  4. Freilassing

Zwei Ärztegipfel in Freilassing brachten „Impulse“, aber keine neuen Ärzte 

Erstellt:

Von: Michael Hudelist

Kommentare

Freilassing Fachärztetrum Medizinisches Versorgungszentrum
Im Norden der Kreisklinik könnte das geplante Fachärztezentrum entstehen, die Stadt hat ein 10.000 m² großes Grundstück, dass sie auch Privaten überlassen könnte. (Visualisierung: Max Aicher) © Max Aicher

Die Bewohner der Stadt werden immer mehr, die Ärzte immer weniger. So der Befund der Stadt zur Frage, wo krankt es im Gesundheitssystem. Derzeit gibt es für rund 18.000 Einwohner nur noch zehn Hausärzte, Tendenz sinkend. „Wenn noch zwei, drei Hausarztpraxen schließen, haben wir eine Unterversorgung“, warnt Bürgermeister Markus Hiebl.

Freilassing - Es geht also darum, neue Ärzte zu finden und diesen modernen Strukturen zu bieten, zum Beispiel in einem Fachärztezentrum im Norden der jetzigen Klinik. Wie dieses Zentrum aussehen könnte, präsentierte Hiebl erstmals im Stadtrat, die Visualisierung hatte wohl nicht zufällig das Bauunternehmen Max Aicher angefertigt. 

Auf großes Interesse stieß am Dienstagabend im Stadtrat der Punkt „Ärztliche Versorgung in der Stadt Freilassing“, unter den rund 20 Besuchern im engen Rathaussaal waren auch Mitglieder des Vereins „Freunde des Krankenhauses Freilassing“, darunter Franz Christoph Himmler und Max Aicher, obwohl es nicht wirklich um das Krankenhaus ging. Oder doch? Ausgangspunkt der regen Stadtaktivitäten war die Präsentation der Kliniken Südostbayern AG – KSOB – im Juli vergangenen Jahres, demnach soll sich das Krankenhaus auf ambulante Altersmedizin spezialisieren, weitere Angebote sollen nur mehr ambulant in einem Gesundheitszentrum angeboten werden, damals hochtrabend als „Gesundheits-Campus“ bezeichnet. 

„Heute geht es im Stadtrat aber nicht um diese Pläne, sondern um die aktuelle und künftige Versorgung der Stadt mit Hausärzten und Fachärzten“, stellte Hiebl gleich zu Beginn seiner umfangreichen Analyse klar. Einige Praxen hätten schon geschlossen, immer öfters müssten sich Patienten einen neuen Hausarzt suchen. 

„Situation bei Hausärzten kann gefährlich werden“, Markus Hiebl

Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatte die Stadt daher zu einem Ärztegipfel eingeladen, damals noch gemeinsam mit Ainring und Saaldorf. Das Ergebnis: die bereits festgestellte Überalterung der Ärzteschaft und das Fehlen von Nachfolgern wurde bestätigt, die anwesenden Ärzte zeigten sich einer „zentralen Versorgungseinheit“, also einem Fachärztezentrum oder einem „kommunalen, medizinischen Versorgungszentrum“ nicht abgeneigt.

Anfang Dezember beschloss der Stadtrat daraufhin weiter darüber nachzudenken, wie man mit Werbekampagnen neue Ärzte in die Stadt holen könne, wo ein Ärztezentrum angeboten werden und wie ein mögliches, kommunales Versorgungszentrum geführt werden könnte, von der Stadt oder von den Ärzten selbst. Für Hiebl steht fest, dass die Situation, speziell bei den Hausärzten, weiter beobachtet werden muss, „wenn es hier keine Nachbesetzungen gibt kann das in den nächsten Jahren gefährlich werden“. 

Beim zweiten, und vermutlich nicht letzten, Ärztegipfel am 1. März dieses Jahres galt es erneut „Impulse“ zu sammeln, das heißt, es wurden erneut viele Fragen aufgeworfen und die Stadtverwaltung beauftragt, Antworten zu finden, einig war man sich darin, dass die geplanten Einrichtungen der Kliniken Südostbayern, sowie die Inn-Salzach-Klinik in Freilassing bleiben sollen, ergänzt eben um das geplante Fachärztezentrum. 

Vom Kinderarzt zur Suche nach einem Hausarzt

Die Bevölkerung wird älter, auch in Freilassing, die Gruppe der über 75-Jährigen wird bis 2030 von derzeit 1900 auf 2100 Personen ansteigen, im gleichen Zeitraum wird die Zahl der unter 18-Jährigen aber auch deutlich zulegen, von 2900 auf 3700. „Das bedeutet, dass dann viele vom Kinderarzt zu einem Hausarzt wechseln werden müssen“, so Hiebl. Doch bei den Hausärzten kommt jetzt wieder das Altersproblem ins Spiel, 34 Prozent der Hausärzte sind bereits 60 Jahre und älter, dazu kommt ein Fachkräftemangel bei den medizinischen Assistenzberufen und der Umstand, dass die meisten Praxen nicht barrierefrei erreichbar sind. „Der Versorgungsgrad sinkt, in drei bis fünf Jahren droht eine Unterversorgung“, und die Lage verändere sich dramatisch, „als ich im August mit den ersten Recherchen begonnen habe, sah das alles noch besser aus“, so der Bürgermeister. 

Gesundheitszentrum als Impuls

Um zum einen den Anforderungen der Patienten, zum anderen aber auch den Wünschen der Ärzte Rechnung zu tragen, bietet sich der Aufbau eines „regionalen Gesundheitszentrums“ an. Hier könnten nicht nur medizinische Angebote gebündelt und barrierefrei angeboten werden, junge Ärzte könnten hier zusammenarbeiten und ihren Berufswünschen – Stichwort 8-Stunden-Arzt – besser nachkommen. Die nicht sehr spannende Frage war dann, wo könnte so ein Gesundheitszentrum entstehen? Die Antwort lieferte der Bürgermeister gleich selbst: Die Stadt hat zwei Grundstücke im Norden der Klinik mit einer Größe von 10.000 m², Platz genug also für ein zukünftiges Zentrum und entsprechende Parkplätze, sogar über eine mögliche Anbindung an die Kreisstraße BGL 2 von Freilassing nach Saaldorf-Surheim wurde schon nachgedacht.

Wie dieses Zentrum aussehen könnte, hat Max Aicher in einer Simulation zur Verfügung gestellt, wohl nicht zufällig erwähnte Hiebl noch, dass man das Stadt-Grundstück auch an „Private“ übergeben und diese dann das Zentrum bauen könnten. Das Zauberwort „Brückenschlag“ ward geboren, damit war aber auch die Zusammenarbeit mit den beiden Kliniken auf dem Gelände an der Matulusstraße gemeint, „hier müssen dann auch die Kreiskliniken mit ihren Plänen konkret werden“, fordert Hiebl. 

Angst vor Kanibalisierung 

In der Diskussionsrunde stellte Hubert Kreuzpointner von der CSU fest, dass mittlerweile zwei Drittel der Medizinstudenten junge Frauen seien, „der künftige Beruf Hausarzt wird also nur mit Kindern und Familie funktionieren können“, ein Fachärztezentrum würde diesem Trend entgegenkommen. Gleichzeitig warnte er vor einer Kanibalisierung, also dass Ärzte in einem Zentrum den Ärzten mit eigener Praxis möglicherweise die Patienten wegnehmen, „das können wir uns auch nicht leisten“.

Er will den Fokus weiterhin auf die Hausärzte legen. Robert Judl von ‚Pro Freilassing‘ stellte noch einmal die Frage, wo sich Hausärzte und Fachärzte gemeinsam niederlassen könnten, er will auch Alternativen im Stadtgebiet prüfen. Und Edeltraud Rilling von den Grünen konnte sich mit dem Fachärztezentrum am Klinikgelände zwar anfreunden, „aber heutzutage baut man doch nicht mehr in die Fläche, sondern in die Höhe“, merkte sie zur Visualisierung an. 

Am Ende beschlossen die Stadträte einstimmig, dass die Stadt weitere Impulse sammelt und setzt, um die ärztliche Versorgung in der Stadt auch in Zukunft sicherzustellen. 

hud

Auch interessant

Kommentare