Von der Dorfschule zum „Vintage“-Kindergarten: Feierliche Eröffnung am Samstag (16. Juli)

Die beiden Kilians, Mia-Sophie und Christina sowie die anderen 74 Kindergartenkinder fiebern schon dem kommenden Samstag (16. Juli) entgegen, denn dann wird der neue Teil des Kindergartens offiziell eröffnet, eine der vier Gruppen wird dann in den neuen Trakt übersiedeln, der früher eine Schule war. Um 12 Uhr beginnt das Rahmenprogramm für alle Besucher, für die Kinder sind in den Gruppenräumen eigene Workshops vorbereitet. „Für uns ist es ein besonderes Haus mit einer besonderen Geschichte“, schwärmt Kindergartenleiterin Anita Slamecka, „denn hier war seit 1868 das erste Schulhaus im damaligen Salzburghofen“.
Freilassing - Kilian und all die anderen Kinder sind vor allem vom neuen Spielplatz begeistert, der tatsächlich alle Stückerl spielt, von Gemüsebeeten bis zum Wasser- und Schlammtisch wird dem spielerischen Erlebnisdrang der Kinder fast keine Grenzen gesetzt. Im Innenbereich sind zwei neue Gruppenräume, sowie im Obergeschoss neue Funktionsräume entstanden wie zum Beispiel ein Sportraum. „Wir haben bis zu 25 Kinder in einer der vier Gruppen, aber wir können die Gruppen eben stundeweise auch verkleinern in dem wir mit einem Teil der Gruppe in Funktionsräume gehen“, erklärt Slamecka. Einer der beiden neuen Räume wird zwar schon genutzt, aber eine Gruppe zieht dann ab nächster Woche offiziell um, „den zweiten, neuen Gruppenraum können wir mangels Personal derzeit nicht nutzen“. Derzeit werden 78 Kinder betreut, ausgelegt ist der Kindergarten jetzt nach dem Umbau auf 125 Kinder.
Nachdem die „Dorfschule“ ab dem Schuljahr 2020/2021 ausgerechnet wegen des starken Ansteigens der Schülerzahlen geschlossen wurde kam schnell die Idee auf, die frei werdenden Räume für den Integrativen Evangelischen Kindergarten zu nutzen. Für ursprünglich 2 Millionen Euro genehmigte der Stadtrat den Umbau, trotz einer Sanierung des Hauses im Jahr 2006 war ein neues Blechdach notwendig, Geschossdecken und die Treppen mussten ertüchtigt werden. „Auf unserer Wunschliste stand ein behindertengerechtes WC und ein Lift“, erinnert sich Slamecka, denn im Integrativen Kindergarten – „dem ersten im Landkreis seit 1995“ – sind derzeit auch drei Kinder mit speziellem Förderbedarf. Bauleiter Josef Hofmann erwartet nun Gesamtkosten von knapp 2,7 Millionen Euro, die Stadt Freilassing wird davon rund 900.000 Euro übernehmen.
Zurück zum Alltag im Kindergarten: Neben dem fast scho nAbenteuer-Spielplatz im Freien sind auch der Eingangsbereich und die Garderoben neu, alles in einheitlichem, hellen weiß. „Früher hat man die Innenwände in Kindergärten gerne bunt und grell angemalt, wir wollen das absichtlich nicht, auffallen sollen nur die Bilder, die die Kinder gemacht haben“. Auch die neuen Gruppenräume sind hell und nach den neuesten Erkenntnissen ausgestattet, „wir haben zum Beispiel bei den Türen einen Klemmschutz und Fenster, die nur von Erwachsenen geöffnet werden können“, so Hofmann.
Bagger vor Kindergarten – eine Sensation
Besonders herausfordernd für den Kindergarten und die Baufirmen waren die Arbeiten bei laufendem Betrieb, „für die Betreiber und die Eltern war immer wichtig: Hauptsache schnell fertig“, erinnert sich Bauleiter Hofmann. Den Zeitplan habe man soweit eingehalten, auch wenn es wegen Corona immer mal wieder eine Verzögerung gab. Für die Kinder war die Baustelle vor der eigenen Tür natürlich eine Sensation, „also wenn die Bagger in Aktion waren brauchte man nicht mehr versuchen eine Sitzgruppe zu bilden“, so Slamecka schmunzelnd.
Gemeinsames, gesundes Kochen
Neben dem spielerischen Lernen und Spielen steht auch das gemeinsame Kochen täglich am Programm, am Vormittag gibt es kleine Schnitten und Obst, später wird für Mittag gekocht, „aber wir nennen es auch Brotzeit, weil wir sind ja keine Köche“. Da gibt es zum Beispiel Nudelauflauf oder Putenfleisch, „Gemüse, dass die Kinder zuhause nicht mögen oder nicht kennen essen sie hier bei uns auf einmal weil es die anderen Kinder auch essen“, eine gesunde Ernährung kommt so über den Kindergarten oft wieder zurück zu den Eltern.
Kein „Missionskindergarten“
Auch wenn der Träger des Kindergartens die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde in Freilassing ist sucht man Kreuze in den neuen Gruppenräumen vergeblich, „der Glaube ist uns aber wichtig, wir beten zum Beispiel vor den Essen, machen Krippenspiele und erklären auch biblische Geschichten“, erläutert Slamecka, „aber wir wollen niemanden missionieren, wenn wir zum Beispiel ein muslimisches Kind haben dann betet das zu seinem Gott, wenn es will“. Jedes Kind sei willkommen, das sei der Grundsatz des Integrativen Kindergartens.
Slamecka selbst ist schon seit 30 Jahren als Kindergärtnerin – das darf man noch sagen – tätig, hat sich in all den Jahren viel geändert, bei den Eltern zum Beispiel? „Ja, sie sind zum Teil unsicherer geworden, sie werden von einer Flut an Informationen erschlagen, auch aus dem Internet, und verlieren dann zum Teil ihren natürlichen Instinkt“. Wenn Mütter oder Väter „Angst“ vor dem Kindergarten haben würden das auch die Kinder merken und sich dann sozusagen hinter den Eltern verstecken. „Aber wenn sich die Eltern hier wohlfühlen tun es auch die Kinder“. Der Abschied nach vier Jahren fällt nicht nur den Kindern schwer, sondern auch den Erzieherinnen, „aber wir versuchen eine professionelle Distanz zu wahren“.
80 Nationen in der Stadt
Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl erwähnt bei jeder Gelegenheit voller Stolz, dass in Freilassing 80 Nationen beheimatet sind, ganz so viele sind es im Kindergarten Laufenerstraße nicht, aber die Staatsangehörigkeit reicht doch von Deutsch, Österreichisch und Türkisch bis Rumänisch, Ukrainisch oder Russisch. Berührungsängste oder gar Vorbehalte gibt es bei den Kindern naturgemäß nicht, „Kinder, die kein Deutsch können, wie zum Beispiel derzeit ukrainische Kinder, lernen es bei uns, wir sind für alle die erste Bildungseinrichtung, wir machen die Kinder für die Grundschule fit“, erklärt die Kindergartenleiterin. Die Zeiten, in denen die Kinder nur zur Aufbewahrung und zum Spielen gebracht wurden, seien vorbei, „es gibt auch nicht mehr die Tante, sondern wir sind Pädagogen und Erzieherinnen“. Dass derzeit Personal fehlt, wie in anderen Branchen auch, habe auch mit der allgemein oft fehlenden Wertschätzung gegenüber dem Kindergartenpersonal zu tun.
Michael Hudelist
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