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Grenzkontrollen am Freilassinger Bahnhof: Nervig oder notwendig?

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Von: Michael Hudelist

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Bei den Grenzkontrollen im Zug werden ausnahmslos alle Passagiere kontrolliert, eine Selektion nach ethnischen Merkmalen ist nicht erkennbar.
Bei den Grenzkontrollen im Zug werden ausnahmslos alle Passagiere kontrolliert, eine Selektion nach ethnischen Merkmalen ist nicht erkennbar. © hud

Die Bundespolizei meldet Woche für Woche mehr Menschen auf der Flucht in grenzüberschreitenden Zügen, das Migrationsgeschehen scheint sich von der Straße auf die Schiene verlegt zu haben. Während die Kontrolle der Fernzüge in der Regel während der Fahrt von Freilassing nach Traunstein erfolgt werden Regionalzüge – also zum Beispiel der frühere Meridian, aber auch die neu nach München fahrende Westbahn – am Bahnhof Freilassing kontrolliert.

Freilassing – Dieser „Zwangsaufenthalt“ nervt manche einheimische Pendler, deren Züge dann verspätet in Rosenheim oder München ankommen. „Muss jeder Zug kontrolliert werden?“ oder „Warum wird nicht während der Fahrt im Zug kontrolliert?“ bekommen die Beamten zu hören.

Manche Reisende sprechen sogar von verbal ruppigen Kontrollen der Bundespolizisten. Die im Herbst 2015 eingeführten „vorübergehenden Grenzkontrollen“ empfinden viele mittlerweile als „rechtswidrig und unverhältnismäßig“, dessen ungeachtet hat die EU-Kommission Deutschland und weiteren Schengen-Mitgliedsländern die Grenzkontrollen erneut für sechs Monate genehmigt, derzeit bis Mitte November 2022. Dass sie dann enden ist unwahrscheinlich.

Asyl-Strom macht sich in Freilassing bemerkbar

Menschen flüchten nach wie vor aus bekannten Gründen aus Syrien und Afghanistan, aber zunehmend auch aus Indien, Pakistan, Tunesien und anderen Staaten, „also aus Ländern, die praktisch kein Asyl in Österreich erhalten“, so zumindest Österreichs Innenminister Gerhard Karner zu den „neuen“ Herkunftsländern. Inder können zum Beispiel über die Türkei derzeit Visa-frei nach Serbien einreisen und sind somit schon an der EU-Grenze.

Die verstärkten Kontrollen an der Österreich-ungarischen Grenze führen allerdings dazu, dass mehr Flüchtlinge sich in Österreich registrieren lassen „müssen“, wenn sie nicht nach Ungarn oder Serbien zurückgeschickt werden wollen. Ein Asylantrag in Österreich heißt aber nicht, dass die Menschen in Österreich bleiben müssen oder wollen, viele ziehen weiter, das macht sich auch in Freilassing bemerkbar, vor allem in den grenzüberschreitenden Zügen.

Viel zu tun für die Freilassinger Bundespolizisten

Die Pressemeldungen der Bundespolizei in Freilassing beinhalten fast täglich Flüchtlinge, die mit der S-Bahn, einem Regionalzug oder einem Fernzug wie dem Rail-Jet oder dem Night-Jet in Deutschland ankommen. Dass die Bundespolizei ausnahmslos jeden Zug und jeden Fahrgast kontrolliert rechtfertigt sie nicht nur mit ihrem gesetzlichen Auftrag, sondern auch mit Zahlen:

So wurden Mitte August vom 12. bis 15. August 120 unerlaubte Einreisen festgestellt, davon alleine 90 im Zug. Das sind, hochgerechnet auf eine Woche 210 unerlaubte Einreisen, davon 158 im Zug. Die nächsten vier Tage waren es – wieder hochgerechnet auf eine Woche – 280 unerlaubte Einreisen, davon 224 in Zügen. Und am vergangenen Wochenende waren es an von Freitag bis Sonntag 120 Personen, davon 93 Flüchtlinge mit dem Zug. Das sind auf eine Woche hochgerechnet 280 Menschen auf der Flucht, davon 217 mit dem Zug eingereist.

Lokalaugenschein Grenzkontrolle

Freitagmittag, kurz nach 11 Uhr, der Railjet Express 262 von Wien-Schwechat nach München hat keinen regulären Aufenthalt in Freilassing und trotzdem hält der Zug am Bahnsteig 4, der Grund: fünf Bundespolizisten steigen ein, zwei an der Zugspitze, drei am Zugschluss, sie werden die Reisedokumente der Passagiere während der Weiterfahrt kontrollieren.

Nach nur wenigen Minuten nimmt der Railjet wieder Fahrt auf, die Bundespolzisten treffen in den Abteilen und Großraum-Waggons auf Passagiere, die durch entsprechende Durchsagen des ÖBB-Zugbegleiters schon auf die Kontrollen vorbereitet sind und ihre Reisepässe und ID-Cards großteils schon bereitgelegt haben.

Kein „Racial Profiling“ erkennbar

„Grenzkontrolle, Ihr Ausweis bitte“, kurz und knapp wird jeder Fahrgast und das entsprechende Reisedokument gecheckt, ein „Racial Profiling“, also eine Kontrolle nach bestimmten, ethnischen Merkmalen, ist nicht erkennbar. „Können Sie bitte kurz die Maske abnehmen“ hört man immer wieder, im deutschen Fernverkehr herrscht, im Gegensatz zu Österreich, nach wie vor FFP2-Maskenpflicht.

Die Fahrgäste reagieren durchwegs gelassen, von verbal ruppigen Beamten keine Spur. „Es gibt natürlich Menschen, die schon beim Anblick einer Uniform eine Aversion entwickeln, warum auch immer, und uns gegenüber dann entsprechend auftreten“, erzählt ein Beamter, „aber wir sind die Bundespolizei, wir sind keine Hampelmänner“, soll wohl heißen, „Wie man in den Wald hineinruft, …“.

Diskussionen über Kontrollen

Über den Grund der Kontrolle gibt es allerdings vereinzelt schon Diskussionen, „So sieht also Schengen aus“ beklagt sich nach der Kontrolle ein Wiener über die deutschen Kontrollen, vermutlich vergessend, dass auch Österreich seit sieben Jahren das Schengen-Abkommen zu Ungarn und Slowenien ausgesetzt hat.

In knapp 15 Minuten sind die fünf Beamten im vollbesetzten Railjet Express durch, bei den rund 400 Passagieren am Freitagmittag hat alles gepasst, in Traunstein bleibt der ÖBB-Zug wieder außerplanmäßig stehen, damit die Beamten wieder aussteigen und mit dem nächsten Zug zurück nach Freilassing fahren können.

Nachtzug mit vielen Flüchtenden

Besonders viele Reisende ohne gültige Reisedokumente gibt es dem Vernehmen nach im Nachtzug EN 462, der um 20.40 Uhr am Bahnhof Budapest-Keleti startet und 9 Stunden und 30 Minuten später in München ankommt. Dieser Zug wird zwar von der österreichischen Fremdenpolizei am Grenzbahnhof Hegyeshalom kontrolliert, hier entstehen dann auch die Verspätungen bis zu zwei Stunden. Viele Fahrgäste steigen aber auch erst in Wien ein, die geplante Ankunftszeit in Salzburg ist 4.27 Uhr, wenige Minuten später ist der Euro-Night dann in Freilassing, wo er für die Grenzkontrolle wieder angehalten muss.

Beschwerden halten sich in Grenzen

Zurück zu den Beschwerden, vor allem von Pendlern, die in den S-Bahnen und Regionalzügen täglich von den Kontrollen betroffen sind. Sie äußern ihren Unmut nicht nur auf Facebook und anderen „sozialen Netzwerken“ sondern melden sich auch direkt per Mail bei der Bundespolizei-Inspektion in Freilassing. „Wir können dann immer nur aufgrund der aktuellen Anzahl der Aufgriffe in Verbindung mit der irregulären Migration auf die Notwendigkeit der Grenzkontrollen hinweisen“, so Carolin Lembert, Pressesprecherin der Inspektion.

„Die Kontrollmodalitäten orientieren sich an erkannten Schwerpunkten und einsatztaktischen Notwendigkeiten“. Soll heißen: Da derzeit Flüchtlinge, oft mutmaßlich von ihren Schleusern entsprechend vorbereitet, verstärkt die Bahn zur Einreise nach Deutschland nutzen ist hier derzeit auch der Schwerpunkt der Grenzkontrollen. Verspätungen im Reiseverkehr will die Bundespolizei „auf ein nicht vermeidbares Minimum reduzieren“, abschließend bleibt nur „die Bitte um Verständnis“.

hud

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