Der Frieden ist an vielen Fronten unter Beschuss
Friedensinitiative demonstriert mit zahlreichen Unterstützern am Stadtplatz in Traunstein
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Nachdem der traditionelle Ostermarsch coronabedingt bereits zweimal ausgefallen ist, machte die Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg am Samstag auf dem Traunsteiner Stadtplatz vor rund 40 Zuschauern mit einem Friedensfest der Solidarität auf ihre Anliegen aufmerksam.
Traunstein - Im Einsatz für soziale Gerechtigkeit und gegen Aufrüstung, Abschiebung, Rassismus und eine ignorante Klimapolitik wurde sie von einem breiten Bündnis von Parteien, Initiativen und Organisationen unterstützt.
Dr. Renate Schunk von der Friedensinitiative warnte angesichts des 80. Jahrestags des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion vor neuer Kriegsrhetorik und einer Konfrontationsspirale gegenüber China und Russland. Gedankenspiele über eine neue Sicherheitsbedrohung für Europa und Forderungen von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer neuen „deutschen Führungsrolle“ und einer „standfesten Bundeswehr“ lasse die Frage aufkommen: „Muss die deutsche Öffentlichkeit wieder auf Kriegskurs gebracht werden?“
Schunk verwies auf die Schrecken bewaffneter Drohnen und neuer, autonom gesteuerter Kampfsysteme für die Zivilbevölkerung in anderen Ländern. Statt immense Kosten in eine neue Aufrüstung zu stecken, sei das Geld besser investiert durch den Ausbau von Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherungssysteme. Schunk fordert auch von den Politikern aus dem Landkreis ein deutliches Bekenntnis zum Pazifismus.
Manuela Pertl von der Initiative für Flüchtlingsrechte im Landkreis berichtete über die jüngste Abschiebung von 42 Flüchtlingen nach Afghanistan am 8. Juni. Seit dem Abzug der Nato häufen sich die Berichte von dort über zunehmende Gewalt durch die Taliban und die Terrormiliz Islamischer Saat. Den Abgeschobenen drohe „Terror, Verelendung und Obdachlosigkeit“, so Pertl. Am Beispiel eines 25-Jährigen, der seit elf Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, machte sie die aus ihrer Sicht gleichgültige und ungerechtfertigte Begründung in der Abschiebepraxis durch die Behörden deutlich. „Niemand darf in ein Land deportiert werden, in dem Krieg, Terror, Folter und Tod drohen.“
Demonstration in Traunstein am 19. Juni
Ähnlich argumentierte der Kinderarzt Dr. Thomas Nowotny aus Stephanskirchen. Er machte sich für mehr Verständnis gegenüber Minderheiten in der Gesellschaft stark. Vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte mit Flucht vor der Judenverfolgung im Dritten Reich beleuchtete er die schwierige Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Vor zehn Jahren seien deren Rechte als besonders schutzbedürftige Menschen „grob verletzt“ worden. Deshalb engagiere er sich in der Bayerischen Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte. Junge Flüchtlinge trotz guter Integrationserfolge in einem „unfairen Asylverfahren“ in ein Krisengebiet wie Afghanistan abzuschieben, verglich Nowotny mit „Deportation“. „Das dürfen wir nie wieder zulassen.“
Die Bedeutung von Abrüstung und Rüstungskontrolle im Sinne globaler Sicherheit hob die Grünen-Landtagsabgeordnete Gisela Sengl hervor. Dem Bekenntnis der Grünen zu Bundeswehr, NATO und internationalen Friedenseinsätzen stellte sie den Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag und ein strenges Rüstungsexportkontrollgesetz mit „Endverbleibskontrolle“ gegenüber, die die Grünen befürworten. Mit Blick auf Frauenattacken und Hassparolen im Internet könne jeder selbst etwas für mehr Frieden tun.
Trotz der Corona-Beschränkungen dürfe das gesellschaftliche und politische Engagement im Einsatz für mehr Klimaschutz nicht in den Hintergrund treten: Dafür machten sich Friedel aus Prien und Luca aus Marquartstein von den Fridays for Future und von „Improve the Climate“ stark. Sie kritisierten die ihrer Ansicht nach Ungleichbehandlung der Schulen bei den Öffnungsszenarien in Wirtschaft und Gesellschaft. „Steigen die Zahlen, geht das wieder auf Kosten der Jugend.“
„Wir müssen hinterfragen, in welcher Realität wir leben und in welcher Realität wir leben wollen“, fragte Leon Buchwald, Bundestagskandidat der Partei Die Linke. Am Beispiel horrender Mieten, der Renten- und Abschiebungspraxis sowie von Bildungsgerechtigkeit und Krankenhausprofiten zeigte er Beispiele für Alternativlösungen auf, die gesellschaftliche Solidarität belegen. Statt ihre einstigen Ideale zu verraten und in die eigene Tasche zu wirtschaften, könnten sich Politiker ein Beispiel am ehemaligen Präsident Uruguays nehmen: Pepe Mujica habe 90 Prozent seines Gehalts für wohltätige Zwecke gespendet, so Buchwald.
Axel Effner