1. bgland24-de
  2. BGLand
  3. Region Traunstein
  4. Traunstein

„Selbstsüchtig, habgierig“ - aber kein Mordversuch! Urteil gegen Kiefersfeldenerin gefallen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Xaver Eichstädter

Kommentare

Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse.
Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse. © xe

Traunstein/Kiefersfelden – Knapp zwei Monate nach Prozessbeginn ist am Montag (27. März) das Urteil gegen eine 64-jährige Kiefersfeldenerin gefallen, die wegen des Mordversuchs an ihrem Vater vor Gericht stand.

Update, 17.22 Uhr - Urteil gefallen

Das Urteil ist gefallen – und: für das Traunsteiner Landgericht ist es kein Mordversuch! Die 64-jährige Kiefersfeldenerin wurde nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Vier Jahre und sechs Monate muss die Frau ins Gefängnis. Sie nahm das Urteil ruhig und gefasst hin.

Dass sie es war, die ihrem Vater in den Monaten vor seinem Tod eine wilde und gefährliche Mixtur aus starken Beruhigungs- und Schmerzmitteln gab, steht für das Gericht aber fest. Der Mann verstarb im November 2021 im Alter von 89 Jahren. „Es kann nur die Angeklagte gewesen sein. Sie allein war für die Medikamente ihres Vaters zuständig“, so Volker Ziegler, der Vorsitzende Richter.

Aber: Nach Auffassung des Gerichts habe sie ihren Vater mit den Medikamenten nicht töten wollen. Als Laiin habe sie damit auch nicht rechnen können. Richter Ziegler beschrieb die Angeklagte als „selbstsüchtig“ und „habgierig“. Sie habe schon vor dem Tod des Vaters Geld an die Geschwister verteilt, und auch 112.000 Euro an sich selbst.

Finanzielle Aspekte hätten für die 64-Jährige eine große Rolle gespielt. Jedoch wäre das Vermögen des Vaters auch bei längerer Hilfe durch Pflegekräfte noch nicht so rapide zusammengeschmolzen.  

Update, 12.12 Uhr - Freispruch oder zwölf Jahre Haft?

Die Plädoyers sind gehalten – und sie gehen weit auseinander. Die Staatsanwaltschaft fordert zwölf Jahre Gefängnis für die Angeklagte, sieht die Frau schuldig des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung. Die Verteidigung hat große Zweifel, dass die 64-Jährige schuldig ist und plädiert auf Freispruch - „in dubio pro reo“ („Im Zweifel für den Angeklagten“), so Rechtsanwalt Benedikt Stehle. Gegen 15.30 Uhr soll das Urteil fallen.

Über 30 Zeugen wurden vernommen, auch für Staatsanwalt Wolfgang Fiedler geht jetzt ein „komplexer und interessanter Fall“ zu Ende. Für ihn steht fest: Als die Angeklagte erfuhr, wie wohlhabend der Vater war „hat sie die Gier gepackt und hat sich in sein Leben geschlichen“. Sie besorgte sich Patientenverfügungen und Kontovollmachten. „Der Vater wusste schon gar nicht mehr, was er unterschreibt. Er war von den Angeklagten völlig genervt und wollte seine Ruhe haben.“

Dann habe die 64-Jährige in gut vier Monaten 112.000 Euro vom Konto des Vaters abgehoben. Ein halbes Jahr vor dem Tod des Mannes im November 2021 habe sie ihm dann eine Vielzahl von Schmerz- und Beruhigungsmitteln verabreicht. „Für diesen Medikamentencocktail kommt nur die Angeklagte in Betracht“, so Staatsanwalt Fiedler. Außerdem habe die Frau eine Tablettenbox als Beweismittel verschwinden lassen, als das Haus von der Polizei bereits versiegelt war.

Auch die Verteidiger sehen einige Indizien, die für die Angeklagte als Täterin sprechen – aber eben auch einige dagegen. Die Tablettenboxen seien im Haus in Kiefersfelden immer für alle zugänglich gewesen. Die Angeklagte hätte Tabletten sogar auch mal in die Apotheke gebracht, um sie zu zerkleinern. „Keinem fiel dabei was auf“, so Anwalt Stehle. Und: Hätte die Angeklagte ihren Vater planmäßig vergiften wollen, hätte sie die Medikamentenabgabe ja auch nicht teils in die Hände der Pflegekräfte gelegt.

„Wir können uns nicht vorstellen, dass sie die Tabletten in München bei irgendeinem Straßendealer kauft“, so Benedikt Stehle. Zu viele andere kämen als Täter in Betracht, vor allem der Bruder der Angeklagten: Er habe Geldprobleme gehabt, hätte über den Tod des Vaters gelacht und sich am vehementesten gegen seine Einlieferung ins Krankenhaus gewehrt. „Für uns spricht mehr dafür, dass der Bruder etwas mit der Vergiftung zu tun hat.“ Verteidiger Harald Baumgärtl fügt hinzu, dass es auch nie Hinweise gab, dass die Angeklagte den Tod ihres Vaters wollte.  

Update, 11.10 Uhr – Gutachterin über Angeklagte: „Überdurchschnittlich intelligent“

 Vor den Plädoyers nimmt nun noch die psychiatrische Gutachterin Stellung. Wie schätzt sie die Angeklagte ein? „Überdurchschnittlich intelligent, geistig wendig und mit hohem Bildungsniveau“, so die Sachverständige zur 64-Jährigen. Eine Persönlichkeitsstörung lege bei der Frau nicht vor, sie ist also voll schuldfähig.

Die Sachverständige sieht bei der Kiefersfeldenerin aber eine narzistische Persönlichkeitsstruktur. „Welche Rolle spielen finanzielle Aspekte bei ihr?“ Reichtum, Macht und Schönheit spielen eine große Rolle bei solchen Menschen – Mitleid dagegen weniger.  

Ein letztes Mal versucht es Richter Volker Ziegler bei der Angeklagten: „Haben Sie die Medikamente vielleicht in guter Absicht verabreicht? Um Ruhe bei Ihrem Vater zu schaffen?“ Wieder wiegelt die 64-Jährige ab: „Nein, ich habe gar keine Medikamente verabreicht. Was soll ich denn noch machen, um meine Unschuld zu beweisen? Und das Geld hatte ich doch gar nicht gebraucht.“ Ihr Verteidiger Benedikt Stehle bremst seine Mandantin ein.

Nun geht es an die Plädoyers. Wollen die Verteidiger einen Freispruch? Und wie hoch wird die Forderung der Staatsanwaltschaft ausfallen?  

Vorbericht

Der Prozess gegen eine 64-Jährige neigt sich am Traunsteiner Landgericht nun dem Ende entgegen: Am heutigen Montag (27. März) werden die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erwartet. Damit könnte in groben Zügen absehbar werden, welche Strafe der Frau droht - falls es zu einer Verurteilung kommt. Der Kiefersfeldenerin wird vorgeworfen, 2021 ihren Vater vergiftet zu haben, um schneller an sein Erbe zu kommen. Der Vorwurf lautet auf versuchten Mord, weil beim 89-jährigen Vater nach dem Tod Mitte November 2021 keine sichere Todesursache festgestellt werden konnte.

Die Frau hat vor Gericht alle Vorwürfe von sich gewiesen. Fest steht aber, dass ihrem Vater in den Wochen und Monaten vor seinem Tod eine unkalkulierbare Kombination aus stärksten Beruhigungs- und Schmerzmitteln verabreicht wurde. Unter anderem Diazepam, Morphium und Opiate. Verschrieben waren die Medikamente nicht. Um die 730.000 Euro hatte der Kiefersfeldener angespart bis die Angeklagte die Vollmachten übernahm. Laut Ermittlern der Kripo habe sich das Motiv der Frau auf eine einfache Formel bringen lassen: Je kürzer die Pflegezeit, umso mehr Erbe bleibt für sie und ihre Geschwister.

Den Vater († 89) vergiftet, um ans Erbe zu kommen? Kiefersfeldenerin ab heute vor Gericht
Foto von der Festnahme am 1. April 2022 in Palma de Mallorca. © Miquel a Canellas

Schon rund zwei Wochen vor dem Tod des Mannes keimte bei Ärzten und Kripo der Verdacht, dass sein Ableben schneller herbeigeführt werden sollte. „Es zieht sich wie ein roter Faden durch, dass man Erste Hilfe beim Vater verhindern wollte“, berichtete die Kriminalpolizistin dem Gericht. Schnell hatte die Polizei vier Kinder des Mannes im Visier. Unter anderem wurden die Telefone abgehört und das Haus des Kiefersfeldeners wurde durchsucht. Im April 2022 wurde die Angeklagte schließlich in Palma de Mallorca festgenommen.

Der Prozess am Traunsteiner Landgericht beginnt um 8.30 Uhr. Das Urteil wird am Donnerstag (30. März) erwartet.
chiemgau24.de wird aktuell aus dem Gerichtssaal berichten.

xe

Auch interessant

Kommentare