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Zahl der Bergunfälle so hoch wie noch nie – So war der Minister-Besuch auf dem Jenner

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Von: Kilian Pfeiffer

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Ministerielles Blutdruckmessen: Innenminister Joachim Herrmann (links) und Justizminister Eisenreich.
Ministerielles Blutdruckmessen: Innenminister Joachim Herrmann (links) und Justizminister Eisenreich. © kp

Innenminister Joachim Herrmann tippt auf seinem Smartphone. Doch er hat kein Internet, sagt er. In den Bergen ist das schlecht. Insbesondere, wenn man schnelle Hilfe über die Notfall-App „SOS-EU-Alp“ herbeirufen möchte, wie hier am Jenner, oberhalb des Königssees. Beim Treffen mit Justizminister Georg Eisenreich stehen die Bergunfälle daher im Vordergrund. Deren Zahl ist mit 55 im vergangenen Jahr im südlichen Oberbayern so hoch wie noch nie.

Schönau am Königssee - Der nächste Negativrekord bahnt sich derweil an: Im ersten Halbjahr seien 30 Tote zu verzeichnen, weiß Innenminister Herrmann. Seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009 reiht sich ein Negativrekord an den nächsten. Für Klaus Stöttner, 1. Vorsitzender des Bayerischen Kuratoriums für alpine Sicherheit, sind das alarmierende Zahlen. Mountainbiken und Bergsteigen lagen noch nie so im Trend. Man solle die „Gefahren der Alpen“ ernst nehmen, mahnt der Innenminister. Er wird bestärkt durch Justizminister Georg Eisenreich, der sagt: „Fehlverhalten in den Bergen kann sogar strafbar sein.“ 

Selbstüberschätzung als Hauptgrund

Trotz besserer Ausrüstung und trotz zahlreicher Möglichkeiten, sich über Bergtouren zu informieren, geraten Alpinsportler immer wieder in Situationen, die am Ende mit dem Leben bezahlt werden. „Nicht jede Tourenbeschreibung im Internet ist gut“, weiß Eisenreich. Apps gibt es viele. „Doch man muss sie bewerten können“, so der Justizminister. Selbstüberschätzung ist bei der Wahl der Touren der häufigste Grund, in eine Notfall-Situation zu geraten. 

Auch Beppo Maltan, Vorsitzender der DAV Sektion Berchtesgaden und in der Führungsriege des Deutschen Alpenvereins tätig, weiß um die Fehleinschätzungen mancher Bergbesucher Bescheid. „Wer wandert, geht zum Königssee, aber nicht auf den Berg“, sagt Maltan. „Wer im Steinernen Meer unterwegs ist oder auf den Watzmann steigt, ist ein Bergsteiger, kein Wanderer.“ Viele Beschreibungen im Internet geben Bergtouren aber als Wanderungen aus. Die Gefahr liegt da im Detail. 

„Die Vorbereitung und die persönliche Einschätzung sind das A und O“, verdeutlicht Justizminister Eisenreich.  

Zu wenige Alpinbeamte

80 ausgebildete Polizeibergführer und Alpinbeamte gibt es im Freistaat. „Zu wenige“, sagt Dr. Wolfgang Beckstein, leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Traunstein. Er übernimmt die Fälle, wenn nicht klar ist, wie ein Bergunfall zustande kam: Gab es Fremdverschulden? War der Tod altersbedingt? Liegt gar ein Mord vor? „Wir müssen klären, ob der Unfall allein verursacht war, es sich um einen Suizid handelt oder ein Fremdverschulden vorliegt“, sagt Beckstein. 

Fakt ist: So viel zu tun wie dieser Tage hatten die Alpinbeamten selten. Innenminister Herrmann will die Bayerische Polizei daher besser ausstatten. Ab kommendem Jahr wird es leistungsfähigere Polizeihubschrauber geben, acht Stück an der Zahl. Die Maschinen vom Typ Airbus H145 „können mit bis zu sechs Personen dann doppelt so viele Rettungskräfte oder Verletzte transportieren wie bisher“, weiß der Innenminister. Die Millioneninvestition ist gut gemeint, doch am eigentlichen Problem ändert es nichts. 

Nicht jeder Gipfel ist was für jeden

„Die Menschen müssen verstehen, dass nicht jeder auf jedem Gipfel etwas verloren hat“, sagt ein Bergwacht-Vertreter. Mit weiteren Hinweisschildern, von denen es im Alpingebiet sowieso schon viel zu viele gibt, käme man nicht weiter. „Hingegen bedeutet kein Schild, dass es nicht gefährlich sein könnte“, warnt Beckstein. 

Müssen Bergregionen künftig gesperrt werden? So weit denkt man in den Ministerien noch gar nicht. Vielmehr möchte man dort mit Aufklärungskampagnen und einfachen Regelwerken Einsicht schaffen. Die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) weiß um die Gefahren am Berg Bescheid. Vermehrte Unfälle, meist eigenverschuldet, zeigen den Bedarf an Aufklärung, weiß auch Sonja Schreiter, Fachberaterin im Chiemgau und im Berchtesgadener Land. Mit einfachen Regelwerken will man dort für ein besseres Miteinander am Berg sorgen. Auch der DAV hat ein Zehn-Punkte-Regelwerk für Bergsteiger ersonnen. Kuratoriumsvorsitzender Klaus Stöttner verweist auf die zehn Verhaltensregeln. Auch in den Ministerien wirbt man damit. 

Wenn alles nichts hilft und der Unfall passiert, kommt der Rettungshubschrauber. Dr. Klaus Burger, Regionalleiter der Bergwacht im Chiemgau, zeigt am Jenner, wie eine Rettung durchgeführt wird. Das Szenario: Ein Mountainbiker ist gestürzt und schwer verletzt. Der Polizeihubschrauber mit Alpinbeamten birgt den Verunfallten live bei einem Rettungswindeneinsatz.

Justizminister Eisenreich sagt: „Wir wollen, dass möglichst viele Menschen die Schönheit der Berge genießen können. Jeder sollte aber gut vorbereitet sein und eine Route wählen, die den eigenen Fähigkeiten entspricht.”

kp

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