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„Wissen, wohin wir wollen“ – So wird Marktschellenberg auf Vordermann gebracht

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Von: Melanie Fischer

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Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst
Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst im Rathaus der Gemeinde © Melanie Fischer

Nahversorger, Ärzte, Wohnraum, Parkplätze - all das hat Marktschellenberg im Moment nicht zu bieten. Noch nicht. Denn im ehemaligen Gasthaus Forelle soll ein neues Dorfzentrum entstehen. Auch das städtebauliche Entwicklungskonzept hat im Gemeinderat die nächste Hürde genommen. Im Gespräch mit BGLand24.de erklärt Bürgermeister Ernst, wie der aktuelle Stand ist und was genau nun angegangen wird.

Marktschellenberg - „Jetzt haben wir eine Richtschnur.“ Bürgermeister Michael Ernst ist froh, dass das Sanierungsgebiet nun festgelegt ist. Im Rahmen eines sogenannten ISEK mit VU sollen nun die Ortsmitte und auch der Umgriff am Passturm auf Vordermann gebracht werden.

Was ist ein ISEK mit VU?

ISEK mit VU steht für integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept mit vorbereitenden Untersuchungen. Ein ISEK ist die Voraussetzung für ein Städtebauförderungsprogramm und die Grundlage zur Förderung von Maßnahmen in einem Fördergebiet. Wichtig ist hierbei die ganzheitliche Betrachtung eines Ortes.

Das ISEK ist auf lange Zeit angelegt

Bereits vor acht Jahren hat die Gemeinde einzelne Bereiche durchleuchtet, die sanierungsbedürftig sind. 2020 wurde das Stadtentwicklungskonzept per Beschluss gestartet. Weitere Untersuchungen wurden im Ortskern gemacht. Im zweiten Halbjahr 2022 fanden dann die Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung statt, die laut Bürgermeister sehr gut angenommen wurden: „Das hat mich wahnsinnig gefreut und es ist ein hervorragender Austausch gewesen. Wir haben viel Input gekriegt und wir konnten auch nach außen darstellen, was wir vorhaben.“

Das ISEK ist auf zehn bis 15 Jahre angelegt. Manch einem Bürger ist das zu lang. Ernst gibt zu bedenken, dass viele Faktoren hineinspielen. „Es sind auch Bereiche betroffen, die nicht der Gemeinde gehören wie etwa die Bundesstraße. Wir müssen Genehmigungen einholen und uns mit anderen Trägern und Behörden abstimmen. Das nimmt viel Bearbeitungszeit.“

Trotz des Mehraufwands und der langen Laufzeit sieht der Bürgermeister in dem Konzept eine große Chance. „Alle Themenblöcke kommen jetzt zusammen. So kann man alles aufeinander abstimmen und übergreifend regeln und macht das nicht stückerlweise.“ Unterstützt wird das Projekt von der Planerin Martina Schneider aus München. „Mit ihr haben wir ganz viel Glück gehabt. Wir haben ihr da völlig freie Hand gelassen“, sagt Ernst.

Die ersten Projekte gehen nun an den Start

Der Hochwasserschutz ist bereits in der Projektierung: „Wir haben momentan die glückliche Situation, dass viele Projekte nicht direkt von der Gemeinde selbst getragen werden. Den Hochwasserschutz übernimmt der Freistaat. Nach dem Julihochwasser 2021 gab es eine Initiative und wir sind dabei berücksichtigt worden. Der ist auch dringend notwendig“, so Ernst.

Marktschellenberg
Die Bundesstraße links teilt den Ort in zwei Teile. In der Mitte befindet sich das ehemalige Gasthaus Forelle. Durch die Hanglagen und die Berchtesgadener Ache ist der Ort von Hochwasser bedroht. © Melanie Fischer

Auch die Bundesstraßenbrücke wird erneuert. Der Anschluss muss dann an die vorhandenen Straßen passen. Frühester Beginn für die Brückensanierung ist 2024. Ernst hat in Kürze einen Termin mit dem Staatlichen Bauamt zu dem Thema. Die Bundesstraße teilt den Ortskern in zwei Teile. „Man kann sie nicht einfach weg radieren, aber man kann andere Varianten zum Übergang finden, man kann sie etwa verschmälern. Das würde auch eine Auswirkung auf die Wahrnehmung, die Geschwindigkeit und den Lärm haben.“ In dem Zusammenhang werden auch der Ausbau der Radwege und die Verlegung der Bushaltestellen näher ans Zentrum überdacht.

Wie weit ist der Umbau des Gasthauses Forelle?

Das ehemalige Gasthaus Forelle saniert der Einheimische Thomas Schweiger selbst. Die Gemeinde gestaltet hierbei den Vorplatz. „Wir haben unseren alljährlichen Schellenberger Kirtag. Der muss funktionieren. Das ist ein fixer Termin, und das ist mir auch ganz wichtig. Da könnten wir mit den Planern in Konflikt geraten, wenn sie dort Stufen haben wollen. Denn am Kirtag stehen da Marktstände.“

Schweiger arbeitet im Moment an der Baugenehmigung. „Dann liegt es an ihm, wann er die Ausschreibung macht und Angebote einholt. Wir unterstützen, wo wir können“, sagt der Bürgermeister. Die Umgestaltung erweist sich aber schwieriger als vermutet. Geplant sind 24 Senioren-Wohnungen, eine öffentliche Toilette, ein kleiner Supermarkt, ein Friseur, ein Bistro und auch endlich wieder eine Arztpraxis für den Ort. Das Problem: Es sind Denkmäler wie die Pfarrkirche, der Marktbrunnen und auch das ehemalige Gasthaus Schafferwirt in der Nähe. Dadurch kam es zu Kollisionen mit den Fachbehörden. Auch herrscht bei den Planungsbüros Hochkonjunktur, was zu Verzögerungen führt. „Ich freue mich, wenn er loslegt und das ganze Bürokratische vom Tisch ist.“

Auch wenn die Versorgung durch den Bau am Gasthaus Forelle besser gewährleistet sein wird, bleibt das Gaststättenproblem. 2020 hat nach kaum vier Monaten Betrieb die neue Gaststätte im Ort aufgrund des Lockdowns geschlossen und nicht mehr geöffnet. Das hält zum einen Touristen fern, aber auch Einheimische, denn Vereine brauchen ein Lokal als zentralen Treffpunkt.

Brennpunkt Salzburger Straße

Die Salzburger Straße ist das Sorgenkind der Gemeinde. Das Projekt steht in der Planung ganz oben. Beim verheerenden Hochwasser im Juli 2021 hat es die Straße stark erwischt. Die Sanierung steht noch aus. Nicht nur der Oberbau ist betroffen, sondern es sind auch noch Reste von Schlamm in den Entwässerungsanlagen.

Die Salzburger Straße in Marktschellenberg
Die Salzburger Straße ist derzeit die dringlichste Baustelle der Gemeinde. © Melanie Fischer

Außerdem liegen die Grundschule und Kindergärten an der Straße. Daher soll sie verkehrsberuhigt werden und einen sicheren Zugang für die Kinder gewährleisten. „Wir haben uns drei Grundkonzepte überlegt und warten dann die Rückmeldung ab. Wir haben die Ideen der Bürger auch in die drei Varianten eingearbeitet. Dann geht es weiter mit der Planung und der Einreichung von Fördermitteln“, so Ernst. Auch gilt es noch, etwas dafür zu tun, dass Leerstände beseitigt werden. Privatbesitzer hätten die Möglichkeit, über das Sanierungsgebiet steuerliche Förderungen zu erhalten, die durchaus lukrativ sind.

Weitere Aspekte des ISEKs

Das ISEK umfasst noch viele weitere Bereiche: So soll etwa die Stellplatzsituation verbessert werden. Auch ein Anschluss an die Fernwärme wird erwogen. Der Wehrturm könnte attraktiver werden, indem man ihn öffentlich zugänglich macht.

Immer wieder taucht als große Schwierigkeit die alpine Lage des Ortes auf. Für Gewerbe gibt es wegen der Enge des Tals und der Hanglagen kaum Flächen, die ausgewiesen werden könnten. Zusätzlich kommt hier das Anbindegebot an eine Siedlung in die Quere. Ernst bedauert: „Wir hätten die ein oder andere Fläche, die geeignet wäre, aber die haben keine Siedlungsanbindung. Wir sind mit der Regierung von Oberbayern in Kontakt. Da sind Ausnahmen durchaus denkbar. - In Einzelfällen unter ganz strengen Kriterien.“

Eine Studie rechnet für Marktschellenberg mit 200 mehr Einwohnern bis 2035. Den meisten Einwohnern stehen derzeit mehr als vier Zimmer Wohnfläche zur Verfügung. Mit dem Senioren-Wohnen im Gasthaus Forelle sollen größere Wohnungen für Familien frei werden. Zusätzlich ist eine Art Einheimischenmodell in der Endphase. „Wir stehen kurz vor der Vergabe und versuchen, mit sehr verträglichen Grundstückspreisen eine Basis für junge Familien zu schaffen.“

Der nächste wichtige Termin ist für Bürgermeister Ernst ein Gespräch mit dem Denkmalamt Ende April. Hier soll es vor allem um den Ensembleschutz in der Salzburger Straße und um die Anbringung von PV-Anlagen gehen. Bei solch einem großen Konzept gehe es auch darum, bereit zu sein, auch wenn es hin und wieder Verzögerungen gibt: „Wie geht es der Wirtschaft, wie ist das Steueraufkommen, was macht der Staat? Vielleicht wird auch mal ein Jahr bei der Städtebauförderung ausgesetzt. Wir müssen jetzt fleißig planen, dass man alles schon in der Schublade hat, wenn es los geht. Wir wissen jetzt auf jeden Fall, wo wir hin wollen.“

mf

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