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Kurklinik Stanggaß: Lokalpolitiker drängen auf Wohnbebauung statt Luxushotel

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Von: Kilian Pfeiffer

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Kurklinik Stanggass Bischofswiesen
Das Gelände der Kurklinik Stanggaß liegt brach. © kp

Bischofswiesen – Seit Jahrzehnten liegt die Kurklinik Stanggaß auf rund 66000 Quadratmetern Grund brach. Der Plan, daraus ein reines Luxushotel zu machen, verfolgt Eigentümer René Wilms nicht mehr: “Die Zeiten haben sich gewandelt”, sagt er im Gespräch.

Er kündigt an, über konkrete Absichten sprechen zu wollen. Lokalpolitiker fordern indes eine Wohnbebauung auf der Bestlage. Alles andere sei wenig zeitgemäß und mit weiteren Problemen verbunden, sagten sie bei einer Infoveranstaltung in Stanggaß.

Die marmornen Treppen sind mit Hämmern zerdroschen worden, in der Kurklinik Stanggaß haben Jugendliche jahrelang gewütet - trotz Bauzauns, der das riesige Gelände in einen scheinbaren Hochsicherheitsbereich fasst. Anfang der 2000er-Jahre hat ein Investor den knapp 200 Meter langen Nazibau, 6000 Quadratmeter groß, aus den 1940er-Jahren dem Freistaat Bayern abgekauft. Mehrere Planungen gab es auf dem Grundstück des einstigen Dietrich-Eckart-Krankenhauses. Eckart war Förderer un Türöffner für Hitler in Berchtesgaden. 

Auf YouTube kursieren Videos: Computersimulationen zeigen luxuriöse Zukunftsbauten. Immerzu sollte aus der Kurklinik mit dem weitläufigen Areal etwas Großes werden, der Filetlage entsprechend. Hinzu kommt: Der Ortsteil Stanggaß in Bischofswiesen gilt als Pflaster für Gutsituierte. Viele Villen und die meisten Zweitwohnungen des Berchtesgadener Talkessels finden sich dort. Die Kurklinik war Dauerthema, ist und wird auch Dauerthema bleiben. 

Eine Gruppe Lokalpolitiker aus Bischofswiesen hinterfragt die Planungen auf dem Grundstück. Die Zeiten hätten sich gewandelt. Bau- und Wohngrund im Talkessel gibt es so gut wie nicht mehr. Und wenn: Ist er teuer wie nie zuvor. Einer der Politiker ist Dr. Bartl Wimmer, Unternehmer und seit vergangenem Jahr selbst Hotelier in unmittelbarer Nähe zur Kurklinik. Wimmer befindet sich in einer verzwickten Lage: Als Vorsitzender des touristischen Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden müsste er sich glücklich schätzen über die Absicht, dass ein weiteres Hotel Gäste lockt. Wimmer ist aber auch grüner Kreistagsfraktionssprecher und Privatperson. In dieser Rolle spricht er und sagt: “In acht Jahren werden uns im Talkessel über 1000 Wohnungen fehlen.” 

„Man muss das, was drin steht, ernst nehmen“

Wimmer hat die Sozialraumanalyse des Landkreises studiert. “Man muss das, was drin steht, ernst nehmen”, sagt er. 34000 Arbeitsplätze gibt es. In den kommenden Jahren werden 13000 Personen in Ruhestand gehen. Ein Drittel der Wertschöpfung wäre dann weg. Natürlich wollen die Alten im Landkreis wohnen bleiben. Für neue Arbeitskräfte, für Zuwanderer und Junge, die im Berchtesgadener Land ihre Zukunft planen, bleibt wenig Platz, um zu leben. 

“Es ist letztlich Aufgabe und Auftrag der öffentlichen Gremien, nun zu handeln”, sagt er. Die genannten Zahlen seien erschütternd. Eine solche Situation habe es noch nie gegeben, ist sich der gebürtige Berchtesgadener, der es mit dem Verkauf des weltweit agierenden Labordienstleisters Synlab zu viel Geld brachte, sicher. Nicht nur Wimmer sagt, dass Wohnraum fehlt: Auch seine Mitstreiter Paul Grafwallner, der Bischofswieser Grünen-Gemeinderat Michael Sturm und Michael Wittmann, ebenfalls Grüner, sehen für eine einstmals angekündigte “Luxushotellerie” im beschaulichen Bischofswiesen nur wenig Zukunft. Der Fachkräftemangel würde solche Pläne zunichte machen. Hinzu kommt: Eine Wohnsituation für all die Mitarbeiter sei derzeit nicht vorstellbar. 

Der Kurklinik-Eigentümer René Wilms sagt auf Anfrage: “Es ist richtig, dass die Kommunikation über unser Projekt in der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren nicht optimal war.” Das wolle er nun ändern, kündigt er an. Seit Corona habe sich an den Plänen des Megaprojekts viel verändert. Der Gemeinderat hatte in einer kürzlich stattgefundenen Sitzung beschlossen, dass bis Ende November ein Zeitplan und konkrete Unterlagen für das Vorhaben vorzulegen seien. Die Gruppe Lokalpolitiker macht Druck, den vorhabensbezogenen Bebauungsplan von 2015 aufzuheben. René Wilms bestätigt auf Anfrage, die Kurklinik erst im Jahr 2019 gekauft zu haben. Undurchsichtig sind bislang die Eigentumsverhältnisse in der Causa. Auch dahingehend möchte René Wilms, der im Internet als “Founder and CEO of Unique Hotels & Resorts” geführt wird, Klarheit schaffen.

Gemeinderat Michael Sturm räumt ein, dass seine Partei den Hotel-Planungen im Jahr 2015 zugestimmt habe: “Aber die Situation war damals eine andere”, sagt er. Die Preise seien verhältnismäßig und in überschaubarem Maße Baugrund vorhanden gewesen. Jetzt herrschten Verhältnisse wie nie zuvor. Bezahlbares Wohnen schwebt ihm deshalb im Sinn. Hunderte Wohnungen wären auf dem riesigen Grund der Kurklinik möglich, so viel ist sicher.

„Fläche schreit nach bezahlbarer Wohnbebauung“

“Die Fläche schreit nach bezahlbarer Wohnbebauung”, sagt auch Paul Grafwallner von der Unabhängigen Bürgervereinigung Bischofswiesen (UBB). Trotz Bestlage seien Mieten von zehn Euro pro Quadratmeter möglich, prognostizieren die Vertreter aus der Lokalpolitik. Die Gemeinde müsste an den Verhandlungstisch mit dem Eigentümer, fordert Gemeinderat Grafwallner. Und auch Bartl Wimmer ist sich sicher, dass eine Wohnbebauung nur dann möglich wäre, wenn sich das Projekt und der Grund in öffentlicher Hand befänden. Das Wohnbauwerk Berchtesgadener Land scheide bei einer solchen Größe aus. 

Doch ist der Eigentümer überhaupt bereit zum Verkauf? Wieso sollte er die 1A-Lage abstoßen? Wer soll die mindestens zweistellige Millionensumme für das Riesenareal am Ende zahlen? Viel zu viele Unbekannte existieren. Laut Bischofswiesens Bürgermeister Thomas Weber arbeitet der Eigentümer im Hintergrund. Der Gemeinde drohe Schadensersatz in siebenstelliger Höhe, der für die Vorleistungen angefallen sei, wenn man den Bebauungsplan sofort aufheben würde. 

Austausch hinter verschlossenen Türen

Der Austausch untereinander wird hinter verschlossenen Türen geführt. Tatsache ist: Die Gemeinde Bischofswiesen befindet sich in regelmäßigem Kontakt zu René Wilms und den beteiligten Firmen, wird aus Gemeindekreisen bestätigt. “Wir brauchen eine Konzeption für den gesamten Talkessel” fordert Wimmer. Mut, Kraft und eine klare Vision seien notwendig, um das Übel des sukzessive steigenden Wohnraummangels abzuwenden.

Dass die Talkesselgemeinden den künftigen Wohnraumbedarf seit Jahren nicht im Blick hatten und es bislang versäumten, tätig zu werden, ist kein Geheimnis und wird aus den Oppositionsparteien kritisiert.

Kritik gab es auch aus der Zuhörerschaft: “Wieso wurde René Wilms nicht eingeladen, um sich zu äußern”, fragte ein Zuhörer. Er hätte kommen können, heißt es. Eingeladen sei er nicht gewesen, heißt es. Nicht gelöst sei das Verkehrsproblem im Berchtesgadener Talkessel, sagte eine Frau. Solange es hier keine Lösungen geben, spreche sie sich gegen jegliches Hotelprojekt aus. Zuhörer Christian Grassl regte an, mit den Beteiligten und dem Investor endlich in Austausch zu gehen. Die Besitz- und Eigentumsverhältnisse der Kurklinik gehörten öffentlich geklärt, forderte der ehemalige Gymnasialdirektor Otto Kamplade, der unweit der Kurklinik wohnt.

Ein städtebauliches Konzept im öffentlichen Grundbesitz ist für Bartl Wimmer die einzige Möglichkeit, zu einer Lösung zu kommen. René Wilms möchte indes für Klarheit sorgen und schon bald die seit Jahren gediehene aktuelle Planung vorstellen.

kp

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