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Insula setzt auf diese Pfleger – weil „Fachkräftemangel zum Sicherheitsrisiko wird“

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Von: Kilian Pfeiffer

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Nguyen Manh Cuong (links) und Pham Hoang Anh sind vor mehr als zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Motiviert haben sie Deutsch gelernt. Schon bald sind sie ausgebildete Pflegefachmänner.
Nguyen Manh Cuong (links) und Pham Hoang Anh sind vor mehr als zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Motiviert haben sie Deutsch gelernt. Schon bald sind sie ausgebildete Pflegefachmänner. © kp

Knapp 12.000 Kilometer liegen zwischen Nguyen Manh Cuong und Pham Hoang Anh und ihrem Heimatland Vietnam. Die beiden 23-Jährigen arbeiten in der „Lebenswelt Insula“ in Bischofswiesen. Sie sind Teil eines Projektes, mit Hilfe dessen das Diakoniewerk Hohenbrunn Mitarbeiter aus dem Ausland anwirbt, ausbildet – und so dem Mangel an Arbeitskräften entgegenwirken möchte. 

Bischofswiesen – Nguyen Manh Cuong lächelt. Er ist ein bisschen aufgeregt. Interviewt wurde er noch nie. Auf Deutsch erst recht nicht. In die Sprache haben er und sein gleichaltriger Kollege Pham Hoang Anh viel Zeit investiert: hören, lesen, sprechen, schreiben. Seit zweieinhalb Jahren bestimmt Deutsch ihr Leben und ist gleichzeitig Voraussetzung für ihren künftigen Beruf als Pflegefachmann. Das B1-Sprachniveau hat das Duo bereits erreicht. Aktuell bereiten sie sich auf B2 vor. „Wir müssen noch besser werden“, sagt Pham Hoang Anh. Mit dem Abschluss sind sie in der Lage, auch komplexere Texte zu verstehen und bei abstrakten Themen die Hauptinhalte aufzugreifen. 

Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, „fiel sehr schnell“

Die beiden haben ihre Schulausbildung in Vietnam absolviert. Nguyen Manh Cuong stammt aus Hai Duong. Eigentlich wollte er nach dem Abitur nach Japan, dort hat er Bekannte. Im Internet las er eine Anzeige für eine Pflegeausbildung in Deutschland. „Ich habe mit meinen Eltern gesprochen. Die Entscheidung, dorthin zu gehen, fiel dann sehr schnell“, sagt er. Pham Hoang Anh wurde von einem Vertreter einer Firma in der Schule angesprochen, die Auslandsausbildungen vermittelt. Das Interesse seinerseits war groß. Den Plan, Medizin zu studieren, schob er erstmal beiseite: „Ist wahrscheinlich zu schwierig für mich“, sagt er. „In Deutschland ist die Ausbildung außerdem kostenlos, bei uns nicht. Wir haben hier viel mehr Möglichkeiten“, so Pham Hoang Anh.

Bischofswiesen hat erkannt: Ohne Migration wird es nicht mehr funktionieren

Rocco Eidam ist der Einrichtungsleiter der Insula. 260 Angestellte arbeiten hier, kümmern sich in der „Lebenswelt“ um Senioren, Kinder und Jugendliche. Es gibt eine beschützende Abteilung für Demenzkranke, stationäre und teilstationäre Altenhilfe, Kindergarten und -tagesstätte.

Eidam, zertifizierter Sachverständiger für Pflegesektoren, sagt, dass man in Bischofswiesen recht schnell erkannt habe, dass es ohne Migration in Zukunft nicht funktionieren werde. Was an Mitarbeitern derzeit nachkommt, ist überschaubar. Viele Positionen lassen sich nur schwer nachbesetzen. Im vergangenen September stammten von sieben neuen Auszubildenden sechs nicht aus Deutschland. „Der Mangel wird zunehmend zum Sicherheitsrisiko“, sagt Rocco Eidam.

Mit steigender Lebenserwartung in Verbindung mit dem Arbeitskräftemangel sei die Pflege in Zukunft sogar in Gefahr. Vor mehr als drei Jahren knüpfte das Diakoniewerk Hohenbrunn Kontakte zu einer Firma, die potenzielle Mitarbeiter aus dem Ausland vermittelt. „Wir waren da recht früh dran“, sagt der Einrichtungsleiter. Im Vorfeld wurden Nguyen Manh Cuong und Pham Hoang Anh zu ihren Erwartungen befragt und auf die Ausbildung vorbereitet. Ausbildungsverträge wurden verfasst.

„Unser Vorteil ist: Wir haben den Platz, Mitarbeiter bei uns auf dem Gelände unterzubringen“, sagt Rocco Eidam. Die Insula ist ein Campusgelände mit etlichen Häusern, auch ein Schülerwohnheim gehört dazu. Mitarbeiter aus dem Ausland erfordern Betreuung und vor allem viel deutsche Bürokratie: die Verlängerung eines Visums, Amtsbesuche, Sperrkonten bei der Bank. Integration ist das A und O, sagt Rocco Eidam. Integrationsbeauftragte unterstützen Nguyen Manh Cuong und Pham Hoang Anh bei ihrer Ausbildung, die insgesamt drei Jahre dauert.  

Der bairische Dialekt macht ihnen noch zu schaffen

Bianka Sauerwein ist die Praxisanleiterin der beiden. Sie sagt: „Ich finde es unglaublich mutig, dass die beiden den Schritt gewagt haben.“ Ob sie es selbst gemacht hätte, weiß sie nicht. Die generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann dauert insgesamt drei Jahre. Die 23-jährigen auszubildenden Vietnamesen lernen dabei die nötige Theorie für die unterschiedlichen Arbeitsfelder. 2100 Stunden sind dafür vorgesehen. Die Praxiseinheiten erfordern weitere 2500 Stunden. Nguyen Manh Cuong und Pham Hoang Anh müssen unter anderem Pflichteinsätze in der Altenpflege, in der Klinik und in der Mobilen Pflege mit jeweils 400 Stunden durchlaufen. Zudem kommen Pädiatrie, Psychiatrie, Nachtdienste und Hospizbesuche.

Nguyen Manh Cuong und Pham Hoang Anh kamen mit 23 weiteren Vietnamesen nach Deutschland, zu Beginn der Corona-Pandemie. „Eine schwierige Zeit“, sagen sie rückblickend. Ein Jahr des Home-Schoolings: kein guter Beginn, um Land und Leute persönlich kennenzulernen. Sie hatten viel Zeit, Deutsch zu lernen und sind auf einem guten Stand, finden auch die Ausbilder.

Natürlich vermissen die beiden ihre Heimat. Pham Hoang Anh sagt: „Ich war seit meinem Start in Deutschland nicht mehr zuhause.“ Nguyen Manh Cuong hat den Urlaub im vergangenen Sommer genutzt und seine Familie besucht. Es war ein Wiedersehen nach mehr als zwei Jahren. „Das war schön.“ Mittlerweile haben sich die jungen Pfleger aber gut im Wunschland zurechtgefunden, auch wenn ihnen der bairische Dialekt noch zu schaffen macht. Im tiefsten Oberbayern Deutsch zu lernen: „Das ist nicht immer einfach.“ Beide haben ein Smartphone und stehen regelmäßig mit der Heimat in Verbindung, sagt Nguyen Manh Cuong. 

Traditionelle Gerichte für die Kollegen

Die Ausbildung sei fordernd, es ist viel Arbeit. Aber die nehmen sie auf sich. Anschluss haben sie bereits gefunden, sie erkunden Berchtesgaden zu Fuß, mit dem Bus. Bahn sind sie schon häufig gefahren. Für die deutschen Mitarbeiter kochen sie manchmal traditionelle Gerichte, Pho etwa, eine landestypische Suppe der vietnamesischen Küche. „Und unseren Reiscake“, fügt Nguyen Manh Cuong an – und freut sich über den Zuspruch. „Der bleibt am Teller kleben, schmeckt aber sehr gut“, sagt Einrichtungsleiter Rocco Eidam. 

Ist Deutschland Nguyen Manh Cuongs und Pham Hoang Anhs Zukunft? „Erst einmal die Ausbildung abschließen“, sagt der junge Mann aus der Provinz Quang Binh. „Wenn ich als Fachkraft in Deutschland arbeiten kann, möchte ich erstmal bleiben und Erfahrung sammeln“, sagt sein Kollege. Mit der Ausbildung in Deutschland stehen ihnen die Türen offen. Bei der Insula hofft man, die motivierten Vietnamesen halten zu können, sagt Rocco Eidam. In Zeiten wie diesen sei jede Fachkraft ein wichtiges Zahnrad im großen Gefüge. 

kp

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