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Geschäftsleute: "Das alles hier ist existenzgefährdend!"

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© Kilian Pfeiffer

Bischofswiesen - Die Geduld der Geschäftsinhaber an der Hauptstraße ist am Ende, seit einem halben Jahr sorgt eine Großbaustelle im Ort für Unmut. "Das alles hier ist existenzgefährdend", sagt Ömer Yildiran, der den letzten verbliebenen Lebensmittelladen betreibt.

Auch die Geschäfte von Café-Betreiberin Ingrid Moderegger laufen schlecht. Und beim örtlichen Gasthaus hat man jetzt auch noch kurz vor Ostern den Fußgängerweg samt Eingangstreppe weggerissen. Und die Bischofswieser? Die schimpfen. Das mag auch an der mangelhaften Informationspolitik der Gemeinde liegen. Ein Besuch. 

Die Hauptstraße von Bischofswiesen ist viel befahren. Bis zu 15.000 Fahrzeuge pro Tag sind hier unterwegs. Zu den Stoßzeiten in der Früh und am späten Nachmittag ist die Hölle los. Die Hauptstraße ist gleichzeitig ein Teil der Bundesstraße 20 (B20), eine Durchfahrtsstraße, mit angrenzenden Geschäften. Bis vor einem halben Jahr war auch alles gut

Bis jene Baustelle startete, die mittlerweile überregional Bekanntheit erlangt hat. Seit Monaten ist der Verkehr in der 7500-Einwohner-Gemeinde das Thema Nummer eins. Jeder, der von Berchtesgaden nach Reichenhall will, muss durch, vorbei an einer Baustelle, die auf mehreren hundert Metern stattfindet und in unregelmäßigen Abständen Ampelschaltungen mit sich bringt, die wiederum kilometerlange Staus nach sich ziehen. Die dort umgesetzte Stützmauersanierung dauert länger als erwartet. 

Man hat uns von Anfang an im Ungewissen gelassen“, sagt Ömer Yildiran. Von maximal ein, zwei Monaten war er ausgegangen, jetzt zieht sich das Ganze schon über ein halbes Jahr und soll weitere zwei Monate dauern, wenn es nach den Baustellen-Verantwortlichen geht. Das Problem ist, dass die Kunden ausbleiben. Denn die Ampelschaltungen haben lange Staus zur Folge, die wiederum die Einfahrten zu den Geschäften blockieren. „Niemand möchte sich das antun“, sagt Yildiran. Dass die Stützmauer zur nebenan fließenden Ache erneuert werden müsse, „ist mir schon klar“, sagt er. Allerdings seien die Ausmaße „unverhältnismäßig“. „Die Verantwortlichen haben hier schlichtweg falsch kalkuliert und uns Händler dabei vergessen.“ 

Erste Entlassungen

Yildiran hat mittlerweile Teile des Personals ausstellen müssen, da ihm die Kosten über den Kopf wachsen. „Die Menschen meiden Bischofswiesen und fahren einfach woanders zum Einkaufen.“ Aus Yildiran spricht die Verzweiflung. Denn ob er seinen Lebensmittelladen weiterführen kann, steht noch nicht fest. „Ich arbeite 12 bis 16 Stunden am Tag“, sagt er. „Für wen eigentlich? Für die Baustelle?“ 

Auch Karl Bittner, der an der Hauptstraße ein Sportgeschäft betreibt, ärgert sich über die ständigen Staus. „Das Geschäft ist deutlich eingebrochen“, sagt er. Mehrere Unfälle habe es in direkter Nachbarschaft bereits gegeben. „Wenigstens an einen Spiegel hätten sie denken können, damit die Übersicht gewahrt ist.“ Dass deutlich weniger Kunden kämen, sei der unglücklichen Baustellensituation und den vielen Staus geschuldet. „Jeder, der kann, umfährt den Ort.“ Die Händler seien die Leidtragenden, „viele haben dran zu knabbern, für einige ist die Situation existenzgefährdend. Ganz davon abgesehen, dass die Kleiderständer vor seinem Geschäft ständig voll mit Staub seien. Die Anwohner hätten regelrecht „Bedenken, noch auf die Straße zu gehen.“  Sein Geschäft führt Bittner hier seit mehreren Jahrzehnten. In vier Monaten möchte er in Ruhestand gehen. Seine Prognose für die Bischofswieser Hauptstraße: „In zehn Jahren gibt es kaum noch Geschäfte.“ 

Für den Ort, der schon seit jeher ein Durchgangsort war, mag das nicht gut klingen. In Bischofswiesens kleiner Postfiliale ist Jakob Renoth der Verantwortliche. Und obwohl die Leute ihre Briefe und Pakete weiterhin vorbeibringen, seien die letzten Monate spürbar schlechter verlaufen. „Der Dezember war der schlechteste seit 17 Jahren, seitdem ich hier bin“, sagt Renoth. Summa summarum 1.000 Postkunden weniger. „Das ist nicht gut.“ Die Leute würden andere Postfilialen anfahren oder erst gar nicht durch Bischofswiesen fahren. „Niemand will im Stau stehen und Zeit vergeuden, weil er nicht mehr auf die Straße fahren kann“, sagt Renoth. 

Kunden bleiben überall aus

Bei der örtlichen Physiotherapiepraxis sagen Kunden ihre Termine ab – wegen der Ampeln. Beim Autohändler um die Ecke spürt man ebenfalls einen deutlichen Geschäftsrückgang, da Reparaturen einfach gleich woanders durchgeführt würden. Und auch Apotheker Matthias Häuser von der St. Georg Apotheke spricht von „erheblichen Einbußen“. In der Tat liegt dessen Apotheke an einem ungünstigen Ort, mitten im Baustellengebiet. Nur über eine schmale Zufahrt kann man auf den Parkplatz einbiegen. Fußgänger kommen derzeit gar nicht zur Apotheke – weil die Fußgängerwege gesperrt sind oder komplett fehlen. Kunden lassen sich derzeit generell wenige blicken. „Die Leute wissen seit Monaten nicht, wann es sich durch den Ort wieder staut und wann nicht“, sagt Häuser. 

Ähnlich aussichtslos scheint momentan auch die Situation bei Ingrid Moderegger, die ein kleines Café an der Hauptstraße führt. Kein einziger Gast ist da. „Das ganze Jammern hilft nichts“, sagt sie. Dabei hätte sie viel zu klagen. Denn die saftigen Torten hinter der kleinen Theke sind beinahe unberührt. „Laufkundschaft kommt so gut wie nie.“ Den Geschäftsleuten werde momentan viel zugemutet, ein Ende ist nicht in Sicht. Lediglich auf ihre Stammkunden kann Moderegger dieser Tage noch zählen, die Kuchen holen oder auf einen Kaffee vorbeischauen. 

Gehweg und Treppe weg

Schwer getroffen hat es auch die neuen Besitzer der Traditionsgaststätte „Brenner Bräu“. „Wir haben im Oktober angefangen“, sagt Katarina Sporkova, „fast zeitgleich mit der Baustelle.“ Sporkova fühlt sich alleingelassen, denn die Mitteilungen der Gemeinde über die Baustellenentwicklung und mögliche Ampelschaltungen bleiben aus. Kurz vor Ostern, für das man sich viele Kunden erwartet hatte, wurde vor der Gaststätte der gesamte Gehweg entfernt, inklusive Treppenaufgang. Nur noch über den angrenzenden Parkplatz, der über Monate als Baustellenlagerplatz verwendet worden war, können Gäste die Gaststätte betreten. „Leute im Rollstuhl haben keine Chance“, ergänzt sie. Sporkova fühlt sich nicht gehört, „die von der Gemeinde sagen einfach gar nichts.“ 

Auch die Bischofswieser Bürger sind verärgert wegen der Baustelle. Zeitgleich wurde das alte Rathaus abgerissen, Dutzende Lkw-Transporte mussten den Schutt beseitigen. „Manchmal fragt man sich schon, ob die Veranwortlichen überhaupt wissen, was sie tun“, sagt eine ältere Dame mit Rollator. „Die Gehsteige sind miserabel, eigenständig kann ich nicht mehr einkaufen gehen“, sagt sie. 

Kommunikation gestaltet sich schwierig

Seitens der Gemeinde lässt man auf Nachfrage wissen, dass alle Geschäftsinhaber immer rechtzeitig über Ampelschaltungen informiert sind. „Sofern wir ebenfalls informiert wurden“, sagt die Gemeindemitarbeiterin. Dass die Kommunikation aber generell schwierig ist, viele Fehler gemacht wurden, man sich bei den Geschäftstreibenden im Stich gelassen fühlt, „das ist nicht von der Hand zu weisen“, sagt Ömer Yildiran. Mehr Unterstützung habe man sich schon erwartet, selbst in finanzielle Hinsicht. „Was hat die Gemeinde davon, wenn die Straße wieder schön ist, aber die Geschäfte schließen?

Kilian Pfeiffer

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