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Berufssoldat (31) gegen Buttnmandl (26): Ungewöhnlicher Gerichtsstreit geht in die Verlängerung

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Buttnmandl
Über die Wiese geht es für die Buttnmandl talwärts in Richtung Häuser. Mit großen Glocken, die unablässig bimmeln, begleiten die wilden Gestalten den Nikolaus bei seinen Besuchen in den Familien. (Symbolfoto) © picture alliance/dpa | Kilian Pfeiffer

Hat der 31-jährige Berufssoldat den „Gankerl“ im Fellgewand vor ihm bewusst angefahren, wie die Anklage behauptet, oder ist ihm das Buttnmandl von rechts in seinen VW-Bus gesprungen? 

Berchtesgaden/Laufen - Unstrittig war am Laufener Amtsgericht, dass der Soldat anschließend einfach weitergefahren war. Ein Strafbefehl wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Körperverletzung und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte auf 10.500 Euro gelautet. Gegen den hatte der Soldat und sein Verteidiger Einspruch eingelegt. Nach dreistündiger Verhandlung wurde das Verfahren unterbrochen. Es gibt zwei weitere Termine und ein Gutachter soll das Geschehen beurteilen.

Berufssoldat soll Gankerl in Berchtesgaden angefahren haben

Es war bereits dunkel am frühen Abend des 5. Dezember 2021, als die 20-köpfige Buttnmandl-Bass die Berchtesgadener Bahnhofstraße in Richtung Sunklergäßchen queren wollte. Dafür wies einer der „Gankerl“ den Verkehr bei der Bavaria-Kreuzung an. Darunter den aus Richtung Salzburg kommenden Berufssoldaten. Der war der Weisung auf eine gepflasterte Sperrfläche auszuweichen, zunächst auch gefolgt, dann aber doch weitergefahren.

Ab hier wichen die Schilderungen in wichtigen Teilen voneinander ab.

Der angeklagte Fahrer will urplötzlich einen „dumpfen Schlag“ gegen seinen VW wahrgenommen haben. „Da hing einer an meinem Außenspiegel und schlug vehement an die Windschutzscheibe.“ Warum er dann nicht stehengeblieben war? Weil er schon Erfahrung habe mit betrunkenen Buttnmandln und er eine Eskalation habe vermeiden wollen. Die drei Zeugen des Bass hatten die Geschichte anders erlebt.

Gankerl schildert Vorfall: „Ich hatte keine Chance“

Darunter der Nikolaus, der über den „Gankerl auf der Motorhaube“ entsetzt war. Dieser 26-jährige Gankerl schilderte, wie er den Fahrer mit ausgestreckten Armen zum Anhalten habe bewegen wollen. „Doch der gibt Gas und fährt auf mich zu. Ich hatte keine Chance, auszuweichen“, erklärte er seinen Griff an die Oberkante der Motorhaube, von wo er dann gegen die Scheibe geschlagen hatte, ehe er sich über die Beifahrerseite abrollte und zu Boden stürzte. Die Verstauchung der linken Hand will er unter Schock erst später bemerkt haben.

Bei diesem Umstand bohrte Rechtsanwalt Andreas Leicher mehrmals nach: „Erst vier Stunden später melden sie es der Polizei.“ Die Geschichte seines Mandanten mit schlechtem Licht, Blendung durch den Gegenverkehr und regennasser Fahrbahn erschien dem Verteidiger „nicht lebensfremd“. Im Übrigen würden bei Gericht Polizisten „immer sehr hochgehalten. Warum nicht Soldaten, die unser Land verteidigen?“

„Glasklare Unfallflucht“ doch Soldat widerspricht

Richter Josef Haiker machte deutlich, dass er gezögert hatte, den Strafbefehl zu unterschreiben. Denn nach Aktenlage wäre eine Freiheitsstrafe durchaus angemessen gewesen. Trotz der Warnung vor einem Urteil stimmte der Soldat einer angebotenen Rücknahme des Einspruchs nicht zu: „Ich werde nichts gestehen, was ich nicht begangen habe.“ Staatsanwalt Thomas Wüst ließ jedoch keinen Zweifel: „Die glasklare Unfallflucht bleibt unabhängig von der Vorgeschichte.“

Doch auch das wollte der Anwalt relativieren: „Wir wissen doch, was hier unter dem Deckmantel des Brauchtums geschieht. Es gibt Schläge und Übergriffe gegen Frauen.“ Leicher überlegte weiter: „Ob ich bei Schlägen gegen das Fahrzeug unbedingt von einem Unfall ausgehen muss?“ Für ihn sei nachvollziehbar, dass sein Mandant weitergefahren sei. Der Verteidiger betonte, dass es am VW-Bus keinerlei Schäden, ja nicht einmal Wischspuren gegeben haben, weshalb er den Gangerl ausführlich nach dessen Ausstattung befragte, denn Schellen, Glocken und Gürtelschnalle hätten doch Spuren hinterlassen müssen.

Anwalt beantragt Gutachten zum Unfallhergang

Nach neuerlicher Rücksprache mit dem Angeklagten, beantragte Leicher ein Gutachten zum Hergang, selbst wenn sich Richter und Staatsanwalt davon kaum etwas versprechen – außer Kosten für den Soldaten. „Hier wurde schon so viel Geld verbrannt, da kommt es auf 3000 Euro nicht mehr an“, erwiderte der Verteidiger. Dazu wird der Gankerl seine Fellkleidung und seine gehörnte Maske zur Verfügung stellen. Die war beim Sturz kaputt gegangen. Die Versicherung des Soldaten hatte dafür 300 Euro Schadensersatz und ein Schmerzensgeld von 200 Euro gezahlt.

Um die erforderliche Drei-Wochen-Frist einzuhalten und nicht wieder von vorne beginnen zu müssen, legte Josef Haiker einen „Schiebetermin“ fest, bei dem lediglich Unterlagen verlesen und die persönlichen Verhältnisse des Soldaten geklärt werden.

Bis zum 13. Oktober 2022 soll dann das gewünschte Gutachten vorliegen.

Hannes Höfer

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