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Tradition oder Tierquälerei - Kommt das Aus des Almabtriebs auch bei uns?

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Von: Marina Birkhof

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Traditioneller Almabtrieb in Bayern
Alm Abtrieb in Bayern hat eine jahrzehntelange Tradition. © Angelika Warmuth dpa

Erst der massive Kuhglocken-Streit, jetzt ist eine Debatte um den Almabtrieb entbrannt: Tierschützer fordern die Abschaffung der alpenländischen Tradition - wegen des Tierwohls. Im Allgäu wurden etliche Viehscheide heuer aufgrund von Hassbriefen und Drohungen bereits abgesagt. Jetzt werden die Tiere in Lkw transportiert. Wie sieht die Lage in der Region aus?

Berchtesgaden/Landkreise Berchtesgadener Land/Traunstein - Hassbriefe und Drohungen hat Kaspar Stanggassinger vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern, Bezirk Berchtesgaden, noch nicht erhalten. Allerdings seien die hiesigen Almabtriebe bei Weitem nicht so groß wie im Allgäu - wo sie unter den Augen zahlreicher Schaulustiger und Touristen Jahr für Jahr veranstaltet werden.

Bis heuer: Nun stellt sich Stanggassinger die zentrale Frage, weshalb Almabtriebe und Viehscheide nicht mehr stattfinden dürften. „Zunächst waren die Kuhglocken das Problem, jetzt ist es gleich der ganze Almabtrieb. Die Tiere sind den ganzen Sommer über bei Wind und Wetter auf der Alm, sind in dem unwegsamen Gelände trainiert. Die haben eine unglaubliche Kondition, sind fit. Der Weg hinab ist bei uns im Gau überdies eine Strecke von zwei, maximal drei Stunden, ehe die Kühe ihre Stallungen erreichen.“

Im Fall eines Verbots: Rebellion der Bezirksalmbauernschaft?

Darüber hinaus zählt für Stanggassinger der Aspekt der Tradition: „Auf der einen Seite ist es Brauchtum und eine beliebte Touristenattraktion, für die Almbauern ist es ein Feiertag. Das gehört zu uns dazu. Wenn es wie im Allgäu käme, dass Almabtriebe nicht mehr stattfinden dürfen oder die Tiere gar mit Lkw als Alternative den Berg hinauf und hinab gekarrt werden, dann rebellieren die Bezirksalmbauernschaften, das garantiere ich.“

Für Stanggassinger verkennen die vermeintlichen Tierschützer komplett die Situation: Bevor der traditionsreiche Almabtrieb an den Pranger gestellt werde, sollte der Blick eher in so manche Betriebe mit fragwürdigen Schlachtmethoden gehen. „Doch da passiert auch seitens der Politik nichts. Stattdessen mischen sich Leute in Dinge ein, von denen sie keine Ahnung haben und die seit Jahrzehnten einwandfrei funktionieren.“

Unfälle könnten freilich immer passieren, doch von Tierquälerei sei der Almabtrieb weit entfernt: „Die Tiere sind im Gegensatz zu den Menschen trittsicher. Sollen die Zweibeiner lieber mal schauen, dass sie in anständigem Schuhwerk auf unsere Berge wandern - genug Bergunfälle gibt es ja schließlich.“

Ähnliche Worte findet Alfons Leitenbacher, Behördenleiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein. „Für unseren Bereich - insgesamt 225 Almen in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein - weise ich den pauschalen Vorwurf der Tierquälerei mit Nachdruck zurück“, unterstreicht er auf Nachfrage von chiemgau24.de.

Alle Wiederkäuer beziehungsweise Grasfresser, darunter zählen Rinder, Schafe oder Ziegen, seien es von ihrer Natur her und durch den Weidebetrieb gewohnt, größere Strecken auch in schwierigerem Gelände zu gehen.

Vorwurf der Tierquälerei grenze an „Verleumdung“

„Die Almbauern möchten beim Almabtrieb ihre Tiere natürlich gesund und unverletzt nach Hause bringen und treffen daher die nötigen, situationsangepassten Vorkehrungen, um dieses Ziel zu erreichen“, untermalt Leitenbacher und verweist beispielsweise auf die Absicherung gefährlicher Stellen, die Organisation einer ausreichenden Zahl von Helfern, die die Herde von allen Seiten begleiten sowie ausreichende Tränkmöglichkeiten während des Abtriebs.

„Unterstellt man den Almbauern, die sich den ganzen Almsommer intensiv um ihr Vieh kümmern und es betreuen, beim Almabtrieb nun Tierquälerei, so grenzt das meines Erachtens schon fast an Verleumdung“, wettert der Behördenleiter in Bezug auf die Vorwürfe vereinzelter Tierschützer.

Be- und Entladen von Viehanhängern berge gewisses Maß an Gefahr für Verletzungen

Von der Alternative, die Tiere in Lkw zu verladen und den Berg hinauf und hinab zu transportieren zeigt sich Leitenbacher nicht begeistert: „Nach meiner Überzeugung kann der Transport über oft steile und unebene Almstraßen im Übrigen einen größeren Stress für die Tiere darstellen, als wenn sie den Weg - ihrer Natur entsprechend - zu Fuß zurücklegen müssen.“

Unfälle können natürlich immer passieren, egal ob die Tiere zu Tal getrieben oder auf Viehanhänger verlanden werden. Schließlich berge das Be- und Entladen von Viehanhängern oder Transport-Lkw ein gewisses Maß an Gefahr für Verletzungen.

„Aber“, so unterstreicht der Behördenleiter abschließend, „weder bei der einen noch bei der anderen Methode nimmt ein Almbauer auch nur billigend in Kauf, dass sich die Tiere verletzen. Er wird - schon aus Eigeninteresse - alles unternehmen, dies zu vermeiden.“

mb

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