Kehrt der Bartgeier nach Berchtesgaden zurück?

Berchtesgaden/Ramsau: Auf der alljährlichen Beiratssitzung im Nationalpark Berchtesgaden gibt es neben einem Rückblick auf das vergangene Jahr, auch stets eine Vorausschau auf kommende Projekte. Dieses Mal wurde die Frage diskutiert: "Kehrt der Bartgeier zurück"?

Der Bartgeier ist ein Greifvogel aus der Familie der Habichte. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern zählt er zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Der Bartgeier ist der größte Greifvogel Europas, und mit 225 bis 250 Brutpaaren einer der seltensten. Sein bevorzugter Lebensraum sind alpine und montane Bergregionen oberhalb der Baumgrenze. Auch größere Höhenunterschiede oder steile Felswände stellen für ihn keine Herausforderung dar. Gute Thermik und Aufwinde unterstützen ihn beim Fliegen.
Kehrt der Bartgeier nach Berchtesgaden zurück?

Mit dieser Frage beschäftigt sich demnächst eine Machbarkeitsstudie vom Landesbund für Vogelschutz. "Ich finde, dass ist eine tolle Kooperation mit dem LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.) Der LBV finanziert mit der Studie die Vorstufe, um die Möglichkeiten für eine mögliche Wiederansiedlung auszuloten. Der Bartgeier war schon einmal bei uns daheim, davon zeugt auch ein tolles Gemälde in St. Bartholomä. Er ist der letzte in der Nahrungskette, da er nur die Knochen frisst.
Das Projekt zur Wiederansiedlung der Bartgeier gibt es schon seit längerem in den Alpen, wie zum Beispiel in den Hochsavoyen oder den Hohen Tauern. Ich denke, es wäre eine sinnvolle Maßnahme, diese auch bei uns im Randgebiet zu unterstützen", so Dr. Roland Baier, Leiter vom Nationalpark Berchtesgaden.
Und ergänzt: "Die Kollegen in den Hohen Tauern, wo der Bartgeier bereits angesiedelt ist, haben gute Erfahrungswerte zu den Nahrungsvorraussetzungen. Wir haben eine Kernzone von 75% in der nicht geschossen wird, ich denke da kann das Fallwild als Nahrungsgrundlage genutzt werden.
In den hohen Tauern wird auch das ein oder andere Tier von der Landwirtschaft liegengelassen, also Kühe oder Schafe. Da man dann natürlich bestimmte Hygienevorschriften einhalten muss, gibt es veterinärmedizinische Ausnahmen. Ob man bei uns anfangs zum Beispiel Geierrestaurants einrichten würde, wird sich zeigen."
Interview mit Dr. Norbert Schäffer vom LBV
Die Machbarkeitsstudie vom LBV soll zeigen, ob die Wiederansiedlung eines derart spektakulären Tieres möglich ist. BGLand24.de hat Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz gefragt, welche Voraussetzungen für die Wiederansiedlung des Bartgeiers notwendig wären:
Herr Dr. Schäffer, was hat es mit dieser Machbarkeitsstudie auf sich?
Mit der Machbarkeitsstudie wollen wir herausfinden, ob der Lebensraum für eine Wiederansiedlung des Bartgeiers geeignet wäre.
Wann soll die Studie starten?
Wir haben demnächst als Erstes einen Workshop und planen dann, die Studie Ende April zu vergeben. Es gibt ein paar Experten, von denen einer ausgewählt wird. Das Ergebnis erwarten wir dann zum Jahresende. Und dann wissen wir, ob das Projekt gecancelt wird oder in ein paar Jahren wieder Bartgeier majestätisch über den Königssee schweben. Solch eine Ansiedlung wäre definitiv ein spektakuläres Ereignis.
Gibt es denn im Nationalpark genügend zu fressen für die Tiere?
Das wird uns die Studie zeigen. Die Faktoren die dazu geführt haben dass sie nicht mehr hier leben, also die Verfolgung durch den Menschen, sind beseitigt. In vielen anderen Gebieten hat die Wiederansiedlung bereits erfolgreich funktioniert, auch ohne eine zusätzliche Fütterung, denn das wollen wir langfristig nicht machen. Aber ich möchte hier der Studie nicht vorgreifen.
Wie viele Bartgeierpaare verträgt der Nationalpark?
Ich denke im Park selber nicht mehr wie ein Paar. Aber wir müssen hier grenzüberschreitend denken, denn die Vögel haben einen großen Aktionsradius. Daher könnte ich mir schon vorstellen, dass wir von zwei, drei Paaren sprechen können. Aber auch das wird uns die Studie zeigen. Das hängt auch immer von der sogenannten Kammerung der Landschaft, bzw. der Umgebung an sich.
Wie bringt man solche Vögel dazu, sich bei uns im Nationalpark niederzulassen?
Generell ist es so, dass der Geier selber entscheidet, ob er bleibt oder nicht. Man kann ihn gezielt füttern, aber auch hier müssen wir auf die Studie warten, ob wir ihm den passenden Lebensraum bieten können.
Der Bartgeier ist ja ein Knochenfresser, wovon würde er sich bei uns ernähren?
Der Bartgeier frisst Röhrenknochen. Man kann sagen, wenn nur noch die Knochen herumliegen, dann kommt der Bartgeier. Seine Nahrung besteht zu 80 % aus Knochen von gefallenen Tieren und Aas. Jungtiere sind noch auf Muskelfleisch angewiesen, erwachsene Tiere können sich fast ausschließlich von Knochen ernähren. Ein ausgewachsenes Tier benötigt dabei täglich zwischen 250 und 400 Gramm Knochen. Bartgeier lassen die Knochen aus großer Höhe auf Felsen fallen, um sie zu zerkleinern und schlundgerechte Stücke zu erhalten. Also auf den Nationalpark bezogen könnte man da auch von Fallwild sprechen.
Woher kommen die Vögel?
Das sind Vögel aus einem Zuchtprogramm, die dann im Nationalpark ausgelassen werden würden. Jeder der Vögel bekäme einen Sender, damit wir den Weg nachverfolgen können. Es gab sogar schon Bartgeier, die bis nach Norddeutschland und in Richtung Wattenmeer geflogen sind.
Wechseln die Bartgeier auch ihre Horste wie zum Beispiel die Steinadler oder bleiben diese einem Horst treu?
In der Regel bleiben sie einem Horst treu. Bei den Bartgeiern beginnt die Balzzeit bereits im Herbst und die Brutzeit im Dezember. Die Horste liegen weit oben, in circa 2.000m Höhe, wo ja eigentlich ein richtig strenger Winter herrscht. Dass sie so früh zu brüten beginnen, liegt daran, dass ihr höchster Nahrungsbedarf im Frühling beginnt, wenn die Jungtiere da sind. Zu dieser ist aber auch das Nahrungsangebot am Besten, weil dann die Lawinenhänge langsam frei werden und die toten Tiere zum Vorschein kommen, die im Winter verunglückt sind.
Herzlichen Dank für das Gespräch
Weitere Infos zum Bartgeier finden Sie beim Landesbund für Vogelschutz...