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Wer auf den Berg führen will, muss leiden: Was hinter der härtesten Ausbildung der Region steckt

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Von: Katrin Langenwalter

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Nina Schlesener, 1. Vorstand Berchtesgadener Bergführerverein.
Nina Schlesener, 1. Vorstand des Berchtesgadener Bergführervereins in ihrem Element. Die staatlich geprüfte Bergführerin hätte gerne mehr Klarheit bei den verschiedenen Qualifikationen am Berg. © Nina Schlesener

„Es ist natürlich schon hart, wenn du durch diese drei Jahre Hölle gehst. Und dann führt jemand einen Klettersteig, der eigentlich gar keine Ausbildung hat.“ - Aber so sei die Gesetzeslage, erklärt uns Nina Schlesener, erster Vorstand des Berchtesgadener Bergführervereins. Mit Hölle meint sie die Ausbildung zur staatlich geprüften Bergführerin: „Du bist verantwortlich für Leib und Leben der Gäste. Und da wirst du wirklich ausführlich darauf vorbereitet.“ Es gibt aber auch Bergwanderführer, Wanderführer, Polizeibergführer, Hilfspersonal - sind die auch so gut vorbereitet?

Berchtesgaden „Ich habe auch schon von Kunden Kommentare bekommen, dass ein Bergwanderführer ja viel besser ausgebildet ist, weil der kann dann wandern auch noch und ich kann ja nur Bergführen.“ Nina Schlesener, staatlich geprüfte Bergführerin, erzählt vom Wirrwarr der verschiedenen Ausbildungsarten zum Führen am Berg: Wanderführer, Bergwanderführer, Polizeibergführer, Heeresbergführer und saisonal auch Hilfspersonal ohne Ausbildung - da kann man den Kunden aus Ninas Anekdote fasst schon verstehen. Eines steht fest: Die ehemalige Europameisterin im Eisklettern kann auch Wandern.

Denn: Wer ein bisschen Ahnung hat am vom Bergsteigen, der weiß: Wer die Ausbildung zum staatlich geprüften Bergführer geschafft hat, ist brutal fit. Eine vergleichbare Prüfung in dem Bereich gibt es nicht. Nina hat sie vor 11 Jahren bestanden, als jüngste Bergführerin Deutschlands und einzige Frau in Berchtesgaden.

Ausbildung zur staatliche geprüften Bergführerin: Die härteste Qualifikation

„Es geht schon an die Nieren, weil man eben so kontinuierlich unter Spannung ist.“ Aber da man im Anschluss an die dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Bergführerin verantwortlich ist für das Leben des Kunden, mache das schon absolut Sinn, erklärt Nina. Die Standards sind extrem hoch: Zunächst muss man drei Jahre lang einen Tourenbericht führen: „Der wird dann eingeschickt und geprüft, ob die Touren auch den Schwierigkeiten entsprechen, die vorgegeben sind.“ Erst dann geht es weiter zur Prüfung: Im Sommer musste Nina unter anderem 1400 Höhenmeter in 100 Minuten erklimmen: „Das war mein großer Horror. Ich habe es Gott sei Dank geschafft, weil ich habe gesagt, einmal und nie wieder.“

20.000 Euro investiert Nina Schlesener in die Ausbildung

Viele andere Hürden warten bei der Prüfung auf die angehenden Bergführer: Eisklettern, Skihochtouren, Skifahren: „Und wenn du diese Sachen alle bestanden hast, dann darfst du auf die Ausbildung gehen. Also dann bist du erst zugelassen.“ Ab da beginnt dann die eigentliche Ausbildung: „Dann hast du nochmal die Abschlussprüfung, wo dann alles nochmal mit Mark und Bein geprüft wird. Es ist ziemlich anstrengend, psychisch sowie körperlich, weil über drei Jahre lang hast du diese Anspannung immer verletzungsfrei zu sein, topfit zu sein.“ Außerdem habe Nina Schlesener insgesamt 20.000 Euro in ihren Abschluss investiert. Das müsse man, sagt sie, auch erst mal wieder reinholen.

Das Geschäft mit dem Bergsport boomt und über fehlende Kunden kann sich Nina und auch ihre Kollegen, zumindest in der Hauptsaison, nicht beschweren. Immer mehr Menschen wollen raus in die Natur und in den Bergen Erholung und Entspannung finden. Viele wünschen sich bei der Traumtour einen kompetenten und ortskundigen Bergführer an ihrer Seite. Mittlerweile gibt es aber nicht nur staatlich geprüfte Bergführer.

Wanderführer, Bergwanderführer, Wanderleiter: Viele Wege führen zum Gipfel

Der bayerische Wanderverband bietet zum Beispiel eine Ausbildung zum zertifizierten Wanderführer an. Als Mitglied im Deutschen Alpenverein (DAV) kann man einen Lehrgang zum Wanderleiter machen und danach Gruppen seiner Sektion durch das Gelände führen. Der Verband Deutscher Berg- und Skiführer (VDBS) bildet Bergwanderführer aus. Einheitliche Regelungen, wer danach auf welchem Level Gruppen führen darf, gibt es nicht: Es sei ein „Dschungel an Ausbildungswegen“ sagt Nina, gerade bei den Bergwanderführerausbildungen.

Oft wird durch die Schwierigkeitsskala der Wanderwege versucht, die jeweiligen Führungskompetenzen zuzuordnen. Als Wanderführer des bayerischen Wanderverbandes zum Beispiel ist es nicht erlaubt, schwarze Touren zu leiten: Das sind ausgesetzte und technisch anspruchsvolle Touren, bei denen die Zuhilfenahme von Händen zur Fortbewegung erforderlich ist. Aber die Grenzen sind fließend. Wie sieht der Berchtesgadener Bergführerverein die neue Konkurrenz?

„Man bräuchte in der Hauptsaison viermal so viele Bergführer“

„In der bayerischen Bergschulverordnung steht, wenn kein staatlich geprüfter Bergführer zur Verfügung ist, bei Engpässen, dann können das Heeresbergführer, Polizeibergführer und Hilfspersonal machen.“ Und Nina betont, dass zum Beispiel die Polizeibergführer und Heeresbergführer ja auch topfit seien und sicherlich gut vorbereitet für den Job. Und in der Hauptsaison seien so viele Anfragen, dass, so Nina Schlesener, man viermal so viele Bergführer bräuchte als vorhanden. Da würden die Bergschulen dann natürlich auch auf nicht staatlich geprüftes Personal zurückgreifen: „Man kann sich da vielleicht persönlich aufregen, aber andererseits hat jeder genügend Arbeit in der Saison und in der Nebensaison hat eh keiner Arbeit.“

„Wir sind alle Dienstleister, da ist man bemüht, dem nachzukommen“

Die Bergschulen würden da also nichts falsch machen, so Schlesener, schließlich sei es gesetzlich so festgelegt: „Die Bergschulen versuchen auch, den Kunden gerecht zu werden und die Anfrage und die Nachfrage zu decken. Wir sind alle Dienstleister und da ist klar, dass man bemüht ist, dass man dem auch nachkommen kann.“ Bislang sei ihr auch nicht bekannt, dass es bereits Unfälle am Berg bei geführten Gruppen gegeben habe, weil der Gruppenleiter, egal welche Qualifikation, einen Fehler begangen habe: „Die Bergschulen haften ja dafür. Die handeln ja nicht absichtlich grob fahrlässig. Weil erst mal schadet das dem Ruf der Bergschule. Und man mag ja nicht vorsätzlich einen Unfall provozieren. Von dem her handeln die da schon sehr verantwortungsbewusst.“

Eins-zu- eins-Betreuung mit dem staatlich geprüften Bergführer

Man müsse sich als Kunde einfach überlegen, was man will. Wer eine Eins-zu-eins-Betreuung bei einer ambitionierten Tour will, so erklärt uns Nina, der würde sowieso eher dazu tendieren, einen staatlich geprüften Bergführer zu buchen: „Also wenn ich jetzt nicht wandern gehe, aber wenn ich einen Berg gehe und wenn ich wirklich da Wert drauf lege, dann nehme ich mir für mich persönlich, also selber einen Bergführer und gehe nicht zu einer Gruppe dazu, wo ich gar nicht weiß, wir sind die Teilnehmer, schafft man dann überhaupt die Tour, weil eben vielleicht jemand dabei ist, der nicht so konditionsstark ist und überhaupt das Tourenziel gefährdet, weil man vielleicht umdrehen muss.“

Gemeinsam statt gegeneinander: Bergführerverein öffnet sich

Auch im Berchtesgadener Bergführerverein mit circa 50 Mitgliedern sind mittlerweile nicht nur staatlich geprüfte Bergführer dabei: „Wir waren früher ein Verbund von Staatlichen und haben uns dann auch geöffnet und haben jetzt Polizeibergführer und Heeresbergführer und auch Bergwanderführer. Erstens ist man aufeinander nicht so aggressiv, weil man nicht ausgrenzt, sondern weil man alle mit einschließt und alle an den Tisch holt.“ Zweitens, so Schlesener, seien die anderen ja auch nicht schlecht und hätten durchaus ihre Berechtigung.

Nina Schlesener würde sich aber perspektivisch schon wünschen, dass eine einheitliche Regelung für die verschiedenen Qualifikationen und entsprechenden Angebote gefunden wird: „Man muss auch sagen, dieses Bergwander-Thema oder Bergwanderführer-Thema, ich bin jetzt über 13 Jahre Bergführer und das ist damals, wo ich angefangen habe, erst so aufgeploppt. Und vielleicht braucht es einfach auch nochmal 10 Jahre, bis sich ein bisschen mehr Struktur auch in diesem Bereich gebildet hat.“

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