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„Beim Betrug der Augen ist alles erlaubt“

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Maler Stefan Birkel © kp

Berchtesgaden – Unvollendet ist das Werk in Öl, das erkennt selbst der Laie im ersten Moment. Der Maler, Stefan Birkel aus Bad Reichenhall, stellt sein Werk "Eden" vor.

Birkel ist zu Gast in Berchtesgaden. Das Werk „Eden“, eine Auftragsarbeit eines Gewürzproduzenten, präsentiert er angehenden Kunst-Abiturienten des CJD-Gymnasiums in der Galerie Ganghof in Berchtesgaden. „Das, was Ihr hier heute zu Gesicht bekommt, werdet Ihr in dieser Form wohl nie mehr sehen“, sagt Peter Karger, der Galerist, der sich hocherfreut zeigt angesichts des sympathischen, äußerst redseligen Besuchs aus unmittelbarer Nachbarschaft.

„Ich hatte alle nur erdenklichen Freiheiten bei der Umsetzung“, sagt Stefan Birkel, der bereits im Jahr 2005 den „Eu-Regio Kunstpreis“ mit seinem preisgekrönten Werk „Das Rad der Zeit läuft gut geschmiert“ gewonnen hatte. „Ein großes Tableau, das sich auf eindrucksvolle Weise hintergründig mit den verschiedenen gesellschaftlichen Antriebsursachen des Zeitgeistes beschäftigt“, urteilte das Land Salzburg seinerzeit.

Mit dem Öl-Gemälde „Eden“, eine Paradiesgeschichte, zeigt sich Birkel in „altmeisterlicher Technik“, so Karger, in einer dem Reichenhaller eigenen Bildsprache, die viel Hintersinnigkeit offenbart, einen Hauch Erotik, der Schlangenkörper, aufgeplatzt, wie ein Füllhorn – dynamisch ergießt sich all das Gute, Früchte, Säfte, über den Boden des Paradieses.

„Das ständige In-ein-Bild-Interpretieren muss aber gar nicht sein“, sagt Birkel. Nicht jedes Bild habe eine intellektuelle Aussage, dem sei nicht so, „das ist alles Hirn-Wichserei“. Zunächst müsse ein Gemälde auf den Zuschauer wirken, losgelöst von jener bedeutungshaften Ikonografie. „Meine Idee war, etwas Sinnliches zu machen, dies sinnlich weiterzuvermitteln“, sagt der Maler.

Eine Grundidee stehe zunächst im Raum, mit dieser müsse man sich intensiv auseinandersetzen, die Komposition sei wesentlich, die Beziehung der Gestaltungselemente des Werkes untereinander. Den Blick des Betrachters gelte es zu lenken, diesen zu beeinflussen. Für gewöhnlich schweife dieser von links unten nach rechts oben.

Geometrische Beziehungsverhältnisse, ebenso die Perspektive des Betrachters – Vertikale oder Horizontale: die Komposition als Mittel des Ausdrucks, etwa, um Stimmungen zu erzeugen. So ist eine diagonal angelegte Komposition auf Dynamik aus.

Zwar investiere Birkel viel Zeit in seine Vorarbeit, in die kompositorischen Elemente, „es gibt aber ganz andere Maler, die jeden Bildpunkt einzeln berechnet hatten.“ Etwa Pierro della Francesca, ein italienischer Maler der Frührenaissance, zu dessen bedeutungsvollsten Werken die Fresken in der Kirche San Francesco in Arezzo gehören. So einer sei Birkel nicht. Um das Kompositionsschema zu lösen, könne der Maler Figuren einbeschreiben, „viel passiert über Licht und Schatten“, oder aber über die Struktur – Faltenwürfe, die Darstellung von Baumrinde. „Viel meiner Vorarbeit findet im Kopf statt“, erklärt der Maler, beispielsweise beim Spazierengehen.

Birkels Ausführungen gehen ins Detail, neugierig hören ihm die CJD-Schüler zu, notieren mit. „Ich zeichne auf der Leinwand mit Bleistift vor“, in Maßen, „ich bin nicht der große Vorzeichner“. Im Gegensatz zu Albrecht Dürer, Maler, Mathematiker – Künstler -, der für ein Altarbild 2000 Vorzeichnungen angefertigt haben soll, ehe er sich an die eigentliche Umsetzung wagte.

Aus zwei bis fünf Farbschichten setze sich Birkels Leinwand-Kunst zusammen, „mit zu vielen Farbschichten könnte das Werk brechen – die Leinwand schwingt.“ Bei Birkel spielen viele Motive im Gesamtwerk eine Rolle. Motive, die der Betrachter nicht unbedingt erkennen muss, soll, um Gefallen an dem bislang unvollendeten Tafelbild zu haben, vielmehr Darstellungen und Abhängigkeiten, die Sinn ergeben, sofern wenn das dazu notwenige hintergründige Wissen präsent ist.

Wer genau hinschaut, erkennt, dass es nur ein klitzekleines Kitzeln war, das in seinem Werk „Eden“ den gesamten Schöpfungsakt zu sabotieren in der Lage war. Ein „ins Weltliche verzogenes Bibelthema“, sagt Birkel, der Experte. „Wie kommt man auf so etwas“, fragt eine Schülerin. Die Antwort kommt prompt. „Durch eine kranke Fantasie“.

Birkel lacht. Viel Vorstellungsgabe gehöre dazu, viel Hintergrundwissen, natürlich das Verwenden richtiger Techniken. „Ich lerne immer weiter“, gibt er zu verstehen, der Künstler, der mit vielen Auftragsarbeiten im Ausland zu tun hat, berühmte deutsche Familien porträtierte, es bedauert, dass im Laufe der letzten Jahrhunderte eine Menge an technischem Wissen verloren gegangen sei.

Als Maler sei man nichts weiter als „ein Trickser, ein Illusionist“. Der Betrachter müsse vereinnahmt werden, dies geschieht durch entsprechende Konturlinien, die dem Gemälde Tiefe bringen, „ein optisches Schema, das die Distanzen anhebt“, sagt Birkel, aber auch durch mit viel Aufwand verbundene Techniken, von innen heraus die Farbe zu erleuchten. „Bei einem Himmel ist das sinnvoll, er lebt dann.“ Eigentlich sei die Malerei ganz einfach zu erklären – und doch so schwer umzusetzen: „Es geht um den Betrug der Augen – und da ist bekanntlich alles erlaubt.“

(kp)

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