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Ernterückgang beim Getreide: Die Lage im BGL, Rosenheim und Traunstein

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Von: Heinz Seutter

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Getreideernte
Getreide reift auf einem Feld. © Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik wird in diesem Jahr eine unterdurchschnittliche Getreideernte im Vergleich zum Durchschnittswert der Jahre 2016 bis 2021 erwartet. Wir haben uns erkundigt, ob und wie dies auch für die Landkreise Berchtesgadener Land, Rosenheim und Traunstein zutrifft.

Landkreise BGL/Rosenheim/Traunstein - „Nach Schätzungen des Fachteams im Bayerischen Landesamt für Statistik werden die bayerischen Landwirte 2022 eine Getreideernte in Höhe von insgesamt 6,1 Millionen Tonnen einfahren. Das zeigen die bisher ausgewerteten Ertragsmessungen aus der ‚Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung‘ in Verbindung mit Ertragsschätzungen der amtlichen Berichterstatter vom Juli“, teilte das Bayerische Landesamt für Statistik vor kurzem mit. „Damit wird die Erntemenge in etwa das Niveau des Vorjahres erreichen. Im Vergleich zum Mittelwert der Jahre 2016 bis 2021 ergibt sich eine Ernteeinbuße von 6,7 Prozent. Die flächenstärkste Getreideart Winterweizen weist gegenüber dem Vorjahr mit 70 Dezitonnen je Hektar voraussichtlich eine geringe Minderung von etwa 1,4 Prozent auf. Die Wintergerste wird auf einen Hektarertrag von 68,0 Dezitonnen geschätzt. Das wäre ein leichter Rückgang von 0,9 Prozent zum Vorjahr.“

Ämter betonen: Spezielle Lage in Landkreisen der Region

„Unser Dienstgebiet, die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land, weist von allen Ämtern in Bayern vermutlich die größte Spanne natürlicher Ertragsverhältnisse auf. Das heißt die unterschiedlichen Anbaugebiete wechseln nirgends auf so kurzer Distanz wie bei uns. Im südlichen Bereich hat der Getreidebau kaum Bedeutung, während die nördlichen Gemeinden Kienberg, Engelsberg oder auch Fridolfing im Salzachtal gute Ackerbaulagen aufweisen“, berichtet Ludwig Huber vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein. „Der Bericht des Bayerischen Landesamtes für Statistik bezieht sich allein auf die Getreideernte. Bei einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von etwa 64.500 Hektar in Stadt und Landkreis Rosenheim spielt der Getreideanbau mit etwas mehr als 5.000 Hektar eine nur untergeordnete Rolle“, so wiederum Mathias Mitterreiter vom AELF Rosenheim. „Hauptgetreidearten sind der Winterweizen, der rund 50 Prozent der Getreidefläche einnimmt, und die Wintergerste. Wintertriticale und -roggen sowie Sommergerste und Hafer haben nur eine geringere Bedeutung. Aufgrund der hohen Bedeutung der Viehhaltung bei uns und der klimatischen Bedingungen findet ein Großteil des Anbaus für Futterzwecke statt.“

„Generell hatten wir für die Entwicklung der Getreidebestände noch eine relativ gute Wasserversorgung, vor allem auf den guten Ackerböden. Teilweise wurde aufgrund der extrem hohen Preise für Düngemittel und Pflanzenschutz in den konventionell wirtschaftenden Betrieben stark gespart und die Erträge und Eiweißgehalte konnten aus diesem Grund nicht befriedigen. Wo Produktionsmittel im üblichen Umfang eingesetzt wurden, konnten aber durchwegs gute Erträge und ansprechende Qualitäten erzielt werden“, fährt Ludwig Huber vom AELF Traunstein fort. „Die Trockenheit wirkte sich beim Getreide bei uns also nicht wesentlich aus, weil die Ertragsbildung hauptsächlich noch zu Zeiten ausreichender Bodenfeuchtigkeit erfolgt ist. Anders stellt es sich beim Mais dar: auf Standorten mit hoher Bodenqualität, also auch guter Wasserspeicherfähigkeit ist auch heuer mit hohen Erträgen zu rechnen, nachdem die erste Wachstumsphase durch sehr gute Temperatur- und Wasserverhältnisse begünstigt war. Auf schwachen Standorten ist der Mais jedoch schon früh vertrocknet und die Regenfälle Ende August konnten das nicht mehr umkehren. Beim Mais können teilweise also schon erhebliche Ertragsausfälle auftreten.“

„Folgeschnitte teilweise ein Totalausfall“

„Beim Grünland, das in unserer Region eine sehr große Bedeutung hat, waren die ersten beiden Schnitte sehr ertragreich, die Folgeschnitte aber teilweise ein Totalausfall. Hier werden die aktuellen Regenfälle aber voraussichtlich bei den letzten Schnitten wieder einen gewissen Ausgleich schaffen können, denn Grünland ist sehr regenerationsfähig und durch mehrere Erntezeitpunkte ertragsstabiler. Es steht aufgrund seines hohen Wasserbedarfs aber auch hauptsächlich auf Standorten mit hohen zu erwartenden Niederschlägen, die auch heuer noch vergleichsweise wenig unter Trockenschäden zu leiden hatten. Solche Standorte sind andererseits aufgrund der günstigen Bedingungen für Pilzkrankheiten und einer kürzeren Vegetationsperiode weniger für den Ackerbau geeignet“, so Huber weiter.

„Wintergetreide wurde aufgrund einer späteren Ernte der Vorfrüchte im Herbst 2021 zwar etwas später gesät, überstand aber den fast ausgefallenen Winter problemlos. Auf einen sehr frühen Vegetationsbeginn im Februar folgte ein trockenes und mit häufigen Frostnächten verbundenes Frühjahr, das die Getreidebestände in ihrer Entwicklung zwar hemmte, aber keine nachhaltigen Schäden verursachte.“ Ausreichende Niederschläge im Mai und meistens auch noch im Juni hätten bei gemäßigten Temperaturen schöne Getreidebestände heranwachsen lassen, berichtet wiederum Mathias MItterreiter über die Lage in Stadt und Landkreis Rosenheim. „Problematisch wird die zunehmend kleinräumig sehr unterschiedliche Niederschlagsverteilung, so dass sich oft innerhalb sehr kurzer Distanzen unterschiedliche Wachstumsvoraussetzungen zeigen. Insgesamt wurde der Süden des Landkreises bisher deutlich besser mit Wasser versorgt als der nördliche Bereich um Wasserburg. Es kann aber festgehalten werden, dass die Niederschläge und Bodenwasservorräte für das Getreide in den meisten Fällen ausgereicht haben, da die Ertragsbildung zu dem Zeitpunkt, als es zunehmend trocken wurde, bereits abgeschlossen war. Daher gehen wir davon aus, dass im gesamten Landkreis keine Ertragseinbußen gegenüber dem 5-jährigen Durchschnittswert zu verzeichnen waren. Zum Teil dürften die Erträge sogar über dem 5-jährigen Mittel liegen.“

Lage beim Futterbau differenziert

Differenzierter sei die Situation beim Futterbau, hierzu gehörten vor allem Grünland und Feldfutterbau, wie beispielsweise Kleegras und Silomais. „Das trockene und kalte Frühjahr führte dazu, dass das Grünlandwachstum heuer deutlich später einsetzte und sich damit der erste Schnitt zeitlich nach hinten verschob. Bis in den Juni hinein wuchs dann aber das Grünland gut. Mangelnde Niederschläge und hohe Temperaturen ab Juli setzten den Beständen zunehmend zu und führten vor allem im Norden des Landkreises zu Ertragsausfällen“, fährt Miterreiter fort. „Für den Mais waren die Bedingungen anfangs wegen kühler Temperaturen schwierig. Ab Juni führten Wärme und eine ausreichende Wasserversorgung aber zu einem regelrechten Wachstumsschub, so dass sich die Maisbestände lange Zeit fast überall sehr gut präsentierten.“ Da Mais besonders in den Sommermonaten, in denen die Befruchtung und Kolbenentwicklung stattfindet, auf eine ausreichende Wasserversorgung angewiesen ist, differenziere sich mit zunehmender Trockenheit das Bild.

„Auf Böden, die eine gute Wasserhaltefähigkeit aufweisen, stehen die Bestände nach wie vor gut und lassen hohe Erträge und eine gute Qualität erwarten, auf flachgründigen Standorten mit geringer Wasserspeicherkapazität dagegen gingen die Bestände vorzeitig in die Reife, was mit Ertrags- und Qualitätseinbußen verbunden ist“, schließt Miterreiter seine Ausführungen. „Insgesamt ist heuer aufgrund des warmen Sommers mit einer deutlich früheren Ernte des Silomaises zu rechnen. In vielen Fällen ist es schwierig, den richtigen Erntezeitpunkt zu finden, da sich die Bestände häufig auf ein und derselben Fläche aufgrund wechselnder Bodenverhältnisse in sehr unterschiedlichem Reifezustand befinden. Beginnt in einem „Normaljahr“ die Silomaisernte ab Mitte September, so wurden heuer auf Wassermangelstandorten schon ab der vierten Augustwoche erste Flächen abgeerntet.“

Nur begrenzt Maßnahmen möglich

„Maßnahmen, um die Trockenheitsnachteile auszugleichen gibt es nur sehr begrenzt“, führt unterdessen Ludwig Huber vom AELF Traunstein weiter aus. „Ackerbauliche Maßnahmen, wie das Unterbrechung der verdunstungsfördernden Kapillarwirkung des Bodens beispielsweise durch Grubbern nach der Ernte von Getreide sind sowieso Standard, werden aber in trockenen Jahren noch wichtiger.“ Es gäbe auch die Möglichkeit trockenheitsresistentere Sorten anzubauen, aber der Markt ist in dieser Richtung sei nicht sehr ergiebig. „Denn erstens sind die Sortenunterschiede nicht sehr groß und bisher hat die Züchtung auf diesen Sektor auch noch keine großen Schwerpunkte gelegt. Theoretisch ist der Umstieg auf trockenheitsverträglichere Pflanzenarten wie beispielsweise Luzerne im Austausch zu Klee eine denkbare Reaktion, allerdings hat eben diese Luzerne in feuchten Jahren deutliche Nachteile, so dass sie bisher in unserem Gebiet nicht Fuß fassen konnte. Da die Wasserverhältnisse ja nicht voraussehbar sind, wird sich an den bisherigen Präferenzen der Pflanzenarten auch kurzfristig nichts ändern.“

„Die aktuell vielfach propagierte Bodenverbesserung, etwa durch Humusanreicherung wird nach meiner Ansicht meist überschätzt. Wir haben auf unseren meisten Standorten im weltweiten Vergleich hervorragende Böden, nicht vergleichbar mit beispielsweise tropischen Standorten. Die Wasserspeicherfähigkeit lässt sich zwar auch bei uns durchaus verbessern, aber das ist ein langwieriger Prozess und die erzielbaren Effekte sind nicht sehr groß. Tragfähige Versuchsergebnisse in dieser Richtung gibt es kaum“, schließt Huber, „Cui bono?‘ - ‚Wem zum Vorteil?‘ ist eine Frage, die man in diesem Zusammenhang immer stellen muss, denn die Verkäufer diverser Mittel zur Steigerung der Bodenqualität haben auch einen Nutzen vom Einsatz ihrer Produkte, wenn der Landwirt davon nur Kosten hat. Trotzdem ist eine fachkundige Bewirtschaftung mit Vermeidung von Bodendruck und Erhalt des Humusgehalts natürlich auch in Hinblick auf die Trockenheitsresistenz sinnvoll und empfehlenswert. Das ist aber nichts neues und auch davon sind keine Wunder zu erwarten.“

hs

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