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Wegen Holz bedroht und beschimpft: Wie Landwirte im BGL unter der Energiekrise zusätzlich leiden

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Von: Christina Eisenberger

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„Jeder hat Angst, dass er in der kalten Bude sitzt.“ Brennholz ist dieses Jahr heiß begehrt - so sehr, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt
„Jeder hat Angst, dass er in der kalten Bude sitzt.“ Brennholz ist dieses Jahr heiß begehrt - so sehr, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt © Soeren Stache - dpa

Nach Klopapier und Hefe heißt‘s jetzt Holz hamstern - doch bei einigen Waldbauern im Berchtesgadener Land ist das Brennholz längst ausverkauft. Eine Landwirtin erzählt von Drohungen und aggressiven Kunden, die spätabends am Hof stehen und nach Holz verlangen.

Berchtesgadener Land - „Wir sind direkt überrannt worden. Teilweise stehen die Leute Sonntagabend um halb elf vor der Tür und klingeln, weil sie Holz brauchen. Wir sagen, dass wir nix mehr haben, dann werden sie unverschämt“, erzählt eine Landwirtin aus dem Berchtesgadener Land, die anonym bleiben möchte, gegenüber BGLand24.de.

Die Frau betreibt mit ihrer Familie eine Landwirtschaft. Seit rund 25 Jahren verkaufen die Landwirte über Mundpropaganda Holz aus dem eigenen Wald. Aber dieses Jahr sei alles anders, erklärt die Frau. Die Familie sei teilweise sogar bedroht worden, weil kein Brennholz mehr zum Verkauf stünde. Deswegen möchte sie auch anonym bleiben. „Wir sind richtig derbe beschimpft worden. Am Wochenende stecken wir auch das Telefon aus. Das geht so nicht mehr weiter.“

Knappes Gut: Brennholz bei Waldbauern-Familie im Berchtesgadener Land ausverkauft

Denn die Leute wollen Brennholz kaufen. Die Nachfrage ist dieses Jahr so hoch, dass die Familie bereits im Juni ihr letztes Brennholz verkauft hat. In der Regel kämen die ersten losen Anfragen nach Brennholz ab April bei der Familie an. Die Hochzeit zum Vorbestellen sei im August bis Oktober. „Da kriegt man normal auch noch eins, aber das, was wir jetzt noch haben, brauchen wir selbst zum Heizen“, so die Landwirtin. „Für heuer ist auf gut bayerisch der Kas bissen.“ Normal sei es von Dezember bis Februar ruhig. Dieses Jahr trudelten die ersten konkreten Anfragen bereits im Januar ein - und hörten nicht mehr auf.

Mit so viel Aggressivität und Egoismus wie in diesem Jahr sei die Familie noch nie konfrontiert worden. „Jeder hat Angst, dass er in der kalten Bude sitzt.“ Die Leute hätten teilweise schon Öfen gekauft, aber sich erst danach um das Holz gekümmert, erklärt die Landwirtin. „Heuer ist es arg.“

Wie viel Holz die Landwirte dann nächstes Jahr wieder verkaufen können, könne sie noch nicht sagen. „Unser Holz kommt aus dem eigenen Wald direkt aus der Umgebung. Es ist regional und heimisch. Es wird nur Holz ausgearbeitet, das krank ist, was der Sturm bricht und was so umgefallen ist, damit die kleinen Bäume wieder nachkommen. Das wird dann zum Brennholz gemacht. Es wird nicht extra gerodet.“ Die Familie wolle es auch gar nicht anders machen. „Wenn etwas nicht mehr verfügbar ist, ist es halt nicht mehr verfügbar.“

Heizen mit Holz: Aggressivität, Drohungen und Hamsterkäufe

Dafür zeigten aber nicht alle Kunden Verständnis. „Wir haben schon Aussagen gehört, dass wir halt einfach mehr Bäume schneiden müssten. Auch die Aggressivität ist viel mehr geworden.“ Teilweise sei es zu versuchten Hamsterkäufen gekommen. Drei bis vier Ster Brennholz reichen zum regelmäßigen Heizen im Winter in der Regel, erklärt die Landwirtin. „Wenn dann einer mit einer Drei-Zimmer-Wohnung sagt, er braucht acht Ster, dann verkaufen wir das nicht.“ Die Familie wolle so viele Leute wie möglich fair versorgen.

Das Brennholz ist auch bei der Familie teurer geworden. „25 Jahre haben wir nichts fürs Liefern verlangt. Heuer schon.“ Denn die hohen Dieselpreise haben auch bei den Landwirten Spuren hinterlassen. Dennoch sei der Preis noch weit unter den Holzpreisen der Lagerhäuser. „Wir orientieren uns an den Preisen der Waldbauernvereinigung. Wir wollen als Landwirte nicht unverschämt sein, aber wir müssen auch schauen, wo wir bleiben“, erklärt die Landwirtin. Die Preise ausreizen würden sie aber nicht - auch wenn so mancher Kunde über den Holzpreis jammere.

Viel Kraft und Energie: „Holz machen ist eine Heidenarbeit“

„Holz machen ist eine Heidenarbeit. Man steht den ganzen Tag im Wald. Körperlich ist das eine Katastrophe, auch im Sommer bei 30 Grad in voller Montur.“ Das sei der Fall, wenn das Holz etwa vom Borkenkäfer befallen ist. Ansonsten werde in der Regel im Winter das Holz gefällt. Danach müsste der Schnitt aus dem Wald gefahren werden, „daheim muss man das auf einen Meter zusammenschneiden, spalten, aufschichten, trocknen lassen. Das braucht auch Platz.“ Für die Kunden werde es dann noch einmal extra auf die gewünschte Länge geschnitten und zu ihnen nach Hause gefahren. „Das ist ein Mordsaufwand.“

Das frische Holz trocknet dann zwei bis drei Jahre, bevor es verkauft werden kann. Während viele Kunden verständnisvoll reagierten, würden vor allem die Leute, die einfach am Hof vorbeifahren, kein Nein akzeptieren.

Wegen Gasmangel: Alte Holzöfen im BGL dürfen wieder laufen

Gut möglich ist, dass die Nachfrage noch Brennholz im Berchtesgadener Land noch einmal steigen könnte. Das Landratsamt erlaubt in einer Allgemeinverfügung den Haushalten mit einer Gasheizung im Landkreis, ihre alten Holzöfen wieder in Betrieb zu nehmen. Betroffen sind Holzöfen, „die zwar vorhanden sind, aber mittlerweile aufgrund der Nichteinhaltung der Grenzwerte nach der 1. BImSchV stillzulegen waren, weil der Besitzer zum Beispiel keinen neuen Ofen oder eine Staubfilteranlage errichten möchte“, heißt es aus dem Landratsamt auf Nachfrage von BGLand24.de.

„Diese ‚stillgelegten‘ Holzfeuerungsanlagen dürfen aber noch für einen Notbetrieb vorgehalten und verwendet werden. Dieser jetzt aufgrund der Gasmangellage erforderliche Notbetrieb wäre sowohl beim Landratsamt als auch beim Kaminkehrer nur anzuzeigen“, heißt es weiter. Zahlen zu den möglichen betroffenen Haushalten hat das Landratsamt nicht. Das dafür benötigte Brennholz müssen die Haushalte wohl in den großen Lagerhäusern in der Region kaufen. Bei einigen Waldbauern in der Region ist jedenfalls nichts mehr da.

ce

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