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„In der Kultur ist man das Kämpfen gewohnt“ - Kino-Betreiber im BGL über Sorgen und die Zukunft

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Von: Hans-Joachim Bittner

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 Die Kino-Betreiber des Berchtesgadener Landes: Thomas Kastner, Josef Loibl und Max Berger
Die Kino-Betreiber des Berchtesgadener Landes: Thomas Kastner (links) vom Kino Berchtesgaden im AlpenCongress, daneben Josef Loibl und Max Berger (rechts) vom Park-Kino Bad Reichenhall. Sie unterstützen sich gegenseitig. © Hans-Joachim Bittner

Im Interview äußern sich die Kino-Betreiber im Berchtesgadener Land zu den Themen Corona, Energiekrise, Co2-Ausstoß und das Programm 2023.

Berchtesgaden/Bad Reichenhall - Die beiden einzigen Kinos im Berchtesgadener Land besitzen Alleinstellungsmerkmale: Josef Loibl und Max Berger mit ihrem Park-Kino (drei Säle mit insgesamt 112 Plätzen) – welches sie heuer seit 25 Jahren betreiben –, und Thomas Kastner mit seinem Kino Berchtesgaden (ein Saal mit 163 Plätzen) im AlpenCongress. Während in der Kurstadt ein großes Stammpublikum einheimischer Gäste für gut besuchte Vorstellungen sorgt, würde es das Filmtheater in der Marktgemeinde laut seinem Betreiber ohne Urlauber schon lange nicht mehr geben.

„BGLand24“ hat mit den beiden Lichtspielhaus-Betreibern, die sich nicht als Konkurrenten sehen, sondern gewinnbringend ergänzen und sogar gegenseitig unterstützen, zu den Themen Corona (eine Bilanz), Energiekrise, Klimaschutz-Maßnahmen und das weitere Programm 2023 gesprochen.

Herr Kastner, Herr Loibl, die ganz großen Corona-Probleme und -Einschränkungen mit monatelangen Schließungen gehören erstmal der Vergangenheit an. Welche Gesamtbilanz ziehen Sie nach dieser schweren Zeit, wie beurteilen Sie insgesamt, durch diese Phase gekommen zu sein?

Thomas Kastner: Durch verschiedene Hilfsprogramme, welche sich teilweise leider überschnitten, konnten wir einen Großteil der weiterlaufenden Kosten und bereits geplante Investitionen abdecken. Leider musste der Gürtel selbst sehr eng geschnallt werden, da es nur ein paar Monate lang einen sehr geringen Unternehmerlohn gab. In der Kultur ist man das Kämpfen jedoch gewohnt.

Josef Loibl: Letztlich sind wir mehr recht als schlecht durch diese Zeit gekommen. Wir haben seitens des Publikums und durch unsere Freunde großartige Unterstützung erfahren – nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die Menschen haben uns in vielen Gesprächen, Briefen und Mails spüren lassen, wie wichtig ihnen ihr Kino ist. Das motiviert natürlich.

Können Sie in etwa beziffern, wieviel Ihnen durch die Pandemie verloren ging?

Kastner: Die extrem langen Schließungszeiten plus die extremen Auflagen – 2G, 3G, Masken, Abstände und so weiter – hatten die Filmstudios dazu veranlasst, keine beziehungsweise sehr wenig neue Filme in den Kinos zu starten. Somit fehlte uns der Content. Der Gastronom konnte wieder aufsperren und sein Schnitzel verkaufen, wir zeigten den „Weißen Hai“ von 1976. Man kann von 75 Prozent Verlust in den Pandemiejahren 2020/21 ausgehen. Wir waren im Berchtesgadener Land die Ersten mit einem Lockdown im Oktober 2020 und dann nochmal im Dezember 2021. Die Filmstudios bauten indessen ihre Streaming-Plattformen auf, die mittlerweile aufgrund ihrer Anzahl, Preissteigerungen und Unübersichtlichkeit ebenfalls einen sehr schwierigen Stand haben.

Loibl: Wenn man diverse Vergleichszeiträume betrachtet, so sind uns während der behördlich auferlegten Schließungszeiten und den angeordneten Maßnahmen – beispielsweise Platzierungsabstände – rund 60 Prozent der Gäste verlorengegangen. Es gibt sicher eine große Dunkelziffer, die sich aus Besucher/-innen zusammensetzt, die Veranstaltungen generell meiden oder die wir an Streaming-Dienste verloren haben.

Filmplakate, die im Park-Kino Bad Reichenhall aufgehängt sind
Filmplakate im Park-Kino Bad Reichenhall © Hans-Joachim Bittner

„Kino konnte sich schon immer jeder leisten, und das soll auch so bleiben“

Sie haben beide trotz all der Krisen und Probleme ihren Einheitspreis von 9,90 Euro nicht erhöht – während im Grunde alles andere im (öffentlichen) Leben teurer wurde.

Kastner: Wir hatten von 2019 bis 2022 jene Steigerung auf die 9,90 Euro für Erwachsene. Diese beruht auf der Erneuerung der Leinwand, der Bestuhlung sowie der Installation einer LED-Beleuchtung. Wir wollen die komplette Gesellschaft ins Kino bewegen, mit Familien, einfach ein Gemeinschaftserlebnis erzeugen. Keiner lacht gern allein. Kino konnte sich schon immer jeder leisten, und das soll auch so bleiben, vor allem in der aktuellen Phase. Im Kino erlebt man den Film, da kann der TV-Schirm daheim noch so groß sein.

Loibl: Das Kino soll man sich weiterhin leisten können. Die Sonntags-Matinee und die Familienprogramme sind sogar noch günstiger. Eine Preiserhöhung würde womöglich eine weitere Senkung der Besucherzahlen zur Folge haben, was sich in der Folge auf Werbebuchungen oder Spielverträge mit den Studios auswirken kann. Wir verzichten lieber auf mehr buchhalterischen Gewinn als vor leeren Sälen zu spielen – das ist nicht Sinn der Sache. Dafür haben wir das Kino nicht renoviert.

Eine Krise folgt der nächsten, jetzt geht‘s ums Energiesparen. Ihre Säle müssen geheizt und beleuchtet werden. Es ist sicher nicht einfach, in diesen Bereichen einzusparen, da dies zu Lasten des Gäste-Komforts gehen würde. Wie bewältigen Sie diese neuen Zwänge?

Kastner: Da ich selbst Elektrotechniker bin, wusste ich schon immer, wo Energie einzusparen ist. Vor drei Jahren haben wir die Eistruhe als größten Energiefresser entfernt. Im näheren Bereich des Kinos gibt es schöne Eisdielen. Der AlpenCongress wurde 2015 aufwändig saniert. Da sich das Kino im zweiten Untergeschoss befindet, ist es im Sommer vor Wärme geschützt, die vorhandene Klimaanlage wird somit fast nicht benötigt. Das Haus wurde schon vor Jahren an die Fernwärme „Bioenergie BGL“ angeschlossen, das Kino verfügt über eine Lüftungssteuerung, die den Saal rasch auf Temperatur bringt. Des Weiteren setzten wir ausschließlich auf LED-Beleuchtung und unser Projektor hat eine spezielle, energiesparende Lampentechnik. Der nächste Projektor wird einen noch sparsameren RGB-Laser besitzen. Leider hat sich der Strompreis verdoppelt, obwohl das Haus an der „Watzmann Natur Energie“ angeschlossen ist.

Loibl: Bereits bei der letzten Renovierung 2020 haben wir in allen Sälen eine Akustikdämmung eingebaut, die gleichzeitig als Wärmedämmung fungiert. Als Folge davon konnten wir den Gasbrenner ein gutes Stück runterfahren. Zusätzlich hat unsere Elektrofirma eine smarte Wärmeregelung installiert, die uns zusätzlich Energie sparen lässt. Dazu kommt natürlich der konsequente Einsatz von LED-Beleuchtung.

Das Thema Energiesparen generiert sofort das Thema Umweltbewusstsein. Die ganze Welt redet über den Co2-Ausstoß. Welche Maßnahmen wollen Sie gegebenenfalls umsetzen, um umweltfreundlicher zu werden?

Kastner: Von den 30 Punkten zum Energiesparen, die uns unser Kino-Verband vorgeschlagen hat, haben wir bis 2022 bereits 29 erfüllt. Durch LED bekamen wir jetzt den 30. Punkt dazu. In der ferienlosen Zeit reduzieren wir die Anzahl der Vorstellungen von Montag bis Donnerstag und konzentrieren uns mehr aufs Wochenende. Wir bieten schon immer Mehrweg-Glasflaschen an, die wiederum sehr viel Energie beim Kühlen sparen. Wir haben ausschließlich Papiermüll und Verpackungen mit dem grünen Punkt – somit bleibt nur noch wenig Restmüll übrig. Restliches Popcorn verschwindet in der Biotonne.

Loibl: Die Krux ist, dass uns das Kino-Gebäude nicht gehört. Am liebsten würde ich das ganze Dach mit Photovoltaik zupflastern. Das ist ohne das Zutun des Hausbesitzers und des Denkmalamtes nicht möglich. Es ist leider so, dass der Betrieb eines Kinos leider nicht ohne größeren Stromverbrauch möglich ist. Die Umstellung von analoger auf digitale Projektion hat jedoch zu einer deutlichen Senkung des Strombedarfs geführt. Wir versuchen zudem, unsere Projektoren regelmäßig zu warten, um guten Lichtdurchfluss selbst bei niedrigerer Lampenleistung zu erreichen. Dies darf natürlich nicht zu einer Verschlechterung der Bildqualität führen. Entscheidend ist unter anderem die Auslastung der Vorstellungen. Wir verzichten deshalb im Moment auf die meist schlecht besuchten Sonntagabend-Vorstellungen, das spart pro Monat einige Projektorstunden. Die Außenbeleuchtung wird erst zum Kino-Betrieb eingeschaltet und brennt nicht wie früher nahezu rund um die Uhr. Bei sämtlichen Getränken verzichten wir seit langem auf Einwegflaschen oder -dosen. Zu offenen Getränken wie Sekt oder Wein benutzen wir ausschließlich Gläser, kein Plastik.

„Awards-Season“: Präsentation potentieller Oscar-Anwärter

Welche Höhepunkte halten Sie für Ihr Publikum in diesem Jahr bereit?

Kastner: In der Nacht von kommenden Sonntag auf Montag findet die Oscar-Verleihung statt: Mit „Im Westen nichts Neues“ und „Banshees of Inisherin“ haben wir gleich 19 Nominierungen im Programm. Im März gibt noch die wunderbare Doku „Vogelperspektiven“, in der die Auswilderung unserer Bartgeier im Nationalpark integriert ist. Im April haben wir zwei besondere Aktionen: Kino-Konzerte mit „Metallica“ und „Coldplay“, dazu „Super Mario Bros“ für die ganze Familie in 3D, die Fortsetzung des Kultfilms „Manta Manta“ und Vin Diesel in „Fast & Furios 10“. Pünktlich zum „Open Air-Kino am Aschauerweiherbad“ kommt natürlich unser „Franz Eberhofer“ – er wird besuchermäßig sogar „Avatar“ im Regen stehen lassen wird. Es wird also nicht langweilig.

Loibl: Wir befinden uns gerade in der sogenannten Awards-Season, dabei freuen wir uns auf die Präsentation potentieller Oscar-Anwärter wie „Tár“ oder „Die Fabelmans“. Im kommerziellen Bereich versprechen die Realverfilmung von Disneys „Arielle, die Meerjungfrau“ oder der neue „Indiana Jones“ großes Kino. Wir zeigen noch im Frühjahr die Kino-Biographie „Anne-Sophie Mutter: Vivace“. Im Sommer wartet schließlich der nächste, unvermeidliche „Eberhofer“...

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