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Der "Bob-Pilot eines 15-Mann-Bobs" blickt zurück

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Von: Christine Stanggassinger

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Hans Hawlitschek genießt seinen Ruhestand.
47 Jahre Kommunalpolitik, 22 Jahre davon als Bürgermeister von Bayerisch Gmain, Hans Hawlitschek, weiß wovon er redet. © cz

Bayerisch Gmain - Er war 22 Jahre der Bürgermeister von Bayerisch Gmain, erst ehrenamtlich, dann hauptamtlich. In dieser Zeit ist in Bayerisch Gmain viel passiert, doch nie würde Hans Hawlitschek behaupten, er habe das alleine geschafft.

Über ein Jahr nach seinem gesundheitlich bedingten Ausscheiden aus dem Amt des Bürgermeisters hat BGLand24.de Hans Hawlitschek getroffen und mit ihm über seine Gesundheit, sein Rentnerdasein und die Kommunalpolitik gesprochen.

Wie geht es Ihnen?

Mir geht es jetzt wieder - abgesehen von der Dialyse-Behandlung - gut. Nachdem jetzt der ganze Ärger, Stress und Druck abgefallen ist. Meine Rücktrittserklärung ist jetzt circa eineinhalb Jahre her. Ich fühle mich wirklich sehr gut.

Was macht ein Hans Hawlitschek im Ruhestand?

Drei halbe Tage sind durch die Dialyse verplant. Ansonsten habe ich vier Enkel, die in Schule und Kindergarten gebracht werden müssen. Ich bin beschäftigt. Außerdem haben wir den Vorteil, dass wir im Sommer den Thumsee haben und im Winter die Rupertus Therme. An meinen so genannten "freien" Tagen schaue ich, dass ich in die Therme komme, dort im Studio ein bisschen was mache, ein bisschen schwimmen, ein bisschen saunieren.

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Dazu kommen zahlreiche Ehrungen wie die Kommunale Verdienstmedaille in Bronze, der Ehrenring in Gold, Ehrenmitglied der CSU, was bedeutet Ihnen das?

Es ist eine Anerkennung für die Leistungen, die man in den letzten 30 Jahren erbracht hat. Ich muss natürlich sagen, wenn ich den goldenen Ehrenring anschaue, das ist der Verdienst des gesamten Gemeinderates. Das sehe ich jetzt nicht als meinen Verdienst, sondern als Verdienst des Gemeinderates, der Sachen auf den Weg gebracht hat. Ich habe es in meiner Rede damals gesagt, ich fühle mich als Bob-Pilot eines 15-Mann-Bobs. Ich bin der Anschieber und der Pilot, der die Richtung vorgibt, aber ohne weitere Anschieber und ohne Bremser, die einem die "Wadl a bissl virerichten", geht es nicht.

Wir haben gute Jahre gehabt, wir haben gehackelt in den Sitzungen, aber wenn einmal Entscheidungen gestanden sind, dann ist auch der ganze Gemeinderat dahinter gestanden. Das hat sich halt in den letzten Jahren doch ein bisschen verändert, dass Entscheidungen des Gemeinderates noch gerichtlich - ob jetzt Rechtsaufsicht beim Landratsamt oder vor dem Verwaltungsgericht - angeschritten worden sind. Damit habe ich ein bisschen meine Probleme, aber der Bürger ist mündiger geworden, das ist auch nicht schlecht, aber die Streitkultur ist auch anders geworden.

Früher hat man entschieden und ist zu was gestanden und heute hinterfragt man jede Entscheidung. Man kann es nicht jedem Recht machen und das ist mein Problem, das ich auch mit den Initiativen habe. Man sieht es ja an den Abstimmungsverhältnissen. Es geht bei Bürgerinitiativen jemand zur Wahl, wenn er direkt betroffen ist. Wenn er fünf Kilometer von dem Standort lebt, wo irgendetwas gemacht werden soll, dann interessiert es ihn nicht mehr. Man muss für den ganzen Ort denken. Und das ist jetzt unser Problem, dass jeder von uns egoistischer wird. Jeder eher auf sein Wohl schaut, bevor er auf das Wohl der anderen schaut.

Sind sie deshalb froh, dass Sie Sich nicht mit dem beginnenden Kommunalwahlkampf beschäftigen müssen oder würden Sie doch noch gerne mitmischen?

Nein, ich habe meine Zeiten gehabt. Ich war seit 1972 in der Politik, seit meinem 18. Lebensjahr und jetzt sind es 47, bald 50 Jahre, ich glaube, das reicht. Ich bin jetzt 65 Jahre alt geworden und es ist Zeit, die Zukunft in die Hände der Jüngeren zu legen. Mit 65 oder 70 oder noch über 70 glaube ich nicht, dass diese Leute über die Zukunft unserer Kinder und Enkel noch entscheiden sollten. Die Entscheidungen sollte man doch in die Hände der Leute legen, die betroffen sind. Das sind eben mehr oder weniger die Jungen.

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47 Jahre Lokalpolitik, als Gemeinderat, Bürgermeister und Kreisrat. Welche Dinge waren für Sie die wichtigsten, die Sie angestoßen und mit auf den Weg gebracht haben?

Nachdem ich lange Jahre Sportvorstand war, ist natürlich die Sport- und Freizeitanlage zusammen mit Großgmain eines der Highlights. Außerdem haben wir 16 Parzellen Bauland für Einheimische geschaffen. Des wird die Zukunft auch wieder bringen, wir brauchen unbedingt neues Bauland für Ortsansässige, weil wir schauen müssen, dass wir unsere jungen Leute am Ort halten. Wir haben den Vorteil, dass die qualifizierten jungen Leute nicht mehr nach München müssen, sondern dass wir die Boom-Town Salzburg vor der Haustür haben, so dass doch einige dort entsprechend gut bezahlte Arbeitsplätze finden können.

Die angesprochene Gmoa-Arena ist derzeit wieder ein heißes Eisen in Bayerisch Gmain. Wie stehen Sie zur aktuellen Debatte um die Erweiterung?

Wir sind in der glücklichen Lage, eine sehr hervorragende Jugendarbeit zu haben. Wir haben also inzwischen für die Fußballkinder 14 Trainer, die das ehrenamtlich machen, ohne dass sie großartig dafür entlohnt werden. Wir haben weit über 100 Kindern in Bayerisch Gmain, da kommen noch 50 bis 60 aus Großgmain dazu, was wächst auch glücklicherweise inzwischen zusammen.

Für acht Jugendmannschaften und vier Herrenmannschaften haben wir bis jetzt nur einen Trainingsplatz und der wird strapaziert. Innerhalb von einem Jahr ist er halb umgegraben. Was wir jetzt dringend brauchen, ist ein zweiter Trainingsplatz. Bis jetzt haben wir einen Bolzplatz, der eine Steigung von zwei Meter auf 80 Meter hat. Es ist eine Bauernwiese, die muss mit einer gewissen Drainage unterlegt und eingeebnet werden. Deshalb sind wir in Verhandlungen mit der Gemeinde Großgmain.

Kunstrasen ist außen vor. Der bringt nur dann was, wenn er die Mindestgröße für einen Fußballplatz hat, der dann auch bespielt werden kann. Wir bräuchten ein D/E/F-Jugend Spielfeld, das würden wir auf der Fläche unterbringen. Bisher ist immer von einem ausreichenden Spielplatz gesprochen worden. Den kriegen wir aufgrund der Fläche nicht unter. Wir brauchen einen Trainingsplatz, dann sind die Kosten auch nicht mehr in der Größe gegeben, wie sie jetzt diskutiert werden. 600.000 Euro sind einfach zu viel.

Auf welche Thematik hätten Sie in Ihrer Amtszeit als Bürgermeister verzichten können?

Ärgerlich war die ganze Geschichte mit der Optimierung der Kläranlage, dass das nicht in dem Zeitraum vollzogen wurde, wie wir uns das vorgestellt haben. Dass einige Sachen hinterfragt wurden, bis wir im Endeffekt doch den Weg gehen konnten, den wir im Gemeinderat beschlossen hatten. Die Geschichte ist halt, dass es deutlich länger gedauert hat, was natürlich Ressourcen aufgebraucht und Kosten verursacht hat, aber es steht jetzt vor der Vollendung. Es ist eine Sache, die für die Umwelt wirklich wichtig ist, wir haben jetzt einen Reinigungsgrad, der an die 100 Prozent geht.

Was für mich aber ein richtiger Schlag war, war die Diskussion ehrenamtlicher Bürgermeister oder hauptamtlicher Bürgermeister. Ich habe sowohl als ehrenamtlicher, als auch als hauptamtlicher Bürgermeister gearbeitet. In der Ehrenamtszeit habe ich 30 Stunden im Finanzamt gearbeitet und 50 in der Gemeinde. Noch dazu habe ich in der Woche 10 Stunden auf der Straße verbracht. Deshalb kann ich diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Es hat mir weh getan und war von langer Hand geplant.

Sie sehen sich jetzt als "Senior Consultant" der CSU in Bayerisch Gmain. Was können Sie den jungen Leuten mit auf den Weg geben?

Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihnen jederzeit helfen werden, wenn Sie Probleme, Fragen haben. Weil eine gewisse kommunalpolitische Erfahrung habe ich dann doch. Ich werde mich jetzt aber nicht aktiv in den Wahlkampf einbringen, weil mit 65 muss eigentlich auch irgendwann mal Schluss sein. Aber wenn sie meine Hilfe brauchen, stehen ich ihnen selbstverständlich zur Verfügung.

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2008 sind sie mit 92 Prozent wieder zum Bürgermeister gewählt worden. Ist so etwas heute noch möglich?

Nein! Definitiv nicht. in diesem Jahr hatte ich keinen Gegenkandidaten und trotzdem habe ich kaum Gegenstimmen gehabt, also kann die Politik nicht so schlecht gewesen sein. Heute ist man viel kritischer, entweder mag man einen oder mag man einen nicht und da geht es nicht mehr um die Leistungen oder Nicht-Leistungen, die erbracht worden sind, sondern Sympathiko oder Nicht-Sympathiko. Auf dieses Ergebnis bin ich furchtbar stolz, aber das wird es glaub ich heute nicht mehr geben.

Sind Sie auch stolz darauf, Michaela Kaniber in die Politik gebracht zu haben? Immerhin ist sie heute Bayerns Landwirtschaftsministerin.

Ich hab sie 2008 zur Politik gebracht, weil ich gesagt habe, du bist interessiert und du würdest gut auf unsere Liste passen. Aber sie hatte zu dem Zeitpunkt nur die kroatische Staatsbürgerschaft. Glücklicherweise hat sie ein paar Tage bevor wir die Meldung bei der Gemeinde abgeben mussten, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und ist dann auf unsere Liste gekommen und auch gewählt worden.

Der Weg, den sie jetzt gegangen ist, freut mich wahnsinnig. Das ist sensationell. Sie ist auch anerkannt und das Landwirtschaftsministerium ist nicht das einfachste. Die Bauern sind in allen Punkten kritisch und wie sie sich da verkauft, ist für mich erste Sahne. Man merkt es auch bei ihren ganzen Auftritten, ob des jetzt in der Oberpfalz ist oder in Franken, sie kommt einfach gut an und kann auch den Kritikern kontra geben. Sie hat einen guten Stamm im Ministerium hinter sich, aber trotzdem die Arbeit, den Verkauf muss halt doch sie machen und das macht sie excellent.

Auch Sie haben kommunalpolitisch viel erreicht. Hätte Sie die "große" Politik nie gereizt?

Nein! Ganz klare Aussage, nein! Ich war auch zwölf Jahre Kreisrat, da kann man einiges bewirken. Man kann mit abstimmen. Entschieden hat im Endeffekt auch im Kreistag die Mannschaft um den Landrat und die Bürgermeister. Als Bürgermeister hat man ein deutlich größeres Mitspracherecht auch in Landkreisangelegenheiten als als Kreisrat.

Was ist in Bayerisch Gmain jetzt wichtig? Welche Projekte müssen angepackt werden?

Was sehr wichtig ist, eine Bedarfserhebung für die Schule zu machen. Das muss jetzt unbedingt angeschoben werden. Wir haben in den letzten zehn Jahren einen Bevölkerungszuwachs gehabt. Glücklicherweise jüngere Mitbürger. Und damit hat sich auch die Zahl der Schüler deutlich gesteigert. Wir waren in den 90er Jahren knapp dran, dass wir die Grundschule schließen müssen, weil wir die Schülerzahlen nicht mehr erreicht haben. Inzwischen kämpfen wir darum, dass wir eine zweite erste oder zweite Klasse brauchen. Das dringlichste müsste die Schule sein.

Auch das Rathaus ist in die Jahre gekommen, das Haus ist über 100 Jahre alt. Da muss was gemacht werden. Und auch im Haus des Gastes muss etwas weitergehen. Aber ich hoffe jetzt nicht, dass es auf die lange Bank geschoben wird, das können wir uns meiner Meinung nach nicht leisten. Aber das muss der neue Gemeinderat in die Hand nehmen.

Genauso wie ein neues Einheimischen-Modell. Das wird eine weitere Aufgabe für den Gemeinderat sein, neues Bauland für Ortsansässige zu kreiren.

"Ideen hätt ma scho, schau ma mal, was dabei rauskommt", schließt Hawlitschek mit einem Schmunzeln und hat abschließend noch einen Tipp für die jungen Leute im Gepäck: "Die jungen Leute sollen sich engagieren, sie sollen mal von ihren Laptops und Tablets wegkommen und sollen sich ehrenamtlich engagieren und für die Gemeinde. Da muss nicht überall das Pickerl CSU oder FWG oder SPD draufkleben. Wir haben die ganzen Leistungen, die wir in den letzten Jahren im Gemeinderat geschafft haben, gemeinsam geschafft und nicht gegeneinander. Das ist für mich der Hauptgrund, sich zu engagieren. Es wäre wünschenswert, dass die Gemeinsamkeit wieder gefördert wird, nicht, dass wir weiter auseinander driften."

cz

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