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Landkreis am Limit: Wohin mit den neuen Flüchtlingen?

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Von: Melanie Fischer

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Landrat Kern und eine Notunterkunft
Landrat Kern möchte unbedingt verhindern, dass Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden. © Collage Landratsamt BGL, dpa

Verzweiflung und Perspektivlosigkeit war den Mitgliedern des Kreisausschusses bei der Diskussion anzuhören. Die baldigen Zuweisungen von neuen Flüchtlingen bringen den Landkreis Berchtesgadener Land an die Kapazitätsgrenze. Doch was tun? Landrat Kern möchte unbedingt verhindern, dass Turnhallen in Unterkünfte umfunktioniert werden. Mit einem deutlichen Appell wandte er sich daher an die Anwesenden.

Bad Reichenhall – Im Kreisausschuss stand am Mittwoch (8. März) das Thema eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung. Nach dem einstimmigen Beschluss, dass die Caritas auch im Jahr 2023 die Asylsozialberatung übernimmt, ließ es sich Landrat Kern aber nicht nehmen, die Flüchtlingsproblematik in der Region erneut anzusprechen.

2441 Asylbewerber gibt es derzeit im Landkreis, davon 1422 aus der Ukraine. Bereits für den 16. März ist eine neue Zuweisung von ukrainischen Flüchtlingen angekündigt. „Diese bringen wir nur schwer unter“, so Kern. Die Not war dem Landrat anzuhören: „Ich werde nicht müde, Sie um weitere Unterstützung zu bitten. Egal ob Wohnung, Haus, Hotel oder Pension: bitte helfen wir zusammen! Wir sind in einer ganz schwierigen Zeit. Ich möchte nicht in einer Mehrzweck- oder Sporthalle Unterkünfte errichten.“ Der Vereinssport solle nicht gehemmt werden.

Die Wiese an der Münchener Allee in Bad Reichenhall und Container
Auf der Wiese neben der ehemaligen Eishalle in Bad Reichenhall sollen Container für Flüchtlinge aufgestellt werden. © Collage Melanie Fischer, Daniela Haindl

Container statt Turnhallen

Dem Landkreis wird es nicht erspart bleiben, auf Modulbauweise zu setzen. Der Bad Reichenhaller Stadtrat hat per Beschluss die Wiese an der Münchener Allee, Ecke Werkmeisterweg als Fläche für Wohncontainer ausgewiesen. Im Moment werden hier noch die Genehmigungen abgestimmt. Auch neben dem Landratsamt ist eine Aufstellung von Containern möglich. Dennoch ist das Problem damit nicht gelöst: Auf den beiden Arealen kann man insgesamt etwa 200 Menschen unterbringen. Die im Axelmannstein untergebrachten Flüchtlinge müssen aber bald aus dem Gebäude weichen. Zusätzlich werden jeden Monat bis in den Sommer hinein 100 neue Asylbewerber dem Landkreis zugeteilt werden.

Viel Unmut in der Diskussion

In der Diskussion machten viele Mitglieder ihrem Unmut Luft. Für den Bischofswiesener Bürgermeister Thomas Weber (CSU) ist „die Kapazitätsgrenze erreicht. Wir können keine weiteren aufnehmen. Wir haben nicht einmal Wohnungen für die Einheimischen. Da gibt es 500 Gesuche. Ich erwarte, dass auch der Bund in die Pflicht genommen wird.“ So gäbe es in Bischofswiesen Grundstücke vom Bund, die von der Gemeinde aber nicht gekauft werden dürften. „Wir werden das jetzt lautstark kommunizieren“, schloss er.

Der Landrat warf ein: „Wir reiben auch das Personal im Landratsamt und die Hilfsorganisationen auf, wenn die Zuweisungen so weitergehen. Das grenzt schon an Wahnsinn. Für die eigenen Leute schaffen wir den Wohnraum nicht. Wir können das so nicht mehr akzeptieren.“

Hans Metzenleitner (SPD) sprach seinen Dank an die Mitarbeiter des Landratsamtes aus, „die mit der extrem schwierigen Situation zu kämpfen haben.“ Noch schwieriger sei es allerdings 2015/16 gewesen, als man noch unvorbereitet war. Dennoch sei die Grenze irgendwann erreicht. Metzenleitner zeigte sich auch unzufrieden mit dem Migrationsgipfel im Februar. In den letzten zehn Jahren sei es einfach nicht gelungen, innerhalb der EU einen gerechten Verteilmechanismus hinzubekommen. Im Bezug auf das Wohnbaudefizit mahnte er allerdings, „zu sehr die Migrationsproblematik und die Wohnbauproblematik in der Öffentlichkeit gegeneinander auszuspielen. Wir müssen bei dem Thema eine Grundsensibilität wahren.“

Das Thema nahm Bad Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung (CSU) auf. Er entgegnete Metzenleitner: „Es ist kein Vermengen, sondern ein Aussprechen der Folgen. Wenn wir der Aufgabe nicht nachkommen, neuen Wohnraum zu schaffen, dann konkurrieren die selbstverständlich mit der eigenen Bevölkerung.“ Auch ärgere er sich darüber, dass alles auf die Kommunen abgeschoben werde. „Ich sehe keine Perspektive, wenn man mit Mandatsträgern spricht. Da kommt immer nur ein Schulterzucken. Wir lassen uns das nicht mehr länger gefallen.“

„Werden die, die keinen Anspruch haben, nicht mehr los“

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles in einen Topf werfen“, mahnte Michael Koller (FW). „Wir sind bereit zu helfen. Aber wir werden die, die keinen Anspruch haben, einfach nicht mehr los. Diese Verfahren muss man schneller abhandeln, dann kann man die, denen es zusteht, schneller unterbringen. Es gibt ganz viele, die darauf angewiesen sind, bei uns Schutz zu finden.“ Empört zeigte sich Elisabeth Hagenauer (Grüne) und legte zum Schluss den Focus auf die Ursachen. „Wer möchte denn Leute nach Syrien und Afghanistan abschieben? Da ist Krieg!“

Der Schapbachhof in Schönau am Königssee: Mehrere Gebäude können bis zu 150 Personen beherbergen.
Der Schapbachhof in Schönau am Königssee: Mehrere Gebäude können bis zu 150 Personen beherbergen. © kp

Neben den am 16. März eintreffenden ukrainischen Flüchtlingen werden demnächst auch 100 afghanische Ortskräfte in den Schönauer Schapbachhof einziehen. Die Gemeinde ist im Verhältnis zu den Einwohnern die, die am meisten Flüchtlinge im Landkreis aufgenommen hat. Die afghanischen Ortskräfte dürfen allerdings gleich eine Arbeitsstelle annehmen. Mehrere Firmen haben schon ihr Interesse an ihnen als Mitarbeiter geäußert.

mf

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