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„Stadtwerke Grazi-Man“ feiert 25. Geburtstag

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Von: Hans-Joachim Bittner

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Zielspring Grazi Man
Spektakulär wird’s, wenn die Paragleiter im Laufwettstreit gegeneinander um jede Position kämpfen. Unser Bild zeigt den Reichenhaller Christian Lobensommer (links) im abschließenden Wettstreit mit Daniel Roth. © bit

Es war nicht immer einfach. Der Grazi-Man, einer der außergewöhnlichsten Sport-Bewerbe im Berchtesgadener Land und über dessen Grenzen hinaus, erlebte seit seiner Gründung 1995 zahlreiche Veränderungen, Absagen, zwei Unfälle, auch Trauer, ein paar Tiefen… – vor allem jedoch unvergleichliche Höhepunkte, reichlich Emotionalität und einzigartige Erinnerungen.

Bad Reichenhall – Nun feiert der ausrichtende Gleitschirmclub Albatros Bad Reichenhall (GSC) mit der 25. Auflage am Samstag (20. August) einen besonderen Geburtstag. Für BGLand24.de Grund genug, auf dieses Vierteljahrhundert zurückzuschauen – rein an Jahren sind es freilich noch mehr als diese 25, da drei der geplanten Bewerbe ausfallen mussten, zuletzt zwei aufgrund der Pandemie.

Dolomitenmann als Vorbild

Anfangs ging’s für die Mountainbiker sogar über kleine Sprungschanzen, der Start- und Zielbereich lag am Bundeswehr-Sportplatz. Zunächst gab’s einen ganz anderen Dreikampf: Schwimmen im Thumsee, eine Runde um den See laufen, Paragleiten von der Zwieselalm. „Das war jedoch ein rechter Krampf, das hat uns allen nicht richtig getaugt“, sagt Jochen Politt vom 1987 gegründeten GSC. Er selbst war ab 1994 zehn Jahre 1. Vorstand des Vereins. „Der Dolomitenmann war zu dieser Zeit bereits eine große Sache. Wir dachten, machen wir doch etwas Ähnliches.“

Mit „wir“ sind Politts damalige Vorstandskollegen Lothar Prücklmaier und Roland Sevcik gemeint. Das Mountainbiken kam ebenfalls immer stärker auf. „Wir sind oft auf die Zwieselalm geradelt und gelaufen, haben Wirt Pankraz Potschacher Holz gebracht“ – und der „Grazi“ wurde zum Namenspatron des neuen Bewerbs. Zuerst führte die Radlstrecke zur Padinger Alm, schließlich rüber zum Jochberg und auf die Höllenbachalm. Das Laufen zur Zwieselalm und das Gleitschirmfliegen von dort zurück zu Start und Ziel sind bis heute gleichgeblieben.

Zunächst, 1995 und ’96, fand alles noch rein Albatros-intern statt. Dabei schlossen sich die jeweils stärksten Radler und Läufer zusammen – und gewannen. „Das konnte es nicht sein“, erinnert sich Politt an die Gedanken von damals: „Wollten wir doch einen Bewerb schaffen, der allen Spaß macht und bei dem alle ein Erfolgserlebnis haben können“, so der heute 71-Jährige. Im zweiten Jahr kaufte der Verein Überraschungseier und loste die Teams beim „Poschei“ in Baumgarten aus – bis heute ein beliebter Treffpunkt zum Jahresabschluss der Reichenhaller Gleitschirmflieger. „Damit erreichten wir ausgeglichenere Dreier-Mannschaften“, erzählt Politt weiter.

Große Diskussionen über zahlreiche Sportler „von außen“

Nach dem 2. Grazi-Man 1996 kamen schließlich zahlreiche Sportler „von außen“ auf den GSC zu, weil sie gerne mitmachen würden. Im Verein gab es große Diskussionen, ob der Wettkampf für alle geöffnet werden sollte. Die Entscheidung fiel: 1997 fand die erste „richtige“ Staffel für alle statt, mit noch relativ wenigen Teilnehmern, 40 rund. Zu Beginn musste bei „ungenauer“ Landung eine Strafstrecke durch die Hosewasch geschwommen und sich durch den Uferschilfgürtel zurück Richtung Ziel gekämpft werden. Heute reicht eine Strafrunde trockenen Fußes auf der Weitwiese.

Immer moderner und professioneller

Der Grazi-Man etablierte sich, hier und da schauten echte Profis vorbei. Immer wieder feilten die Albatrosse am Modus, machten ihn professioneller und moderner. Anfangs lagen Start und Ziel an der Von-Martius-Straße. Später fiel die Padinger Alm aus dem Konzept. Fortan ging’s auf „direkterem Weg“ übers Bruckthal zur Höllenbachalm, der ersten Übergabe-Station. Die Qualität der bunten Sportgeräte aus Ripstop-Nylon, einem Zeltstoff, steigerte sich sukzessive, das Landen im Sommer wurde durch die Thermik-Ablöse rund um den Bundeswehr-Sportplatz immer gefährlicher – untermauert sogar durch einen Unfall bei der 4. Auflage, also 1998: Peter Miess aus Bergen stürzte beim Landeanflug drei Meter ab, brach sich zwei Brustwirbel, erholte sich davon aber zum Glück.

Sportler aus ganz Europa mit am Start

Die GSC-Verantwortlichen mussten handeln und wechselten 2002 den zentralen Veranstaltungsort: Die Karlsteiner Weitwiese wurde auserkoren. Dort war für die komplette Logistik ausreichend Platz. Der Bewerb boomte, sprach sich in der Szene rum, immer mehr Sportler kamen ins Berchtesgadener Land. Die Zuschauerzahlen stiegen ebenfalls, mittlerweile besitzt der „Stadtwerke Grazi-Man“, so der offizielle Name seit 2018, bei Fans aus nah und fern echten Kultstatus. Es dauerte nicht lange, bis Athleten aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Luxemburg, Italien oder Ungarn teilnahmen, aus ganz Bayern und Deutschland ohnehin.

„Im Gegensatz zum Dolomitenmann steht bei uns – bei allem sportlichem Ehrgeiz – bis heute der Spaß im Vordergrund. Hier ist es letztlich egal, ob du Dritter oder Zwölfter wirst“, sagt Jochen Politt. „Dass sich die Sieger über ihre Leistungen freuen, leistet der ganzen Sache ja keinen Abbruch und ist genauso selbstverständlich.“ Mittlerweile kümmert sich stets ein rund 50-köpfiges, eingespieltes Helferteam um Athleten wie Zuschauer. Vor besonderen Aufgaben steht immer wieder mal der langjährige Streckenchef Wolfgang Krämer: „Da müssen schon mal umgestürzte Bäume aus dem Weg geräumt werden“, erzählt Politt.

Nur einmal wurde der Grazi-Man – neben den beiden Corona-Jahren 2020 und ’21 – abgesagt, jedoch nicht aufgrund schlechten Wetters: Der tödliche Unfall zweier Athleten beim Zugspitzlauf 2008 sorgte aufgrund der Haftungsfragen auch bei den heimischen Veranstaltern für Unbehagen. Der Albatros-Vorstand verzichtete auf die Austragung 2009, um in Ruhe ein neues Sicherheitskonzept zu erarbeiten.

Seitdem gibt es einen Risikoplan, inklusive einer für den Verein nicht gerade günstigen Veranstalter-Haftpflichtversicherung. Der Sicherheit gehört im Team des heutigen Vorstands Wolfgang Nöhrig die größte Aufmerksamkeit: Deshalb ist der „unmittelbare“ Staffel-Charakter früherer Jahre nicht mehr hundertprozentig einzuhalten. Nun wird die Zeit der Bergläufer bei ihrem persönlichen Zieleinlauf an der Zwieselalm erstmal „eingefroren“. Und die Startleiter Wolfgang Krämer und Gerhard Pötsch entscheiden mit einer Handvoll Piloten vor Ort, wann gestartet wird.

„Extrem“-Ereignisse

In der Vergangenheit klappte – normal im Leben – nicht immer alles: Eine Notlandung beim Listwirt 2015 wegen eines Verhängers in den Schirm-Fangleinen oder ein Oberschenkelbruch beim Reichenhaller Top-Radler Thomas Brengartner 2017 sind zwei weitere „Extrem“-Ereignisse, die der Grazi-Man im Laufe seiner bislang 24 Auflagen verzeichnen musste. 2019, bei der letzten Auflage vor Corona, wurde der aktuelle Teilnahme-Rekord registriert: 77 Teams zu je drei Teilnehmer/-innen plus 26 Einzelstarter (darunter fünf Damen) – macht 257 Sportlerinnen und Sportler.

Aufgrund des vorhandenen Platzangebots rund um die Zwieselalm ist der Bewerb auf 100 Gleitschirmflieger begrenzt. Rekord-Einzelstart-Sieger ist Andreas Huber mit fünf Erfolgen: Mit 19:31 Minuten hält der Ruhpoldinger sogar die sagenhafte Mountainbike-Bestzeit, besser als der 2015 ebenfalls am Start gewesene Toni Palzer aus der Ramsau, mittlerweile Rad-Profi auf der Straße.

Wegen schlechten Wetters am geplanten Wettkampftag wurde der Grazi-Man erst einmal auf den unmittelbar folgenden Sonntag verlegt. Nur zweimal musste das Fliegen gestrichen werden, zuletzt 2014: Aufgrund zu dichter Wolken am Zwiesel konnte nur noch Vorflieger Norbert Schmiderer aus Lofer abheben. Mit dem Paragleiten bis zum Nachmittag zu warten, wäre wettbewerbsverzerrend, aufgrund zu unterschiedlicher Thermik- und Windbedingungen.

1998 wurde der Flugstartort wegen zu staken Westwinds – sehr selten an den Kurstadt-Bergen – kurzerhand auf den Predigtstuhl verlegt. An der anderen Talseite Reichenhalls präsentierten sich die Bedingungen für die Paragleiter sicher. Via Funk wurden die Piloten am Hochschlegel informiert, wenn ihr Läufer auf der Zwieselalm „angeschlagen“ hatte – und sie konnten abheben.

Dolomitenmann komlett „kopieren“?

Der Grazi-Man-Termin Mitte August bewährte sich von Anfang an, letztlich steht und fällt der Dreikampf mit dem Wetter. Mountainbiken und Laufen funktionieren auch bei Regen, dichte Wolken oder zu starker Wind am Startplatz avancieren jedoch zu den unbesiegbaren Gegnern der Piloten. Ehe allerdings kein Bewerb zustande kommt, wird er in diesen Fällen kurzerhand zum Duathlon aus den beiden ersten Sportarten verkürzt. Die Überlegung, den Dolomitenmann komplett „zu kopieren“, also mit anschließendem Kajakfahren, gab es. Auf der Saalach wäre diese vierte Disziplin möglich. „Der Aufwand würde für uns jedoch zu groß werden“, weiß Jochen Politt.

Für interessierte Zuschauer ist der Grazi-Man ebenfalls durchaus eine sportliche Herausforderung, möchten sie alle drei Disziplinen umfassend live mitverfolgen: „Es ist kaum möglich“, weiß Politt. Potenzielle Fans müssen sich fast für eine Wechselstation entscheiden. All jene, die zur Zwieselalm wandern, sehen zumindest die Läufer ankommen und die Paragleiter abheben. Fakt ist: An den beiden Übergabepunkten Höllenbach- und Zwieselalm sowie im Ziel befinden sich die stimmungsvollsten Areale. Für alle, die nach dem Radlstart auf der Weitweise bleiben, wird die gut einstündige Wartezeit von den Moderatoren Martin Dufter und Wolfgang Nöhrig mehr als überbrückt: Nicht nur mit Ergebnis-Zwischenständen, sondern vor allem mit viel Insiderwissen zur faszinierenden, höchst komplexen Flug-Disziplin. Nach dem Wettkampf ist schließlich noch lange nicht Schluss: Seit einigen Jahren runden wechselnde Live-Bands die Grazi-Man-Tage gelungen ab – selbst wenn es dann bereits regnet …

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