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„Warum legen Sie nicht Ihr Mandat nieder?“ - Heiße Diskussion um Streaming in Bad Reichenhall

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Von: Melanie Fischer

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Das Alte Rathaus Bad Reichenhall und eine Videokonferenz
Bei der Diskussion um die Videoteilnahme an Stadtratsitzungen ging es hoch her. © Collage Vitta Gallery/Imago, Karlheinz Schindler/dpa

Die Pandemie hat auch der Stadt Bad Reichenhall viele technische Neuerungen gebracht. So sind inzwischen Videokonferenzen im Rathaus möglich. Nun ging es im Stadtrat darum, ob die Bürger bald online zuschauen können. Doch der Vorschlag, die Sitzungen auch für Stadträte hybrid ablaufen zu lassen, stießen bei einigen Mitgliedern auf harsche Gegenwehr.  

Bad Reichenhall - Für die Sitzung am 7. Februar hatte Stadträtin Dr. Pia Heberer (Grüne) in einem Antrag gefordert, mehr digitale Teilhabe anzubieten. Es ging hierbei um zwei verschiedene Angelegenheiten: Zum einen sollen die Stadtratsmitglieder auch digital an Sitzungen teilnehmen können. Zum anderen sollen die Sitzungen im Livestream für die Bürger übertragen werden. Die Technik dazu bestünde bereits.  

Punkt 1: Hybridsitzungen für Stadträte

Heberer hatte in ihrem ersten Punkt ein hybrides Modell für die Sitzungen gefordert. Das heißt: Stadträte können auch online an einer Sitzung teilnehmen und müssen nicht erscheinen. Die technischen Möglichkeiten seien bereits vorhanden. Es kämen keine zusätzlichen Kosten auf die Stadt zu. Außerdem ließe sich so das Ehrenamt besser mit Familie und Beruf in Einklang bringen, was vor allem für Frauen von Vorteil sei. Für sie persönlich sei es aus beruflichen Gründen oft schwierig, an allen Sitzungen teilzunehmen. „Das Berufsleben ändert sich. Ich muss auch essen und annehmen, was an Aufträgen kommt“, so die Architektin.

Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung (CSU) gab zu bedenken, dass der Gesetzgeber dies zwar ermögliche, hierzu aber die Geschäftsordnung entsprechend geändert werden müsse. Dafür benötige es eine Zweidrittelmehrheit. Der Sitzungsleiter müsse allerdings immer anwesend sein, in diesem Falle Lung selbst: „Mich werden Sie nicht los“, scherzte er. Allerdings könne man auch zahlen- und quotenmäßige Begrenzungen einführen, damit eine bestimmte Anzahl an Stadträten immer zu Sitzungen im Haus wäre. Heberer ließ schließlich im Antrag ergänzen, dass die Geschäftsordnung dahingehend geändert und die online-Teilnahme an einem Verhinderungsgrund geknüpft werden solle.

Teilweise lautstarke Diskussion unter den Stadträten

Heiß ging es in der anschließenden Diskussion her. Rainer Hüller (Grüne) betonte, „das es kein Antrag der Fraktion ist. Ich selbst bin dagegen. Nach der Pandemie brauchen wir diese Einrichtung nicht mehr. Als Stadtrat erwarte ich, dass man anwesend ist und sich die meiste Zeit in Reichenhall aufhält.“ Werner Mägerle (Liste Lackner) ergänzte: „Ich bekomme ja eine kleine Entschädigung und die kann ich nicht annehmen, wenn ich nie da bin.“

Ania Winter (FWG) zweifelte daran, ob nichtöffentliche Sitzungen wirklich geheim blieben. „Keiner kann sein Wohnzimmer hermetisch abriegeln.“ Außerdem könne man nicht alle Rahmenbedingungen an die individuelle Lebenssituation anpassen. Dr. Herbert Lackner (Liste Lackner) war mit seiner Fraktion ebenfalls gegen den Vorschlag: „Wenn ein Bürger einen Stadtrat wählt, geht er davon aus, dass der auch in den Stadtrat geht.“

Laut wurde Fritz Grübl (FWG): „Dass man wegen einer Stadträtin so einen Aufstand macht! Warum legen Sie nicht Ihr Mandat nieder? Es kann nicht sein, dass alle anderen brav in die Sitzung gehen. So oft, wie Sie gefehlt haben, kann man das nicht mehr verantworten. Wenn Sie das Mandat haben, müssen sie es auch wahrnehmen. Da bin ich jetzt grimmig.“

Als Fürsprecher fand sich etwa Martin Schoberth (CSU). Dieser meinte zu denen, die betonten, wie wichtig es wäre, dass man da sei: „Wenn jeder den Anspruch hat, hier zu sein, habe ich bei einzelnen gar kein Problem.“ Für Hans Hartmann (CSU) „heißt hybrid nicht, dass man nicht in der Sitzung dabei ist. Der, der kommen will, kann ja kommen und der, der verhindert ist, kann sein Wissen einbringen. Wir haben die technischen Voraussetzungen und nutzen sie nicht.“ Auch Julia Schmied (fraktionslos) äußerte, zustimmen zu wollen. „Ob es aber etwas bringt, dass mehr Frauen mit Kindern und Beruf teilnehmen werden, glaube ich nicht.“

Punkt 2: Livestream für die Öffentlichkeit

„Die Teilnahme der Bevölkerung bei den Sitzungen ist sehr gering.“ Eine Live-Übertagung für die Öffentlichkeit würde laut Heberer dazu führen, „dass sich mehr Leute inhaltlich mit den Themen des Stadtrates auseinander setzen. Stadtratsarbeit ist auch Öffentlichkeitsarbeit.“ In ihrem Beschlussvorschlag sollte der Stadtrat die Verwaltung beauftragen zu prüfen, ob die Technik es zulassen, die Sitzungen live zu streamen.

Ania Winter (FWG) stimmte zwar zu, „dass das politische Interesse größer werden könnte, aber ich sehe auch Bedenken. Das Ganze bleibt ja auch im Internet. Es gibt vielleicht auch den ein oder anderen, der nicht einverstanden ist.“ Auch Oberbürgermeister Lung hielt es für rechtlich schwierig, „weil auch Verwaltungsmitarbeiter Einverständnis geben müssten.“ Herbert Lackner (Liste Lackner) hielt es für einen „schönen Service“. Hans Hartmann (CSU) verwies auf eine Bürgeranfrage, die bereits am 11. Mai 2021 besprochen worden war, bei der die Themen Transparenz und Bürgernähe im Mittelpunkt standen. Er werde zustimmen.

Getrennte Abstimmung mit unterschiedlichen Ergebnissen

Im Anschluss an die Diskussion wurden die beiden Punkte getrennt abgestimmt. Der Wunsch nach hybriden Sitzungen aus Punkt 1 verfehlte mit 13 Stimmen die Zweidrittelmehrheit. Die Stadträte müssen auch weiterhin zur Sitzung direkt vor Ort erscheinen.

Der Vorschlag zum Livestream für die Bürger erreichte mit sieben Gegenstimmen die benötigte einfache Mehrheit und wurde angenommen. Es könnte also nach Prüfung bald möglich sein, dass man sich in die Stadtratssitzungen von Bad Reichenhall als Bürger einfach von zu Hause aus zuschaltet.

mf

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