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Hubertus Meyer-Burckhardt im Interview: „Ich habe vor Frauen einfach mehr Respekt“

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Von: Melanie Fischer

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Hubertus Meyer-Burckhardt
Hubertus Meyer-Burckhardt in Bad Reichenhall © Melanie Fischer

Ausverkauft war die Lesung mit Hubertus Meyer-Burckhardt am 28. Februar in Bad Reichenhall schon seit vier Wochen. Rund 140 Neugierige erlebten einen humorvollen und kurzweiligen Abend. Der NDR-Moderator nahm sich vorab die Zeit, in einem Interview mit BGLand24.de über Frauen, Fernweh und Rod Stewart zu sprechen.

Herr Meyer-Burckhardt, Sie treten ja heute in Bad Reichenhall als Autor auf. Sie sind aber auch Journalist, Moderator und Produzent. Was liegt Ihnen denn am meisten?

Ich finde den Vergleich ganz gelungen, dass ich mir vorkomme wie ein Maler mit einer Palette. Und die verschiedenen Farben sind die verschiedenen Tätigkeiten. Ich mache eigentlich alles gerne. Ich habe keine Priorisierung, was mir am meisten Spaß macht. Im Herbst meiner Karriere darf ich alles machen, ohne als Geschäftsführer, Vorstand oder operativ tätig zu sein. Mir macht alles Spaß.

Schreiben Sie nach dem Motto „schreiben heißt: sich selber lesen“?

Das würde ich nicht sagen. Ich habe über 30 Jahre lang Spielfilme produziert. Und habe während dieser Zeit immer die Autoren beneidet, nie die Regisseure, nie die Schauspieler, nie die Kameraleute. Ich dachte mir immer: Eines Tages wirst du mal schreiben. Vor zehn Jahren habe ich mit dem ersten Roman „Die Kündigung“ angefangen. Ich will mich aber nicht als literarischen Autor betrachten. Ich bin ein Storyteller. Ich erzähle gerne Geschichten. Ich betrachte es mehr als ein Handwerk.

Sie haben Romane geschrieben, aber auch Sachbücher. - Lieber Fiktion oder Fakten?

Eigentlich lieber Fiktion. Ich habe nur lernen müssen, dass das Publikum von mir keine Fiktion erwartet. Das hat mich sehr geschmerzt, weil ich gerade den Roman „Meine Tage mit Fabienne“ wirklich gelungen finde. Aber er hat keine große Resonanz gefunden. Dann habe ich angefangen, Sachbücher zu schreiben. „Die ganze Scheiße mit der Zeit“ war dann gleich ein Top Ten Spiegel Bestseller. Das Publikum traut mir keine Romane, aber eine Meinungsstärke zu. Das nächste wird wieder ein Sachbuch.

Haben Sie da schon etwas in Planung?

Das wird ein sehr launiges Porträt über meine Großmutter mütterlicherseits.

Wieso launig?

Die fuhr Moto Guzzi, sie war Antifaschistin. Sie hat den schönen Satz gesagt: „Wenn Sie stolz auf Ihr Volk sein wollen, dann empfehle ich Ihnen den Beruf des Imkers.“ Sie war einfach ne echte Type. Mittags stand schon die Flasche Wein auf dem Tisch. Ein anderer Satz, mit dem ich groß geworden bin, war: „Unter den leichten Landweinen ist mir der Cognac am liebsten.“ Sie war Berlinerin, hatte zwei Weltkriege überlebt. Schon auch konfliktfreudig. Das ist das einzige, das ich heute in der akademischen Welt vermisse. Bei uns flogen auch die Fetzen, da war eine Konfliktkultur. Heute haben sich alle immer wahnsinnig lieb.

Haben Sie Ihre Großmutter lange erlebt?

Bis 30. Sie hat dann irgendwann auch entschieden, sie will nicht mehr. Sie ist dann auch ziemlich schnell gestorben.

In Ihrem Vorwort zu „Zehn Frauen“ gehen Sie auf die besondere Verwendung von Sprache ein, wenn man von einer Unterhaltung spricht. Wann ist denn für Sie ein Interview oder Gespräch ein gelungenes?

Wenn wir Gespräche charakterisieren, dann bedienen wir uns Wörter aus der nichtkapitalistischen Sprache. Ich schenke Ihnen Vertrauen, ich leihe Ihnen mein Ohr. Erst wenn wir vermuten, dass jemand nicht redlich ist, sagen wir: „Das kaufe ich dir nicht ab.“ Ein Kriterium für ein gelungenes Gespräch ist: Man hat selbst ein gutes Argument, um die eigene Position zu räumen. Oder ich gebe dem anderen ein Argument, damit er die Position räumt. Also ich würde sagen: Humor, Körpersprache und auch die Bereitschaft, für ein Argument des anderen offen zu sein.

Warum sind Frauen bei Ihnen immer wieder Thema und warum interviewen Sie nur Frauen in Ihrem Podcast?

Also erstens: Die fremde Welt ist immer interessanter als die eigene. Der zweite Punkt ist, dass ich mit einem faschistoiden Vater groß geworden bin, den ich mit zwölf Jahren rausgeschmissen habe. Der Rest der Familie waren alles Frauen. Als mein Vater weg war, fing für mich die gute Kindheit an. Ich habe vor Frauen einfach mehr Respekt. Ich habe immer wieder beobachtet: Wenn Frauen ein gewisses Alter haben, dann neigen sie dazu, eine gewisse Anarchie zu kriegen. Männer werden dann bedeutungsschwanger. Frauen definieren sich häufig zunächst mal über die Person, Männer über die Funktion. Wenn die Funktion weg ist, ist häufig keine Person mehr da.

Jetzt sitzt mir ein Mann gegenüber. Sehen Sie sich mehr in der Person oder in der Funktion?

Im Gespräch sehe ich mich natürlich in der Person. Aber ich war ewig Vorstand bei Axel Springer AG, bei ProSieben Sat 1 Media. An Funktionen, die ich bekleidet habe, herrscht kein Mangel. Aber ich habe immer gewusst, dass diese Funktionen ein Durchlauferhitzer sind. Ich habe nie Eitelkeit daraus gezogen.

Ist es bei Ihnen vielleicht auch so, dass sie im Gespräch mit Frauen das finden, was Ihnen als Mann selber fehlt?

Darüber müsste ich nachdenken. Vielleicht ist es so. Aber ich beobachte eben auch bei meinen angeheirateten Enkeln, die am Prenzlauer Berg leben, und wo streng darauf geachtet wird, dass sie partnerschaftlich und nicht rollenspezifisch erzogen werden von tollen Eltern, dass es trotzdem dazu führt, dass der Junge gerne Fußball spielt und wenig redet und das Mädchen schnattert und telefoniert sich durch den gesamten Freundeskreis. Es scheint also ein paar spezifische Eigenschaften zu geben, die nicht nur mit dem angelernten Verhalten zu tun haben.

Bei Ihnen taucht immer wieder Rod Stewart auf. Was bedeutet er Ihnen?

Als ich jung war, war er der Vater der Punkbewegung. Er war ein rauer Bursche, der auch Hotelzimmer demolierte. Als ich die Stimme das erste Mal hörte, hat es in mir zwei Charakterzüge hervorgerufen, die in mir verborgen waren. Das eine ist Optimismus. Der zweite Punkt war: Ich bin in den Siebzigern groß geworden, da war London geografisch unglaublich weit weg. Und das war die Stimme, die aus dem fernen London kam. Für mich hat sich da gezeigt, dass ich Fernweh habe. Ich habe überhaupt kein Heimweh, immer nur Fernweh. Ich habe auch kein großes Heimatgefühl. Auf der einen Seite beneide ich Menschen, die eine Heimat haben, auf der anderen Seite bin ich froh, dass ich das nicht habe. Ich betrachte Europa als meine Heimat. Ob in Warschau, Venedig, Oslo oder Wien: Ich fühle mich da zu Hause.

Geht es Ihnen beim Reisen mehr darum, Orte zu sehen oder ums Unterwegssein?

Beides. Ich bin wahnsinnig gerne unterwegs, ob im Auto oder ICE. Ich fliege auch noch oft, weil ich gerne weiter weg bin. Und ich lerne gerne Neues kennen. Zum Kummer meiner Frau fahre ich ungerne an einen Ort, wo ich schon mal war. Meine Oma war Berlinerin uns sagte immer: „Der Kleene is n Zirkuskind.“

Sie haben schon das Buch „Die ganze Scheiße mit der Zeit“ erwähnt. Das ist wohl Ihr persönlichstes Buch. Ziemlich „brachialer“ Titel...

Das hat Ildikó von Kürthy gesagt: „Ein Brachialseufzer.“ Es geht um Krebs. Ich kann nur jedem empfehlen: Geht zur Vorsorge. Ich hatte das Buch bereits begonnen. Es sollte um Lebenszeit gehen. Es ist ein purer Zufall, dass da die Diagnose kam. Diese Krankheit hat auch den Vorteil, dass sie einen ermahnt. Man ist wachsamer mit der Zeit und mit sich selbst.

Wie geht es Ihnen heute?

Gut. Ich habe den Satz meiner Mutter im Herzen: „Junge, Glücklichsein ist eine Entscheidung.“ Ich bin ein bisschen gesünder unterwegs, esse kein rotes Fleisch mehr, was mir vorhin sehr schwer gefallen ist, als ich Schweinsbraten gesehen habe. Und ich meditiere. Das Entstressen von Zellen ist für die Gesundheit von großer Bedeutung. Es geht mir gut.

mf

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