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Pflege auf Distanz - „Wenn der Patient komplett alleine ist“

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Von: Christine Stanggassinger

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Corona-Patient wird von Pfleger in Schutzkleidung versorgt
Nur mit kompletter Schutzkleidung durften die Corona-Patienten betreut werden. © Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Bad Reichenhall - Neun Wochen lang herrschte in der Kreisklinik Bad Reichenhall Ausnahmezustand. Bis zu 150 Corona-Patienten wurden stationär behandelt. „Noch immer kann man nicht von vollem Regelbetrieb sprechen“, verrät Chefarzt Dr. Christian Geltner.

Temperaturkontrolle am Klinikeingang, Registrierung aller Besucher und Patienten, Coronatest und Isolation für stationär aufgenommene Patienten: Corona ist in der Kreisklinik Bad Reichenhall noch immer allgegenwärtig. Dennoch hat der Klinikalltag wieder Fahrt aufgenommen. Für Dr. Christian Geltner, dem Chefarzt für Pneumologie und Beatmungsmedizin, aber kein Grund, sich zurückzulehnen.

Noch immer hat er das Bild von beschläuchten Patienten, die von Krankenhaus-Personal in kompletter Schutzkleidung betreut werden, vor Augen. „Die Patienten waren komplett isoliert, durften keinen Besuch empfangen, der einzige Kontakt war das Personal in Schutzkleidung. Da ist die Distanz automatisch größer als bei der normalen Pflege. Das war auch eine große Belastung für die Mitarbeiter."

Dr. Christian Geltner, Kreisklinik Bad Reichenhall, Chefarzt
Dr. Christian Geltner ist Chefarzt an der Kreisklinik Bad Reichenhall in der Abteilung für Pneumologie und Beatmungsmedizin. © Kliniken Südostbayern AG

Doppelt so viel Aufwand und Zeit - Corona fordert Klinikpersonal

Dazu kam, dass für die intensive Pflege mehr Personal gebraucht wurde. „Der Aufwand war doppelt so groß und hat doppelt so viel Zeit in Anspruch genommen.“ Allein bis eine Schwester oder ein Pfleger die ganze Schutzkleidung angelegt hatten. „Es waren mehr Mitarbeiter nötig, um den Betrieb aufrecht zu erhalten", bringt es Geltner gegenüber BGLand24.de auf den Punkt.

Der Chefarzt ist bis heute froh, dass sich keiner vom Klinkpersonal angesteckt hat. „Wir haben es mit guten Schutzmaßnahmen in den Griff gekriegt. Wenn dir einer vom Personal ausfällt und eine ganze Stationsschicht in Quarantäne muss, könnte es schwierig werden.“ Damit blickt er auch schon auf den Herbst und die mögliche zweite Welle voraus.

Durch Winter begünstigt: Chefarzt rechnet wieder mit mehr Corona-Fällen

„Ich glaube schon, dass es wieder deutlich mehr Fälle werden“, prognostiziert Geltner. „Der Winter begünstigt das Virus mit anderen Effekten wie Kälte, mehr Aufenthalt drinnen, weniger lüften.“ Erst wenn wieder mehr und auch schwerere Fälle auftreten würden, könne man wissen, ob es wirklich eine zweite Welle gebe. Derzeit sei es in vielen Krankenhäusern sehr ruhig. Dennoch seien die jetzigen Zahlen mit denen von März und April nur schwer vergleichbar.

„Derzeit wird viel früher und umfangreicher getestet. Dabei haben viele Patienten kaum Symptome. Die kann es im März oder April auch gegeben haben, wir wissen es nur nicht“, vertritt der Chefarzt seine Meinung. „Es kann auch sein, dass die Bevölkerung bereits eine gewisse Immunität entwickelt hat oder dass das Virus beim zweiten Mal vielleicht nicht mehr so gefährlich ist.“

Corona-Eskalationsplan an Kreisklinik Bad Reichenhall

Geltner bestätigt damit, dass immer noch vieles um das Coronavirus sehr vage ist. Dennoch ist er von seinen Kollegen in der Forschung überzeugt und steht auch positiv zur Entwicklung des Impfstoffs. „Das SARS-Virus kennt man seit 15 Jahren. Die Forschungen sind bereits recht weit.“ Aber er muss trotzdem einschränken: „Es wird nicht so schnell gehen, wie wir es uns wünschen.“

Deshalb ist die Kreisklinik Bad Reichenhall auch gut aufgestellt, sollten sich die Corona-Fälle, die stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, wieder häufen. „Es gibt einen Eskalationsplan. Derzeit werden alle Patienten, die aufgenommen werden, isoliert und auf Corona getestet. Sobald der Befund negativ ist, kommen sie auf die normale Station. Sollten wieder mehr Verdachtsfälle kommen, wird eine Station nach der anderen zum Isolierbereich.“

Im März sei das in Schritten von drei bis vier Tagen passiert, bis drei komplette Stationen Covid-Stationen wurden. „Das lässt sich bei uns in Bad Reichenhall gut trennen. Die A-Seite war Covid-frei, die B-Seite isoliert.“ Dass es im Herbst wieder soweit kommt, glaubt Dr. Christian Geltner aber nicht. „Ich rechne nicht mit 40 oder 50 Patienten auf einmal. Wenn, werden es immer ein paar sein.“ Somit könne man gut reagieren.

Corona-Einschätzung: „Der Winter wird eine Herausforderung“

Trotzdem weiß niemand, ob die zweite Welle kommt und wie sie verläuft. Geltner ist sich sicher, dass „der Winter eine Herausforderung wird“. Man müsse sich aber auch darüber im klaren sein, egal welche Maßnahmen man ergreift, „wir werden Deutschland und Europa nicht Virusfrei kriegen“. Deshalb sei es aus der Sicht des Chefarztes wichtig, dass die Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt komme. „Nur so ist eine Immunisierung möglich.“

Schulen und Grenzen zu schließen seien aus seiner Sicht nicht die richtigen Maßnahmen. „Was hilft es einem Arbeiter, wenn er durch zwei Wochen Quarantäne zwar nicht an Corona erkrankt ist, aber dafür danach arbeitslos ist?“ Dr. Christian Geltner weiß, dass da extreme Maßnahmen aufeinander treffen. „Der Mittelweg wird der richtige sein“, ist er sich sicher. „Zu einer gewissen Rate an erkrankten gehören auch gewisse Todesfälle.“

cz

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