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Urteil stärkt Alpenkonvention - Was das für das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd bedeutet

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Von: Martin Lünhörster

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Im Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd liegen zahlreiche Gemeinden. Die verbundenen Auflagen machen es ihnen oft nicht leicht.
Im Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd liegen zahlreiche Gemeinden. Die verbundenen Auflagen machen es ihnen oft nicht leicht. © Matthias Schrader

Wann dürfen Umweltvereinigungen wie der Bund Naturschutz gegen europäisches Umweltrecht klagen? Dieser Frage ging das Bundesverwaltungsgericht nach. Mit einer für den Bund Naturschutz erfreulichen Entscheidung. Grund war die Verkleinerung der Landschaftsschutzgebietes Inntal-Süd.

Rosenheim - Wird das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd künftig wieder wachsen? „Ich habe keine Kristallkugel vor mir”, sagt Peter Kasperczyk, der frühere Vorsitzende des Bund Naturschutz Kreisgruppe Rosenheim. Die ursprüngliche Größe wird das Schutzgebiet nicht mehr bekommen, aber „es ist vorstellbar, dass man die Verluste an anderer Stelle wieder ausgleicht.” Grund dieser Hoffnung ist ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Es erlaubt Umweltverbänden wie dem Bund Naturschutz eine Klagebefugnis bei Normenkontrollklagen, wenn durch die Änderung der Norm europäisches Recht verletzt wird. 

Das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd erstreckt sich von der Stadt Rosenheim, dem Inn entlang bis hin zur Grenze bei Kiefersfelden. Seit dem Erlass der Landschaftsschutzverordnung im Jahr 1952 hat sich das Inntal verändert. 4667 Hektar war das unter Schutz gestellte Gebiet damals groß. Die Gemeinden Stephanskirchen, Rohrdorf, Raubling, Neubeuern, Brannenburg, Nußdorf am Inn, Flintsbach am Inn, Oberaudorf und Kiefersfelden sind Teil dieses Schutzgebietes. Was damals aber nicht bedacht wurde, war der erhebliche Zuzug von neuen Bürgern und den damit verbundenen Neubauten.

Klage vor zehn Jahren abgewiesen

Seitdem wurde das Schutzgebiet mehrfach neu geregelt, um dem Baufortschritt nicht im Wege zu stehen und ist in der Fassung vom 10. April 2013 um rund 650 Hektar verkleinert worden. Gegen diese Verkleinerung hatte damals der Bund Naturschutz geklagt - ohne Erfolg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ die Klage gar nicht erst zu. Daraufhin wurde vom Bund Naturschutz Revision eingelegt.

„Gerade im Alpenvorland hat der Erhalt intakter Landschaft einen besonderen Stellenwert”, sagt Hubert Weiger, der Ehrenvorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern. Doch gerade der Flächenverbrauch durch neue Gewerbe- und Siedlungsgebiete und neue Straßen nehme immer weiter zu. „Diese krebsartige Gebietsentwicklung hat mit einem organischen Wachstum nichts mehr zu tun.“ Es geht dem Bund Naturschutz um die mangelnde Durchsetzung des Landschaftsschutzes. 

Deswegen wurde eine neue Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, diesmal mit Erfolg. Mit der Entscheidung wird dem Bund Naturschutz und anderen Umweltverbänden nun eine Klagebefugnis bei Normenkontrollklagen zugesprochen. Mit einer Normenkontrolle wird die Vereinbarkeit von Rechtsnormen mit höherrangigem Recht kontrolliert, also mit Bundes- oder EU-Recht. Das Urteil sei ein großer Erfolg für den Naturschutz, sagte der Landesgeschäftsführer des Bund Naturschutz Peter Rottner. 

Urteil für den Naturschutz überfällig

„Natürlich begrüße ich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts”, sagt auch Peter Kasperczyk. „Wir klagen ja schon seit langer Zeit. Es ist ein wichtiges Thema aus Sicht des Naturschutzes.”

Der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz, Richard Merger, hofft darauf, dass die Behörden und die Politik jetzt die in der Alpenkonvention niedergelegten Vorschriften auch ernst nehmen müssen. „Die Erhaltung der Alpen in Zeiten des Klimawandels ist schließlich enorm wichtig”, sagt Merger. 

Vorgaben sind Problem für die Gemeinden

Für die Gemeinden im Inntal stellen die Vorgaben in Bezug auf das Landschaftsschutzgebiet eine Herausforderung dar. Ein Beispiel aus Brannenburg: dort hat man derzeit ein konkretes Problem. Die Gemeinden Nußdorf, Flintsbach und Brannenburg betreiben gemeinsam einen Wertstoffhof auf dem Gelände des Abwasserzweckverbandes. Es ist absehbar, dass dieser Platz gebraucht wird. Also muss der Wertstoffhof umziehen. Dafür gäbe es einen guten Platz, der allerdings im Landschaftsschutzgebiet liegt. „Und da geht gar nichts”, sagt Matthias Jokisch, der Bürgermeister von Brannenburg. „Mit der Gestaltung des Umfelds kann man das auch so machen, dass es kein so heftiger Eingriff in die Natur ist.” 

Die ursprüngliche Größe wird das Schutzgebiet nicht mehr bekommen. Es sei vorstellbar, dass man die Verluste an anderer Stelle wieder ausgleicht, sagt Kasperczyk. Man könnte sich vorstellen, dass beispielsweise Kiefersfelden nicht genutzte Flächen wieder dem Landschaftsschutzgebiet zuführt und dass man auch woanders, beispielsweise in Raubling, Flächen, die wertvoll wären, aber nicht im Schutzgebiet sind dafür unter Schutz stellt. „Das wäre eine denkbare Möglichkeit. Ob man dann auf die ursprüngliche Größe kommt, ist eine Sache der Verhandlung.”

Verhandlungen wünscht sich auch Bürgermeister Jokisch. Es ginge bei dem Beispiel des Wertstoffhofes nicht um ein Jahr hin oder her. „Aber man sollte sich an einen Tisch setzen und überlegen, wie man es machen kann und nicht sagt, dass es gar nicht geht.”

Ein anderes Landschaftsschutzgebiet wächst

Während das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd vor zehn Jahren verkleinert wurde, könnte bald ein anderes wachsen, wenn auch nicht um viel. 6,5 Hektar sollen aus dem aktuellen Geltungsbereich des Schutzgebietes  „Schutz des Inntals” zwischen Griesstätt und Stephanskirchen herausgenommen werden und 6,8 Hektar naturschutzfachlich höherwertige Flächen sollen einbezogen werden. Ein Gewinn von 3.000 Quadratmetern. Dieser Änderung müssen sowohl der Kreisausschuss als auch der Kreistag noch zustimmen. Auf den neu freigewordenen Flächen an der B15 soll unter anderem auch die Straßenmeisterei des Staatlichen Bauamts Rosenheim ein neues Zuhause bekommen.

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