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Wirtschaftsminister Aiwanger über Transit-Streit in Region: „Steuern aufs Chaos zu“

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Von: Michael Weiser

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Im Gespräch an der Grenze: Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger.
Bewegung bei der Blockabfertigung? Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler, Mitte) im März im Gespräch unter anderem mit seinem Tiroler Amtskollegen Anton Mattle (ÖVP, 3. von links) nahe der Grenze. © Bayerisches Wirtschaftsministerium

Kommt Bewegung in den Transitstreit zwischen Bayern und Tirol? Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verspricht, Bewegung in den Verhandlungsstau zu bringen. Und hat im OVB-Exklusivinterview Vorschläge, wie man die Last des Verkehrs für die Menschen im Inntal lindern kann.

Ihre Parteifreunde aus der Region Rosenheim haben jüngst in Innsbruck gegen die Blockabfertigung demonstriert. Haben die Tiroler davon überhaupt Notiz genommen?

Hubert Aiwanger: Zunächst mal zeigt das den Handlungsbedarf vor Ort. Meine Leute sind ja keine Querulanten, sondern staatstragende Bürger. Das zeigt, dass es lichterloh brennt. Man müsste aber eigentlich nicht nur in Innsbruck, sondern auch in Berlin vor den Pforten stehen und sagen: Schafft endlich Lösungen, diskutiert worden ist genug. Der Bund und die Regierungen in Wien und Rom müssen jetzt liefern.

Sie sind nicht der einzige, der mehr Engagement vom Bundesverkehrsministerium erwartet. Was läuft denn da verkehrt? 

Aiwanger: Na ja, der Brenner ist eben weit weg von Berlin. Wenn wir in Bayern uns um ein Problem mit den Werften in Norddeutschland kümmern müssten, dann hätten wir vielleicht auch nicht den Einblick. Da wissen einige gar nicht mal, wo der Brenner liegt, scherze ich mal. Ich habe aber vor wenigen Tagen mit dem neuen Verkehrsminister Wissing telefoniert und ihn auf das Thema hingewiesen. Er hat mir zugesagt, sich der Sache wieder anzunehmen. Der schon erarbeitet 10-Punkte-Plan schlummert vor sich hin. Natürlich ist es inzwischen eine verfahrene Lage. Da hat man sich jahrelang beschimpft, anstatt Lösungen zu suchen. Die Verantwortlichen müssen endlich liefern. Ich falle jetzt mal mit der Tür ins Haus....

Bitte, hereinspaziert!

Aiwanger: Um Folgen des Ukraine-Krieges abzufangen, Treibstoff zu sparen und um gegen den Klimawandel anzugehen, bezuschusst der Bund den ÖPNV beim Personentransport. Selbiges brauchen wir für den Gütertransport der Bahn. Damit mehr Transporte nicht nur aus dem Norden, sondern auch aus dem Raum Regensburg, Rosenheim, Augsburg und Nürnberg vom LKW auf die Schiene gehen. Wir müssen den Gütertransport auf der Bahn aus Süddeutschland so weit subventionieren, dass er attraktiv wird. Da wäre mit wenigen Millionen Euro viel erreicht: Es wären weniger LKW auf der Straße unterwegs, es würde weniger Sprit verballert und es entstünden weniger Staus. Die Schiene wäre dann endlich ausgelastet. Momentan haben wir ja noch Kapazitäten.

Was wäre darüber hinaus denkbar?

Aiwanger: Eine intelligentere Verkehrssteuerung, die LKW-Fahrer und Speditionen frühzeitig bis in den Raum München hinein informiert, wie‘s an der Grenze aussieht, damit die da nicht zu Tausenden wie die Lemminge in den Stau reinfahren. Ob wir wollen oder nicht, der Umfang des Güterverkehrs wächst ständig, um bis zu zehn Prozent pro Jahr. Auf Tiroler und Südtiroler Seite sind in den kommenden Jahren außerdem viele Sanierungsmaßnahmen an Straßen und Brücken nötig. Wir steuern auf ein Chaos zu, wenn wir nicht schnell handeln.

Sie treffen immer wieder Ihren Tiroler Kollegen Mattle. Um was geht’s denn dabei?

Aiwanger: Anton Mattle und ich sehen und hören uns regelmäßig, seit November allein fünfmal. Wir diskutieren Probleme der Blockabfertigung für die Wirtschaft in Bayern und Tirol, überlegen uns, wo wir ansetzen können. Zuletzt haben wir darüber gesprochen, dass wir Vertrauensleute aus Tirol, Bayern und Südtirol einsetzen, welche die Blockabfertigung bewerten. Wir wollen demnächst auch die Frage der Terminals angehen. In Kontakt stehe ich da auch mit dem Logistikkompetenzzentrum Prien, unter anderem zum Thema Terminals. Es geht aber natürlich auch um Vertrauensbildung. Sich gegenseitig anzuzeigen, dabei kommt nicht viel heraus. Es ist besser, gemeinsam Lösungen zu finden. Auch Praktiker wie die Spedition Dettendorfer sind in die Gespräche eingebunden. Auf dieser Arbeitsebene setze ich an, um wieder konstruktiv Bewegung in die festgefahrene Sache zu bringen. 

Elf Blockabfertigungstermine bis 15. Juni, geballt nach dem 22. Mai: Das klingt nun nicht nach Pragmatismus oder gar Einsicht bei den Tirolern.

Aiwanger: Ja, mit ein paar Gesprächen in wenigen Monaten kann man nicht lösen, was seit Jahren liegen geblieben ist. Es geht auch darum, die Speditionen zu erreichen. Die würden ja auch gerne auf die Schiene verlagern, sagen aber, die Bahn ist zu unzuverlässig und zu teuer. Die Bahn muss pünktlicher und günstiger werden. Wir müssen das organisieren wie die Schweiz, mit gezielter Subventionierung des Güterverkehrs auf der Schiene. Aber dazu ist der Hebel des bayerischen Wirtschaftsministers zu kurz, da muss die Bundesregierung liefern. 

Sie erwähnten gerade „Vertrauensleute“. Wie muss man sich die vorstellen?

Aiwanger: Kommen sollen sie aus den Wirtschaftskammern von Bayern, Tirol und Südtirol. Die sollen sich zusammensetzen und auch in der Früh rausfahren, wenn die Blockabfertigung beginnt, wie ich es mit Mattle schon gemacht habe. Und dann sollen sie schauen: Wie läuft das, kann man statt 150 LKW auch 200 oder mehr in der Stunde rüberlassen, damit die Lieferketten für die Wirtschaft möglichst wenig beeinträchtigt sind? Und wie geht es in Südtirol weiter? Wann muss man die Sanierungsarbeiten auf den Straßen für die Spediteure berücksichtigen, wie könnte ein intelligentes Informationssystem ausschauen, das den Speditionen frühzeitig die Lage an der Grenze mitteilt, sodass sie vielleicht andere Zeitfenster nutzen können?

Wie kommen Sie mit dem neuen bayerischen Verkehrsminister Bernreiter zurecht?

Aiwanger: Ich bin überzeugt: Der neue Verkehrsminister ist sich der Lage bewusst und weiß, welche Auswirkungen die Situation auf die Wirtschaft hat, und dass wir gemeinsam liefern müssen.

„Die Politik sollte den Schuss schon gehört haben“

Der Güterverkehr für die Tiroler läuft bislang unbelästigt über Bayerns Straßen. Wäre da nicht eine Möglichkeit, die Tiroler einzubremsen?

Aiwanger: Die Debatte gibt es immer wieder. Sollen wir Blockade mit Gegenblockade beantworten, um die Politik aufzurütteln? Wenn wir aber weiter polarisieren, baut das Hürden auf und nicht ab. Die Politik sollte den Schuss auch so schon gehört haben.

Werden Ihre Vertrauensleute eventuell schon beim nächsten Blockabfertigungstermin am 23. Mai dabei sein?

Aiwanger: Es ist das Ziel, dass sie noch im Mai tätig werden.

Was halten Sie von Ministerpäsident Söders Vorschlag, die Maut zu erhöhen?

Aiwanger: Das würde natürlich Fahrten verteuern. Und die Kosten würden an den Verbraucher weitergegeben. Wenn diese Erhöhung einzugrenzen wäre, und zwar wirklich auf den grenzüberschreitenden LKW-Fernverkehr mit der Alternative, günstig auf die Schiene zu gehen oder über die Schweiz zu fahren, dann könnte man vernünftig steuern. Ansonsten könnte von Verteuerungen des Transports der gesamte südbayerische Raum wirtschaftlich betroffen sein. Also nicht nur der, der über die Grenze fährt, sondern im schlimmsten Fall ist dann auch Süddeutschland von erhöhten Gebühren betroffen. Dann wird der Wirtschaftsstandort teurer. Wir haben schon die Energie-Problematik, da dürfen wir nicht auch noch beim Gütertransport ein Hochpreisland werden.

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