Geht die EU gegen Tirols Nachtfahrverbot vor? Experten aus der Region Rosenheim sind skeptisch

Mit einem Nachtfahrverbot für Lkw versucht Österreich, den Transitverkehr zu steuern. So zumindest die offizielle Behauptung. Jetzt regt sich Widerstand: Die EU soll gegen das Transitverbot vorgehen. Was Unternehmer aus der Region von der Beschwerde halten.
Rosenheim - Heinrich Suerkemper von der Spedition Suerkemper in Kolbermoor leidet mit seinen Fahrern mit. „Für die ist das eine Wahnsinnsquälerei, die sitzen in der prallen Sonne im Führerhaus, haben keine Toilette, nichts zu trinken.“
Mitverantwortlich für die Qualen der Brummi-Fahrer in den vielen Staus im Inntal sind in Augen vieler Menschen in der Region Rosenheim die Blockabfertigung und das das Nachtfahrverbot. „Das ist der Auslöser für die Stausituation“, sagt Georg Dettendorfer von der Spedition Johann Dettendorfer.
Für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter bedeutet das Zeitverlust - und mehr. Franz Neuner, Prokurist bei BTK in Rosenheim, weiß zu berichten, dass Blockabfertigung und Nachtfahrverbote die Fahrer auslaugen und frustrieren. „Es ist sehr schwer, Mitarbeiter zu finden“, sagt er.
Eine Beschwerde bei der EU soll es richten
Gegen die Maßnahme der Österreicher laufen nun Unternehmer und Verbände Sturm. Der deutsche Logistikverband BGL und andere europäische Branchenverbände haben ebenso wie Handelskammern bei der EU-Kommission Beschwerden gegen das Lkw-Nachtfahrverbot auf der Inntal-Autobahn eingelegt.
Um es kurz zu machen: Unternehmer wie Suerkemper wären grundsätzlich dafür, das Verbot aufzuhören. „Das wäre auf jeden Fall sinnvoll, ich weiß nicht, für was das Nachtfahrverbot jetzt noch da ist.“ An ein Entgegenkommen der EU-Kommission mag er aber auch nicht glauben: „Die EU reagiert doch schon seit Jahren nicht.“
An eine einfache Lösung glaubt die IHK nicht
Auch Karl Fischer, langjähriger Geschäftsführer beim Logistikkompetenzzentrum Prien und nunmehr Berater beim LKZ, ist skeptisch. „Mit solchen Versuchen waren wir noch nie erfolgreich.“ Seine Erwartungen seien auch bei diesem neuen Versuch gering. Wichtiger und zielführender sei es, im Gespräch zu bleiben.
Von den Fähigkeiten der Politik zur Lösung solcher Konflikte wirkt er nicht richtig überzeugt. Lösungswege zeigten sich in der Praxis, etwa durch technische Fortschritte. Lkw seien sauberer und leiser geworden. „Im Sinne des Umweltschutzes bringt das Nachtfahrverbot jedenfalls nichts mehr.“ Georg Dettendorfer stellt fest, dass Tirol die Schadstoffgrenzen mittlerweile unterschreite.
An eine einfache und pauschale Lösung glaubt Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim, jedenfalls nicht: „Das Ei des Kolumbus gibt es nicht.“ Ist eine Beschwerde der richtige Weg? Er regt an, nach tatsächlichem Bedarf vorzugehen: „Wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Lärm- und Schadstoff-Emissionen zu schützen, muss man abwägen, wen man wann auf die Strecke lassen und wen nicht.“ Gerade für einige Verkehre, die auch in Österreich der Wirtschaft und der Versorgung in der Region zugute kämen, „wäre die Nacht an sich perfekt“.
Richten können es doch nur Gespräche zwischen Nachbarn
In der Hitze des Hochsommers mag derzeit kaum jemand an Entspannung zwischen Bayern und Österreich denken, zumal die Bayern ihrerseits vor zwei Wochen mit dem Transitverbot auf den Landstraßen im Inntal die Schraube angezogen hat.
Karl Fischer hat immerhin festgestellt, dass sich mit Bayerns neuem Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) die Chemie leicht verändert hat. Der ehemalige Landrat von Deggendorf könne die Verhandlungen mit Tirol wieder in Schwung bringen, Bernreiter und die Tiroler Landeshauptmanns-Vize Ingrid Felipe verstehen einander gut, meint Fischer.
Das Problem daran: Ingrid Felipe wird mit Landeshauptmann Günther Platter im September aus dem Amt scheiden. Als designierter Nachfolger Platters gilt der ÖVP-Politiker Anton Mattle. „Ein pragmatischer Mann, dem die Wirtschaft wichtig ist“, so schätzt Fischer den mutmaßlichen kommenden Landeshauptmann ein.
Auf die gute Chemie zwischen Bayern und den Tirolern wird es also in Zukunft mehr denn je ankommen. Denn nicht nur von der EU erwarten sich die Menschen in der Region in dieser Frage wenig. Auch beim Bundesverkehrsministerium in Berlin brauche man nicht auf Geistesblitze oder besonderes Engagement für die Region zu hoffen, meint etwa Heinrich Suerkemper: „Ich weiß wirklich nicht, was ich überhaupt zu den letzten drei Verkehrsministern sagen soll.“