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Bayern und Digitalisierung: Ministerin Gerlach sagt in Rosenheim, wo‘s hängt und wo‘s läuft

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Von: Michael Weiser

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Arbeiten im virtuellen Raum: Digitalministerin Judith Gerlach bei Tech Division in Kolbermoor.
Arbeiten im virtuellen Raum: Digitalministerin Judith Gerlach bei Tech Division in Kolbermoor. © JOHANNES THOMAE

Bayern will die Digitalisierung vorantreiben, unter Regie von Deutschlands erster Digitalministerin Judith Gerlach. Jetzt besuchte sie die Region. Und schaute sich zum Beispiel an, wo die Ämter am weitesten und die Löcher im Funknetz am größten sind. Und sprach mit den OVB-Heimatzeitungen.

Pflegen Sie Ihren Facebook-Account selber?

Gerlach: Kommt darauf an. Wenn es um Digitalisierung geht, übernehme ich fachliche Details teilweise vom Ministerium. Ich poste aber auch private Sachen, Bilder mit unserem Hund beispielsweise.

Im nächsten Jahr wird gewählt. Wie wichtig ist für den bayerischen Ministerpräsidenten die erste Digitalministerin?

Gerlach: Vor allem das Thema Digitalisierung ist wichtig. Nicht umsonst haben wir vor dreieinhalb Jahren entschieden, ein eigenes Digitalministerium auf den Weg zu bringen. Bayern steht auf der einen Seite für Tradition, hat auf der anderen Seite aber immer den Anspruch, an der Spitze der Innovation zu stehen. Das schaffen wir natürlich nur, wenn wir die Themen Hightech und Digitalisierung vorantreiben, auch mit finanziellen Mitteln. Und wenn wir uns überlegen, wo wir mit dem Thema strategisch hinwollen. Markus Söder war wichtig, dass wir mit dem Digitalministerium eine Stelle haben, die diese Themen bündelt. Digitalisierung betrifft schließlich jeden Lebensbereich. Und so gibt es selten ein Projekt, das nur ein Ministerium betrifft. Ein Beispiel ist der Pakt für digitale Infrastruktur, den wir auf den Weg bringen. Dabei geht es auch darum, Genehmigungsverfahren zu verkürzen und zu vereinfachen. Wir arbeiten bei diesem Pakt mit dem Bauministerium, dem Wirtschaftsministerium, verantwortlich für Mobilfunk, und dem Finanzministerium zusammen, das den Breitbandausbau vorantreibt.

Für jedes Ministerium in der Staatsregierung ist etwas dabei

Deswegen heißt es – oder hieß es zumindest -, Judith Gerlach darf überall mitreden, wo Digitalisierung draufsteht. Aber die Ministerien müssen sich nicht danach richten.

Gerlach: Unsere Aufgabe ist es, strategische Ansätze zu finden und die Umsetzung quer über alle Ministerin voranzutreiben. Wie das Projekt umgesetzt wird, liegt dann bei den Ministerien. Wir kommen mit einer konkreten Projektidee. Und wir begleiten das jeweilige Ministerium dabei, das Projekt umzusetzen. Etwa das Gesundheitsministerium während der Corona-Pandemie – die Impfplattform, auf der man sich digital anmelden konnte, haben wir auf den Weg gebracht. Es gibt aber auch andere Bereiche, etwa das Beschleunigungsbudget. Da haben wir 16 Millionen allein für dieses Jahr. Und die Ministerien können sich mit Projekten für Geld aus diesem Topf bewerben.

Apropos impfen: Innfactory aus Rosenheim hatte bereits eine offenbar gute Registrierungssoftware für das Rosenheimer Impfzentrum entwickelt. Bayern aber entschied sich dann doch für einen großen Bewerber. Warum gibt man Startups keine Chance?

Gerlach: Startups haben in der Tat viele tolle Ideen. Allerdings hat sich der Freistaat nicht einfach entschieden, sondern war gesetzlich verpflichtet, den Auftrag nach europaweiter Ausschreibung zu vergeben. Daran konnten sich auch kleine Startups beteiligen. Allerdings war dabei wichtig, dass die Lösung für ganz Bayern funktioniert. Ich habe schon oft Lösungen von Startups kennengelernt, die ich sehr gerne gleich für ganz Bayern hätte nehmen wollen. Und auf einmal höre ich dann von den Startups selbst, für eine Kommune können wir das machen. Aber für Bayern? Und daran scheitert es dann.

„In den Krankenhäusern läuft vieles noch analog“

Die Krankenhäuser in der Region, allen voran Romed, sehen ihr Heil in der Digitalisierung und der Telemedizin. Stehen Sie mit denen schon im Austausch?

Gerlach: Grundsätzlich sind in der Medizin die Potenziale für die Digitalisierung riesig. Das fängt an im OP-Saal, wo KI bei der Operation künftig unterstützen kann. Es geht aber auch um Patientendokumentation. Das läuft in vielen Krankenhäusern derzeit noch alles sehr analog. Telemedizin ist auch ein Baustein. Diese Themen finanzieren wir im Freistaat gemeinsam mit dem Bund, zum Beispiel über den Krankenhauszukunftsfonds. Die Romed-Kliniken etwa haben daraus gerade Mittel in Höhe von 6,2 Millionen Euro für die Digitalisierung erhalten. 

Was die Menschen hier wegen des Brenner-Nordzulaufs interessiert: Wie kann ich durch Digitalisierung den Schienen-Güterverkehr optimieren?

Gerlach: Die technischen Details im aktuellen Fall kann ich nicht kommentieren. Generell kann Digitalisierung im Mobilitätsbereich natürlich unterstützen, zum Beispiel durch eine künstliche Intelligenz, die die Güterverkehre so steuert, dass Schienen möglichst effizient genutzt werden. 

Auch Spediteure rufen laut nach der Digitalisierung.

Gerlach: Auch hier können Technologien neue Chancen eröffnen, zum Beispiel um Verkehrsströme intelligenter zu planen. Auch beim Verkehr in den Innenstädten könnte uns Digitalisierung dabei helfen, damit wir uns einen besseren Überblick verschaffen, wie eigentlich der Verkehrsfluss ist. Mit einer intelligenten Verkehrssteuerung könnte etwa der Fahrer eines Lastwagens entscheiden, da vorne ist noch ein Platz zum Parken frei, da mache ich eine Pause. Oder man passt Routen noch viel grundsätzlicher an die aktuellen Verkehrsströme an und optimiert sie so. Das machen Navis schon gut, aber da geht noch einiges mehr.

Bayerns Digitalministerin beim OVB zu Gast: Judith Gerlach im Gespräch mit OVB-Reporter Michael Weiser.
Bayerns Digitalministerin beim OVB zu Gast: Judith Gerlach im Gespräch mit OVB-Reporter Michael Weiser. © StMD

Sind das noch Ideen, oder wird da auch schon was umgesetzt?

Gerlach: Bei der kommunalen Verkehrssteuerung gibt es einige Städte, die sind als Smart City schon sehr gut unterwegs, andere nutzen das Potenzial noch nicht. Wir stellen mit unserer Initiative „Kommunal Digital“ Gelder für nachhaltige Projekte in Kommunen zur Verfügung. Aber das digitale Verkehrssystems dann konkret umsetzen müssen natürlich die Kommunen selbst. 

Deutsche Telekom verkündet Anschlüsse ans Glasfasernetz

Wie kann es eigentlich sein, dass in einer so dicht bevölkerten und prosperierenden Region wie Rosenheim das Mobilfunknetz so viele Löcher hat?

Gerlach: Ich verstehe es, dass es die Leute nervt, wenn die Infrastruktur nicht optimal funktioniert. Der Freistaat kann beim Mobilfunk aber nur mit Förderung unterstützen, wo die Betreiberfirmen noch zu zögerlich agieren. Angenommen, ein Betreiber entscheidet sich, an einem gewissen Punkt keinen Masten aufzubauen. Dann kann das Wirtschaftsministerium hier die Kommune beim Bau eines Mobilfunkmasts unterstützen. Beim Breitband-Ausbau gibt es positive Signale. Ein Beispiel: Die Deutsche Telekom hat gerade den Anschluss von 15.000 Haushalten in Rosenheim ans Glasfasernetz angekündigt.

Sie wollen auch Bürger von Behördengängen entlasten: Wie können Sie die Transformation beschleunigen?

Gerlach: Wir können erst dann zufrieden sein, wenn die Menschen in Bayern flächendeckend digital ihre Anträge stellen können und wenn sie vor allem auch mit dem Handling zufrieden sind – wenn das Ganze also tatsächlich einen Gewinn bringt. Da sind wir auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel.

Ministerin Gerlach sieht Bayern auf einem langen Weg

Wann sind Sie am Ziel?

Gerlach: Eigentlich nie, weil sich Technologie immer weiterentwickelt. KI zum Beispiel wird in der Verwaltung künftig eine Riesenrolle spielen. Jetzt kommt es allerdings erstmal darauf an, dass die Anträge, die digitalisiert werden können, auch tatsächlich digital angeboten werden. Und da stehen wir in Bayern mit den staatlichen Leistungen, die wir bis Ende des Jahres ja auch zur Verfügung stellen müssen, bei knapp über 70 Prozent. Ich bin guter Hoffnung, dass wir die 100 Prozent bis Ende des Jahres schaffen. Etwas mehr Engagement braucht es noch bei den Kommunen – die stehen aktuell bei etwas über 50 Prozent. Deswegen helfen wir ihnen mit umfangreichen Fördermaßnahmen, etwa mit unserem Programm „Digitales Rathaus“. Und um die Konkurrenz zu beleben, haben wir die Auszeichnung „Digitales Amt“ für jene Kommunen ins Leben gerufen, die schon besonders weit sind bei der Digitalisierung. Es gibt allerdings auch 50 Gemeinden in Bayern, die noch gar keine eigenen kommunalen Dienstleistungen digital anbieten. Das können wir uns heutzutage nicht mehr erlauben.

Stadt und Landkreis Rosenheim erreichen laut Ihrer Digitalisierungskarte auch keine Spitzenwerte.

Gerlach: Oberbayernweit stehen Stadt und Landkreis gar nicht schlecht da. Die Stadt auf Platz zehn, der Landkreis sogar auf Platz sechs.

Lernen über Online-Plattformen soll auch nach Corona bleiben

Wer in den vergangenen zwei Jahren unzweifelhaft verloren hat, das waren Eltern und Kinder. Wie wären die Schulen auf einen erneuten Lockdown vorbereitet?

Gerlach: Die Maxime für den kommenden Winter ist natürlich Präsenzunterricht. Was die Videokonferenzsysteme angeht, bin ich sehr optimistisch. Ich glaube aber, dass das zu kurz gegriffen ist. Unterricht von heute braucht erheblich mehr und wir müssen weiterdenken. Wichtig ist doch, dass wir eine moderne, benutzerfreundliche Lernplattform haben, die die Breite des Lernspektrums wiedergibt, so dass Lehrkräfte sich Unterrichtsmaterialien leicht erstellen oder besorgen können und auch die Schüler zu Hause interaktive Lernmöglichkeiten vorfinden. 

Kommt in der Schule auch mal KI zum Einsatz?

Gerlach: (lacht) Auf so einer Lernplattform kann ich mir das durchaus vorstellen, zum Beispiel beim Abfragen von Englisch-Vokabeln. Oder beim Umgang mit mathematischen Formeln. Als Ersatz eines Lehrers an der Schule? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

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