Sexuelle Übergriffe bei Windsbacher Knabenchor

Nürnberg - Lange sorgte der Windsbacher Knabenchor wegen körperlicher Züchtigungen für Schlagzeilen. Ermittlungen liefen ins Leere. Was aber als sicher gilt: Zweimal wurden Knaben missbraucht
In der 66-jährigen Geschichte des Windsbacher Knabenchors ist es neben körperlichen Züchtigungen und Demütigungen von Chorknaben auch zu zwei sexuellen Missbrauchsfällen gekommen. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichte Studie der Universität Erlangen hervor. Die Internatsleitung habe die beiden Fälle allerdings umgehend angezeigt, sagte der emeritierte Pädagogikprofessor Max Liedtke, der die Untersuchung geleitet hat.
Im Jahr 1954 habe sich ein Hilfspräfekt an einem der Buben vergangen. Im Jahr 2001 war ein pädagogischer Mitarbeiter in den Verdacht geraten, einen der Chorknaben sexuell missbraucht zu haben. Details wollte Liedtke allerdings nicht nennen. Als positiv wertete Liedtke, dass das Windsbacher Chorinternat im Unterschied etwa zum Berliner Canisius Kolleg, zu den Regenburger Domspatzen und der Odenwaldschule solche Fälle sofort nach Bekanntwerden der Staatsanwaltschaft gemeldet habe.
Bis in die 70er Jahre habe es nach Berichten von Chorknaben aus dieser Zeit in Windsbach auch körperliche Züchtigungen gegeben. “Dieser Zeitraum ist dennoch keine Zeit systematischer gewalttätiger Erziehung und Unterdrückung gewesen“, betonte Liedtke. “Dagegen spricht Ä...Ü eine große Zahl hochpositiver Chor- und Internatserinnerungen eben aus dieser Zeit.“
Nach dieser Zeit hätten nur noch wenige Befragte von angsteinflößenden erzieherischen Maßnahmen berichtet und etwa den lautstarken und harschen Probenstil kritisiert. Infolge des pädagogischen Paradigmenwechsels und des Amtsantritts von Chorleiter Karl-Friedrich Beringer hätten sich seit 1978 alle Umfragewerte deutlich verbessert. In den vergangenen Jahren habe es auch keine Klagen über den Probestil mehr gegeben.
Die Untersuchung basiert auf anonymen Befragungen von etwa 400 ehemaligen Windsbachern. Darin hätten die meisten Absolventen der Jahrgänge 1947 bis 2010 überaus positiv auf ihre Chorzeit zurückgeblickt und vor allem die “Fülle an Erfolgserlebnissen“ gelobt, die sie durch Hunderte öffentliche Auftritte erfahren hätten, sagte der Pädagogikprofessor. Nach Angaben des heutigen Internatsleiters haben seit 1946 schätzungsweise 1500 bis 2000 Buben im Windsbacher Knabenchor angefangen. Die Untersuchung könne sich folglich auf rund ein Viertel aller ehemaliger Chorknaben stützen.
Der Chor war Mitte des vergangenen Jahrzehnts im Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den früheren Chorleiter Karl-Friedrich Beringer in die Schlagzeilen geraten: Eltern hatten ihm vorgeworfen, Chormitglieder bei Proben körperlich gemaßregelt und erniedrigt zu haben. Dabei seien Kinder und Jugendliche auch gewürgt worden. Beringer hatte dies stets abgestritten. Obwohl die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen später einstellte, war die Frage aufgeworfen worden, ob Chorknaben nicht unter zu großen Erfolgsdruck gesetzt würden.
dpa