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"Der Papst sollte in Rente gehen"

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Fraueninsel - In einer emotionalen Podiumsdiskussion sprachen Alois Glück, Prof Dr. Eckhard Nagel und rund 300 Besucher beim "Ökumenischen Inseltag" über "Visionen für eine neue Kirche".

Mit den beiden renommierten Gastrednern Alois Glück und Prof. Dr. Eckhard Nagel, dem brisanten Thema "Visionen für eine neue Kirche" und rund 300 interessierten und diskutierfreudigen Besuchern waren am Pfingstmontag eigentlich schon die Weichen für eine lebendige Podiumsdiskussion am ersten "Ökumenischen Inseltag" auf der Fraueninsel gestellt. Für das i-Tüpfelchen sorgte dann aber noch eine Klosterschwester mit ihrer Forderung nach Spitzenpositionen von Frauen in der katholischen Kirche und der Frage: "Warum kann der Papst nicht endlich in Rente gehen?"

In der voll besetzten Aula gab zunächst der Moderator Pfarrer Volker Toth, Professor für evangelische Religionspädagogik in Salzburg, den Gastrednern das Wort für ein kurzes Statement zum Thema.

Außer den beiden ökumenischen Kirchentagen 2003 in Berlin und 2010 in München habe sich nicht viel getan in Sachen "Ökumene", meinte Prof. Nagel, Transplantationsmediziner und einer der bedeutendsten Ethiker Deutschlands. Da die jungen Christen kaum noch die konfessionellen Unterschiede kennen "und ihnen das auch wurscht ist", sei die Zeit seiner Meinung nach "mehr als reif" für ein Umdenken: "Wenn es uns gelingt, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, haben wir mit unseren Kirchen eine große Zukunft vor uns."

Alois Glück, der frühere bayerische Landtagspräsident und jetzige Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken, sieht die katholische Kirche vor massiven Veränderungen in den nächsten zehn bis 20 Jahren. "Sie wird sich mit vielfältigen religiösen Strömungen auseinandersetzen müssen." Gerade darin sehe er aber keine Bedrohung, sondern den Reichtum der Kirche. Es sei die künftige Aufgabe der Kirche, so Glück weiter, sich mit einem hörenden Herzen den Menschen zu erschließen, um sie wieder zu erreichen. "Denn noch nie waren so viele nach Sinn und Orientierung Suchende unterwegs wie heute."

Deutlichen und teilweise anklagenden Worten, wie "die Gesellschaft hat euch längst überholt", sahen sich die beiden Referenten dann in der Diskussion gegenüber. Dabei wurden mit Unverständnis etliche "heiße Eisen" der katholischen Kirche kritisiert, wie die Behandlung von wieder verheirateten Geschiedenen und das Verbot der gleichgeschlechtliche Ehe sowie die Priesterschaft für Frauen.

"Auch Frauen haben Charismen (Gaben und Befähigungen)", sagte Klosterschwester Magdalena unter dem frenetischen Beifall der Zuhörer. Unmissverständlich und mutig machte sie die aktuellen Probleme der katholischen Kirche an der Kirchenleitung fest und fragte: "Warum kann der Papst nicht in den Ruhestand gehen?"

Glück betonte die Unantastbarkeit der Ehe in der konventionellen Form, mochte aber gewisse Verantwortlichkeiten füreinander in einer Homo-Beziehung nicht ausschließen. "Es geht nicht, dass wir gewachsene Strukturen einfach auflösen, aber wir sollten auch keine offenen und konstruktiven Auseinandersetzungen zu diesem Thema scheuen. Wir haben zu viel Angst und zu wenig Zuversicht, vor allem in den Führungsebenen", stellte Glück fest. Als Maßstab fruchtbarer Auseinandersetzungen nannte er die Würde des Menschen.

Prof. Nagel war hingegen der Meinung, "dass die Basis der Kirche schon viel weiter ist als ihre Führung" und betonte: "Unsere Zeit lässt kein Warten mehr zu." Die Sanktionierung von Homo-Ehen und die Priesterschaft von Frauen seien zentrale Anliegen der Gesellschaft, die zeigen, dass sich die Kirche bewegen müsse.

Das Verharren der Kirche in alten Strukturen interpretierte der Mediziner auch als ein Festhalten an der Macht. Nach seinem Dafürhalten seien die Messen in lateinischer Sprache ein Hinweis darauf, "dass die katholische Kirche gar nicht verstanden werden will." Er rief dazu auf, die Kirche nicht als Institution zu sehen, sondern als Gemeinschaft, bei der Toleranz das oberste Gebot sei.

vd/Oberbayerisches Volksblatt

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